Kunst wie Brot

Von Thomas Migge |
Für das Museo d'arte moderna di Bologna, abgekürzt MAMbo, ist eine Brotfabrik komplett verwandelt worden. In den riesigen Sälen ist zur Eröffnung die immense Kunstschau "Vertigo" zu sehen. Zu den präsentierten Künstlerinnen und Künstlern zählen Dalì, Warhol, Lichtenstein, Beuys, Louise Bourgois und Anselm Kiefer.
Francesco Zanardis Wahlspruch lautete: "Brot und Alphabet". Der Sozialist gewann 1916 in Bologna die Wahlen und wurde neuer Bürgermeister. Sein politisches Ziel: Brot und Bildung für alle. Deshalb ließ er eine gigantische Bäckerei errichten, den "Forno del Pane". Jeden Tag verließen 150 Doppelzentner Brot die Fabrik. Zukünftig soll die ehemalige Brotfabrik Kunst produzieren. Kunst als Nahrung des modernen Menschen, erklärt der Kunsthistoriker Maurizio Calvesi:

" Wir haben nicht die klassische Aufeinanderfolge der Kunststile gewählt. In unserer, wenn Sie so wollen, Kunstfabrik, stehen alle Stile gleichwertig nebeneinander. Der Besucher soll sich selbst zurechtfinden und erkennen, dass Kunst nicht chronologisch geordnete Stile bedeutet, sondern alles nebeneinander, alles zusammen. Vom Futurismus bis heute. "

Dalì neben Warhol, Lichtenstein neben Beuys, Louise Bourgois neben Anselm Kiefer und so weiter.

Die ehemalige Brotfabrik ist 12 Jahre lang und für 14 Millionen Euro komplett restauriert und umgebaut worden und präsentiert sich nun auf fast 10.000 Quadratmetern als eines der interessantesten italienischen Museen für moderne und zeitgenössische Kunst. Das MAMbo, so die Abkürzung von Museo d'arte moderna di Bologna, ist von dem Architekten und Designer Denis Santachiara komplett verwandelt worden. Die Außenarchitektur mit den großen Fenstern wurde beibehalten.

Im Innern schuf der Architekt riesige Säle, in denen auch große Installationen Platz finden, Gänge und Räume, Korridore und kleine Plätze. Eröffnet wird das MAMbo mit "Vertigo". So nennen die Ausstellungsmacher eine immense Kunstschau, die Schwindel zum Ausdruck bringen soll - jenes Schwindelgefühl, das moderne und zeitgenössische Kunst beim Betrachter auslösen kann. Ein Gefühl, das, und so die Ausstellungsthese, nur damit erklärt werden kann, dass die moderne Kunst sich selbst auflöst, sich selbst abstrahiert und auch auf den Arm nimmt.

Maurizio Calvesi: " Da ist zum Beispiel die Ausstellungssektion des Futurismus, wo wir Werke zeigen, die das Thema der Schnelligkeit und der Zerstörung in die Kunst bringen. Kunst wurde in jener Zeit, zu Anfang des letzten Jahrhunderts, zum Sinnbild des neuen Menschen und der motorisierten Gesellschaft. Der Futurismus löste eine künstlerische Revolution aus. "

Denn der Futurismus befreite die Kunst und die Künstler aus einer Rolle, die die Gesellschaft ihnen vorgegeben hatte. Kunst galt fortan als Rebellion, als etwas Politisches, Kritisches und Ironisches, das mit allem brach, was gesellschaftstragend war und ist.

Bolognas neues Kunstmuseum MAMbo zeigt bei seiner Eröffnungsausstellung 400 Werke von 200 verschiedenen Künstlern aus Europa und den USA. Eine gigantische Ausstellung, die die Aufmerksamkeit des kunstinteressierten Publikums auf Bologna richten soll. Auf das MAMbo und auf den Willen der Stadtväter ihre eher als Schlemmerparadies bekannte Kleinstadt zum Ziel jener Reisenden zu machen, die sich für moderne und zeitgenössische Kunst interessieren.

Im Anschluss an "Vertigo" gibt es weitere Ausstellungen aber auch eine feste Kunstschau mit den Werken der eigenen Sammlungen, die zu den reichsten Italiens aus dem späten 19. und 20. Jahrhunderts gehören. Das MAMbo, so der Kunsthistoriker Ludovico Pratesi, setzt Bologna mit Rovereto, Turin und Neapel in Beziehung:

" Die Idee zu diesem Museum hängt damit zusammen, dass man mehr für moderne und zeitgenössische Kunst tun will. Italien war in diesem Punkt bis noch vor wenigen Jahren eine Wüste. Jetzt gibt es ausgezeichnete Museen zum künstlerischen Schaffen in einigen wenigen Städten. Das MAMbo braucht einen Vergleich mit ähnlichen Einrichtungen in Deutschland nicht zu scheuen. Eine wichtiges Museum. "

Das ist nicht übertrieben. Neben den genannten Städten mit beispielhaften Museen ist Italien ein Notstandsland der zeitgenössischen Kunst. Die meisten Bürgermeister lassen sich auf solche Museen nicht ein - und ziehen es vor, lieber ein neues Museum für alte Kunst einzurichten, von denen es bereits tausende gibt.

Rom zum Beispiel: Italiens Hauptstadt besitzt zwar mit dem MAXI ein Museum für zeitgenössische Kunst, aber es ist unverständlicherweise nur klein und wird von der Stadt nur mit wenig Finanzmitteln versorgt. Warum das so ist? Roms Bürgermeister Walter Veltroni gab erst vor kurzem eine Antwort auf diese Frage: Wer nach Rom komme, so der Bürgermeister, wolle alte Kunst sehen, denn dafür sei Rom ja bekannt. Ob das eine ausreichende Erklärung dafür ist, dass zeitgenössisches Kunstschaffen nur stiefmütterlich behandelt wird, sei dahin gestellt.