Kaum Digitales und viel Kunst für die Sinne
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Mit 1500 Werken sei die Biennale in Venedig „voll wie nie“, sagt Kulturjournalistin Claudia Wheeler. Nach der coronabedingten Verschiebung um ein Jahr zeige sich die große Lust auf Kunst auch an vielen großformatigen Exponaten.
Vom 23. April bis 27. November öffnet die 59. Kunstbiennale Venedig ihre Pforten. Mehr als 1500 Kunstwerke werden in der Hauptausstellung gezeigt, in der sich 80 Nationen mit ihren Pavillons präsentieren. Schon vorher konnte Kulturjournalistin Claudia Wheeler in der Presse-Preview erste Eindrücke der Schau sammeln.
Verbindung von Mensch und Natur
„Die Biennale ist so voll wie nie“, sagt Wheeler. Und das betreffe sowohl die Zahl der Menschen bei der Preview-Begehung als auch die Menge an Kunstwerken. Weil die Kunstbiennale um ein Jahr verschoben werden musste, spüre man nun „die große Lust auf Kunst“: „Auch daran, dass es unglaublich viele großformatige Werke gibt, also wahnsinnig viele Installationen, große Wandbilder, große Skulpturen.“ Überwiegend würden Werke von Künstlerinnen gezeigt.
Das Motto der Biennale „Die Milch der Träume“ bezieht sich auf ein Kinderbuch von Leonora Carrington und dreht sich um Metamorphosen: Menschen werden zu Tieren – und umgekehrt. Auch die Natur spielt eine wichtige Rolle. „Wenn man weiß, dass die Vorlage von einer surrealistischen Künstlerin ist, dann sieht man das schon. Viele Kunstwerke beschäftigen sich mit dem Verhältnis Mensch-Maschine und Mensch-Natur.“
Kunst ohne Bildschirme
Der Bezug zur Natur werde durch die vielen Gärten verstärkt, die während der ganzen Biennale wuchern und wachsen sollen, um sich Räume neu zu erobern. Es gebe wenig digitale Werke, Kuratorin Cecilia Alemani habe Kunst „weg vom Bildschirm“ bevorzugt. So beinhalte die Biennale viel „Kunst für die Sinne“.
In der Pressekonferenz habe Alemani erläutert, dass es vor allem Kunst zum Riechen und Anfassen gebe
, um Kunst erfahrbar zu machen. Sie habe nach der Pandemie „Kunst in ihrem Fleisch“ erleben wollen.
Exemplarisch für die Ausstellung sei der riesige grüne Elefant der Künstlerin Katharina Fritsch im zentralen Pavillon in den Giardini. Dieser stehe wie ein Denkmal auf einem Sockel, werde durch riesige Spiegel „vervielfältigt“. „An dieser Arbeit ahnt man schon so etwas von dieser Überwältigungsstrategie, die an der einen oder anderen Stelle auch etwas überfordert.“
Ukrainischer Pavillon mit Bezug zum Krieg
Natürlich stehe die Biennale in Venedig auch in diesem Jahr im Zeichen des Ukraine-Krieges. Der russische Pavillon bleibt geschlossen, denn Kurator und die beiden Künstler sehen keinen Platz für ihre Arbeiten, solange Menschen in der Ukraine beschossen werden. Die Ukraine ist dafür doppelt vertreten, unter anderem mit der Installation „Brunnen der Erschöpfung“ von Pawlo Makow.
Der Brunnen symbolisiere Erschöpfung auf verschiedensten Ebenen, etwa der Erschöpfung von Ressourcen, unserer Umwelt und der Beziehung von Menschen und Nationen untereinander.
Dem deutschen Pavillon auf den Grund gegangen
Im deutschen Pavillon hat sich Maria Eichhorn mit der Geschichte des Gebäudes beschäftigt. 1938 hatten die Nazis das 1909 errichtete Haus umgebaut. Die Künstlerin habe "alle Schichten freigelegt“, so Wheeler, und dazu auch alle Archivunterlagen zum Pavillon gesichtet. „Und sie hat den Boden aufgehauen, nachdem sie recherchiert hat, wie groß dieser Pavillon eigentlich war – der war nämlich ungefähr halb so groß, wie er jetzt ist.“
Eichhorns Arbeit beschäftige sich mit der Umformung der Architektur, und zeige, wie klein und bescheiden dieser Pavillon ursprünglich war und wie groß er dann geworden ist. Die Idee der Künstlerin, den Pavillon zu versetzen, sei nicht realisiert worden, bedauert Wheeler:
„Ich hätte mir gewünscht, sie hätte das Statement gesetzt, hätte den Pavillon versetzen lassen und eine Lehrstelle der Biennale hinterlassen – ich glaube, das wäre eine Arbeit gewesen, die noch lange im Gedächtnis geblieben wäre.“