Ein Mahnmal vor Höckes Haus
Selten hat Bornhagen in Thüringen so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Hier haben die Künstler des Zentrums für Politische Schönheit eine "Außenstelle des Berliner Holocaustdenkmals" eröffnet – gegenüber dem Haus des AfD-Politikers Höcke.
Bornhagen, in Nordthüringen, in einem kleinen Hinterhof: Zwei junge Männer stehen zwischen 21 Stelen, die denen des Holocaust-Mahnmals in Berlin schon aus kurzer Entfernung täuschend ähnlich sehen. Zwei Meter lang, bis zu 2,50 hoch. "Na Glatze, alles frisch?", rufen die jungen Männer höhnisch zu ein paar Männern auf dem Nachbargrundstück rüber, die das Treiben beobachten. Man fotografiert sich gegenseitig. Sie lassen eine Drohne mit einer Kamera aufsteigen, die auch über das Nachbargrundstück fliegt.
Hier, wo bis 1989 Sperrgebiet war, unweit der Grenze zu Hessen, scheint ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen. Die Aktivisten des Berliner Zentrums für Politische Schönheit, die in der Vergangenheit schon mit diversen spektakulären und umstrittenen Aktionen aufgefallen waren, sind in die Provinz gegangen.
"Sich mit der Geschichte auseinandersetzen"
Sie haben die Stelen auf dem von ihnen angemieteten Grundstück aufgestellt als "Außenstelle des Berliner Holocaustdenkmals", wie es in ihrer Pressemitteilung heißt. Um Björn Höcke, der im Nachbarhaus lebt, zu provozieren, den Björn Höcke, der im Januar in Dresden die deutsche Erinnerungskultur an den Holocaust verächtlich gemacht und eine Wende in dieser Erinnerungskultur um 180 Grad gefordert hatte.
"Wir wollen ihm gern die Möglichkeit geben, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und vor allen Dingen auch Verantwortung zu übernehmen", sagt die Aktivistin des Zentrums für Politische Schöngeit, Jenny Molé. "Verantwortung für die deutsche Geschichte, für das, was passiert ist. Wir können Dinge nicht leugnen, wir müssen sie anerkennen. Und ich finde, das ist auch eine Sache, auf die man stolz sein kann, so eine Erinnerungskultur, wenn man Fehler erkennt, die einsieht und sich dafür einsetzt, dass sie nicht wieder passieren."
Man biete Höcke an, so heißt es auf der Internetseite des Zentrums für Politische Schönheit, Brandts Kniefall in Warschau in Bornhagen zu wiederholen, dann würde man wieder abziehen. Höcke ließ schon von seinem Stellvertreter an der AfD-Fraktionsspitze im Landtag, Stefan Möller, ausrichten, dass er – so wörtlich – nicht vor Kriminellen auf die Knie gehen werde.
"Das sind keine Künstler, nehmen sie mir es nicht übel! Ich verwahre mich dagegen!", sagte Möller. "Solche Menschen, die einer Familie Angst machen, die stalken, sind keine Künstler, das sind Täter! Und wer so etwas als Künstler bezeichnet oder als Aktivisten bezeichnet, der soll sich mal überlegen, was passiert, wenn die politischen Richtungen sich umkehren! Sehen sie es dann auch noch als Künstler an oder als Aktionismus?"
Künstler sollen Höcke ausspioniert haben
Hintergrund der Erregung: Das Zentrums für Politische Schönheit hat das Grundstück vor zehn Monaten angemietet und seitdem die Familie Höcke regelmäßig beobachtet und Björn Höcke fotografiert. Diese Fotos fanden sich heute im Internet wieder. Man wolle, mit dieser so wörtlich – "aufwendigsten zivilgesellschaftlichen Langzeitbeobachtung des Rechtsradikalismus in Deutschland" ein "ein Frühwarnsystem der Zivilgesellschaft" schaffen, da der Verfassungsschutz Björn Höcke nicht überwache.
Im Internet wirbt das Zentrum für Politische Schönheit um Mitstreiter:
"Werden sie Teil unseres Teams! Beobachten sie den bekanntesten Brandstifter Deutschlands! Schlafen sie im Haus neben ihn! Spielen sie mit seinen Schafen! Sind sie Student und haben Zeit für eine Rund-um-die Uhr-Überwachung? Sind sie erprobter Hacker oder Toningenieur oder Detektiv? Wir brauchen sie! Bewachen sie das Mahnmal und sammeln sie nützliche Informationen über unseren Nachbarn!"
Das ganze Projekt soll sich durch Crowdfunding finanzieren, durch massenhafte Kleinspenden also. Angeblich sind heute schon um die 60.000 Euro bei den Berliner Aktionskünstler eingegangen.
Polizei prüft, ob Straftatbestände vorliegen
Ob sie damit aber wirklich zwei Jahre auf Höckes Nachbargrundstück bleiben können, ist fraglich: Juristen haben große Bedenken, ob die permanente Beobachtung und Belagerung nicht strafbar sein könnte und die Grenzen des persönlichen Freiraumes der Familie Höcke, zu der auch vier Kinder gehören, nicht weit übertreten werden.
Der Präsident des Thüringer Landtags, Christian Carius, distanzierte sich heute scharf von der Kunstaktion mit den Worten, dass "das Abhören und Ausspionieren von Abgeordneten und ihren Familien den Zersetzungsmethoden der Staatssicherheit" gleiche und "durch nichts zu rechtfertigen" sei.
Die Polizei ist in Bornhagen vor Ort und prüft, ob Straftatbestände vorliegen. Die Kunstaktion mit den Stelen könnte so im Schatten der Überwachungsaktion untergehen.