Kunstaktion in Nürnberg

Regenbogen gegen Reichsparteitagsgelände

07:18 Minuten
Mit bunten Streifen bemalte Steintribüne.
Die historische Steintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg wurde zeitweise bunt bemalt, um ein Zeichen zu setzen © Picture Alliance / dpa / Friedrich
Norbert Frei im Gespräch mit Timo Grampes |
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Der Historiker Norbert Frei lobt die Regenbogenaktion einer Künstlergruppe auf dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Er plädiert für einen „kontrollierten Verfall“ der Hitler-Tribüne und wünscht sich mehr Ideen für den künstlerischen Umgang damit.*
Die Farben des Regenbogens schmückten Ende Oktober plötzlich die ehemalige Redebühne Hitlers in Nürnberg. Eine anonyme Künstlergruppe wollte auf diese Weise den Umgang mit der Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, einem der zentralen Orte der NS-Propaganda, wieder ins Gespräch bringen. Seither kursieren die Bilder im Netz, und die Kunstaktion fand einige Zustimmung. Die Stadt Nürnberg ließ die Farbe inzwischen wieder entfernen und verwies darauf, dass die Kunstaktion nicht genehmigt gewesen sei und der Bau unter Denkmalschutz stehe.


Der Historiker Norbert Frei begrüßt die sehr kreative Regenbogenaktion: "Diese anonyme Gruppe hat gezeigt, was Kunst vermag, wenn sie sich gesellschaftskritisch versteht." Sie habe auf höchst treffende und amüsante Art demonstriert, wie man diese gewalttätige Nazi-Architektur intelligent dementieren kann."
Es sei seiner Kenntnis nach mit Wasserfarbe gearbeitet worden, sodass ein Schaden nicht zu befürchten sei. Deshalb sei es unpassend, von Vandalismus zu sprechen. Vielmehr habe die Kunstaktion mit ihrem Regenbogen genau das Gegenteil der nationalistischen Ausgrenzungs- und Verfolgungspolitik gegenüber Minderheiten thematisiert.

"Brutalität in Stein"

Debatten darüber, wie man mit der "Brutalität in Stein", wie der Filmemacher Alexander Kluge das riesige NS-Gelände einmal nannte, umgehen soll, gibt es immer wieder. Die letzte hatte Frei angestoßen. Der Historiker forderte schon vor ein paar Jahren "einstürzende NS-Bauten", das heißt: deren kontrollierten Verfall, statt einer Sanierung für viele Millionen Euro.
Die Idee einiger Architekten, die Bauten kontrolliert verfallen zu lassen, bedeute ja nicht, dass alles in den nächsten 50 Jahren einfach weg sei, sagt Frei. "Insofern wäre für Kunst und kreativen Umgang noch lange Zeit."

Kritik an der Stadtpolitik

"Dass das ganze Ensemble des Reichsparteitags unter Denkmalschutz steht, ist ja wohl nur der Hintergrund dafür, dass an eine Generalinstandsetzung und Generalsanierung jetzt gedacht wird", sagt Frei. Das sei eine ziemlich einfallslose Form des Umgangs mit diesem Nazi-Erbe, kritisiert der Historiker. Die Stadt Nürnberg sei in dieser Hinsicht schon seit Langem nicht sehr kreativ.
Einerseits gebe es am Rande des Geländes das sehr gute Dokumentationszentrum, das von vielen Leuten besucht werde. Andererseits gehe man mit dem Gesamtgelände ziemlich opportunistisch um. Die riesige Kongresshalle werde teilweise genutzt. "Jetzt soll dieser Besuchermagnet Hitler-Tribüne generalsaniert werden. Das ist problematisch."

"Schäbiger Muschelkalk" von Albert Speer

Dabei sollte man eigentlich demonstrieren, was für ein schnell und billig gebautes Bauwerk der Architekt Albert Speer da hochgezogen habe. Auch daraus lasse sich im Prozess eines kontrollierten Verfalls künstlerisch eine Menge machen, so Frei. Es gehe ihm nicht darum, das ganze Gelände in absehbarer Zeit verschwinden zu lassen.
Vielmehr sei zu überlegen, ob man wirklich 70 Millionen Euro investieren wolle, damit der "schäbige Muschelkalk", der jetzt bröselig geworden sei, wieder instand gesetzt werde. "Wenn man dann noch weiß, ironischerweise, dass Albert Speer sogar Ruinen dieses Gebäudes aquarelliert hat, um Hitler zu zeigen, wie das Ganze in tausend Jahren vielleicht aussehen könnte, dann finde ich, ist es doppelt problematisch, jetzt das Ganze aufpolieren zu wollen."
(gem)
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben die indirekt widergegebene Äußerung unseres Gesprächsgastes präzisiert.
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