Gericht schützt Ehrenmal für NS-Verbrecher
Auf der Insel Frauenchiemsee in Bayern ehrt ein Grabmal den NS-Kriegsverbrecher und Generaloberst unter Hitler, Alfred Jodl. Der Künstler Wolfram Kastner wollte darauf aufmerksam machen, bemalte das Grab und manipulierte es. Ein Gericht verurteilte ihn dafür nun mit einer Geldstrafe.
Wolfram Kastner steht im Gang des Münchner Justizpalastes. Das Urteil, das ihm eben der Richter Uwe Habereder verkündet hat, nimmt der Aktionskünstler mit Fassung zur Kenntnis, bei seiner Ursprungsforderung bleibt er trotzdem.
"Ja, der Name und das eiserne Kreuz. Das muss weg", sagt er.
Das Landgericht München I verfügt: 10.000 Euro, Kastner muss die Gerichtskosten übernehmen. Außerdem darf er nicht mehr in künstlerischer Absicht zur kleinen Fraueninsel auf dem Chiemsee fahren. Dort hatte der Münchner im vergangen Sommer mit mehreren Aktionen von sich reden gemacht. Ziel war ein weißes Grabmal in Form eines Kreuzes. Kastner bemalte es mit blutroter Farbe. Die Reaktionen eines Dorfbewohners zeichnete damals ein Kollege des Bayerischen Rundfunks auf.
Dorfbewohner: "Wer macht jetzt des wieder sauber?"
Kastner: "Niemand."
Dorfbewohner: "Die Jungen schimpft man – die Sprayer. Sie waren's ja selber. Des is' ja scho ewig her."
Kastner: "Aber es steht heut noch da, im Jahr 2016."
Dorfbewohner: "Des is' ja wurscht."
Kastner: "Ein Kriegsverbrecher gehört nirgendwo geehrt."
Dorfbewohner: "Der liegt da doch gar ned da."
Kastner: "Ja, umso schlimmer."
Dorfbewohner: "Ah, so a Blädsinn."
Kastner: "Niemand."
Dorfbewohner: "Die Jungen schimpft man – die Sprayer. Sie waren's ja selber. Des is' ja scho ewig her."
Kastner: "Aber es steht heut noch da, im Jahr 2016."
Dorfbewohner: "Des is' ja wurscht."
Kastner: "Ein Kriegsverbrecher gehört nirgendwo geehrt."
Dorfbewohner: "Der liegt da doch gar ned da."
Kastner: "Ja, umso schlimmer."
Dorfbewohner: "Ah, so a Blädsinn."
Bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt
Zur Erläuterung: Alfred Jodl ist nicht auf Frauenchiemsee begraben. Die Asche des Generaloberst unter Hitler wurde in die Isar gekippt, nachdem er 1946 bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt worden war. Seine Witwe ließ in den Fünfzigerjahren das Urteil von der bayerischen Justiz aufheben – und daraufhin das Steinkreuz errichten. Darauf Jodls Name, der Dienstgrad – und ein Eisernes Kreuz, die Ehrenauszeichnung für Wehrmachtsoldaten. Kastner empörte sich:
"Ein in Nürnberg verurteilter Hauptkriegsverbrecher, der für grauenhafte Verbrechen verantwortlich war, wie den Barbarossa-Feldzug gegen die Sowjetunion, wie die Hungerblockade, wo 1,1 Millionen Menschen erbärmlich verhungert sind und verreckt sind etc., den Kommissarsbefehl, wo sowjetische Kriegsgefangene und Juden sofort erschossen wurden statt gefangen genommen und so weiter. Einen solchen Mann mit einem Kreuz und einer Schrift zu ehren, als wäre nichts gewesen, finde ich einen unsäglichen Skandal."
Wolfram Kastner wiederholte seinen Protest. Zudem entfernte er den Buchstaben "J", so dass nur noch "Odl" auf dem Stein stand – ein süddeutscher Begriff für Jauche. Das J schickte er an das Deutsche Historische Museum – und empfahl, eine Ausstellung über den Umgang der Deutschen mit ihrem NS-Erbe. Für seine künstlerischen Interventionen stand der Münchner Aktionskünstler schon öfter vor Gericht. Und sorgte damit vor allem in Oberbayern regelmäßig für Debatten. Um eine stärkere Erinnerungskultur in der einstigen "Hauptstadt der Bewegung" anzumahnen, durchlöcherte er mit einem Gasbrenner den Rasen auf dem Münchner Königsplatz oder demontierte die Hindenburg-Büste des Nazi-Bildhauers Josef Thorak von einer Dorfmauer. Wolfram Kastner ist überzeugt: Als Künstler darf er das.
"Kunst – mit Paul Klee gesprochen – macht etwas sichtbar, was man sonst nicht sieht. Und ich habe durch visuelle, also ästhetische Intervention, eine Situation in diesem Lande, die wirklich skandalös ist, sichtbar gemacht."
Nachkomme erkennt Kriegsverbrechen Jodls an
Dagegen erwirkte ein Nachkomme von Alfred Jodl eine Unterlassungsverfügung, auch wenn er in der Verhandlung klarmachte, anzuerkennen, dass sein Vorfahre ein Kriegsverbrecher war. Kastner klagte gegen die Verfügung. Einigen konnten sich beide Seiten nicht. Die von Kastner vorgeschlagene, dezente Info-Tafel lehnte der Nachkomme ab, weil so die gesamte Familie Jodl indirekt verurteilt würde. Eine Entfernung des Steins hätte Kastner allein bezahlen müssen. Das Gericht begründet sein Urteil zugunsten des Jodl-Nachkommen mit dem Schutz des Kenotaphs. Dieser sei höher zu bewerten als die Kunstaktion Kastners – obwohl es die Argumente des Künstlers nachvollziehen kann, dessen Interventionen auch die örtlichen Behörden beschäftigten.
"Die Gemeinde hat sich ja zweimal mit dem Antrag von Gemeinderatsmitgliedern befasst", sagt Kastner "Es gab ja einen Antrag des Lindenwirts auf Entfernung der Schrift, weil er mehrfach angesprochen wurde daraufhin. Und das wurde mit 8 zu 1 Stimmen abgelehnt. Und es gab einen weiteren Antrag, eine kommentierende Erklärungstafel dazu anzubringen, das wurde mit 7 zu 2 abgelehnt. Also da ist wohl ein Jodl-Fanclub auf dieser Insel zugange."
Wolfram Kastner möchte das Urteil nicht hinnehmen. Er und sein Anwalt kündigten heute an, in Berufung zu gehen. Notfalls wollen sie bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Falls Kastner dort nicht Recht bekommt, wird er zahlen müssen. Auch die Kosten für die Sanierung des Jodl-Grabmals. Für 4000 Euro erstrahlt es nun in frischem, hellem Weiß.
(Online-Text: tmk)
Interview mit Wolfram Kastner in unserer Sendung "Studio 9"