Stehlen! Sparen! Spenden!
Peng! ruft mit der Aktion "Deutschland geht klauen" dazu auf, Produkte zu stehlen: bei den vier Supermarktketten Aldi, Lidl, Rewe und Edeka. Das Künstlerkollektiv will so erreichen, dass sich die Produktionsbedingungen weltweit ändern. Ist das Kunst oder eher eine Straftat?
Steen Thorsson war gestern Abend bei dem Start der Kampagne "Deutschland geht klauen" in Berlin in einer Kreuzberger Kneipe dabei. Sein erster Eindruck:
"Man saß auch bei geklauten Schokoladen und Blumen. Es gab eine ziemlich ausgelassene Stimmung. Die Leute haben sich in dem Hauch der Subversion gebadet. Die Kampagne wurde vorgestellt. Es gab viel Beifall."
Das gesparte Geld soll gespendet werden
Die Logik der avantgardistischen Gruppe folgt dem Motto: Supermärkte klauen durch das Drücken der Preise. Wir klauen zurück! Das Geld, das beim Stehlen gespart wird, soll man anschließend an Organisationen und Gewerkschaften spenden. Steen Thorsson erklärt:
"Das Geld, das man durch Ladendiebstähle spart, geht zum Beispiel an Organisationen aus Ecuador, an Bauern, an Gewerkschaften. Man kommt über eine Homepage an verschiedene Produkte wie Bananen, Blumen, Tee aus Indien. Man kann darauf klicken und sagen, wie viel man geklaut hat. Der Betrag wird dann anonymisiert gespendet – zum Beispiel an eine Bananenplantagengewerkschaft in Südamerika oder NaCap. Das ist die Gewerkschaft für die Rechte der migrantischen Arbeiter*innen in Italien, die zum Beispiel auf Tomatenplantagen arbeiten. Mit der Aktion soll die Arbeit vor Ort gestärkt werden und Konsumenten hier sich solidarisieren mit den Produzenten da."*
Die Situation der Arbeiter auf den Plantagen
Ein Sprecher der Bananenplantagen-Gewerkschafter berichtet davon, dass die Unternehmen vor Ort die Rechte der Arbeiter nicht respektierten. Indem sie Pestizide versprühten, setzten sie die Gesundheit der Arbeiter aufs Spiel. Gewerkschafter würden verfolgt und auf Schwarze Listen gesetzt, damit sie keine Arbeit mehr bekommen. Manchmal würden sie sogar mit dem Tod bedroht. Durch mehr Öffentlichkeit hoffen sie auf eine bessere Ausgangslage und haben viel Hoffnung in die Macht der hiesigen Konsumenten.
Wunsch nach neuen Gesetzen
Mit der Aktion wollen die Künstler vor allem eine öffentliche Debatte bewirken. Zielscheibe ist die Politik hierzulande. Einer der Aktivisten erklärt, Peng! wolle, dass:
"... ein Gesetz entsteht, was bindend ist und was dazu führt, dass Unternehmen nicht einfach sagen können: 'Wir werden unser Bestes tun' und die Bundesregierung sagt, es ist uns ganz wichtig und wir ermahnen euch, das zu tun, und sich dann auf die Schulter klopfen und dann sagen – ja dieses Jahr hat es nicht geklappt, aber vielleicht nächstes."
Nationaler Aktionsplan
Momentan gibt es in Deutschland nur den Nationalen Aktionsplan "Wirtschaft und Menschenrechte" vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, erklärt Thorsson. Er setze aber nur darauf, dass Unternehmen bis 2020 unter freiwilliger Selbstverpflichtung auf bessere Bedingungen achten. Dazu heißt es:
"Mit dem Nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung einen Beitrag leisten, die weltweite Menschenrechtslage zu verbessern und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten."
Steen Thorsson kritisches Fazit: Die Form scheine erst mal sehr provokativ: Klauen gehen. Rechtsbruch. Selbstjustiz. Inhaltlich sei die Aktion aber doch etwas dünn:
"Ob die Bundesregierung jetzt aber wegen dem Klau von ein paar Tafeln Schokolade oder Kaffeepulver bei Aldi ein neues Gesetz schmiedet, das kann man natürlich bezweifeln."
(cosa)
*Wir haben diesen Beitrag aus redaktionellen Gründen geändert.