Neue Studie lässt viele Fragen offen
06:47 Minuten
Der "Kunstfund Gurlitt" hat den Umgang mit dem Thema NS-Raubkunst nachhaltig verändert. Jetzt liegt eine abschließende Studie des Falls vor. Die Rolle der Behörden bleibe darin aber unterbelichtet, meint der Journalist Stefan Koldehoff.
2013 sorgte der spektakuläre "Kunstfund Gurlitt" für Aufsehen: Rund 1500 Kunstwerke wurden bei dem Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt gefunden. Bei vielen wurde vermutet, dass es sich um NS-Raubkunst handelt. Eine Folge dessen war unter anderem die Gründung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg. Vor kurzem wurden dessen Forschungen am Gurlitt-Fundus abgeschlossen und nun auch in Form eines Buchs aufbereitet.
Diese Publikation wirke nun "ein bisschen wie ein Arbeitsnachweis", sagt dazu Stefan Koldehoff, der die Causa Gurlitt in den letzten Jahren journalistisch begleitet hat. Eigentlich sei zu diesem Fall schon alles gesagt, meint Koldehoff unter Verweis auf vorangegangene Bücher zur Sache. Der nun vorliegende wissenschaftliche Band konzentriere sich vor allem auf Teilaspekte, die für die Öffentlichkeit "eher von minderem Interesse" seien. Neue Erkenntnisse zum Kunstfund gebe es "allgemein überhaupt nicht".
Keine Kritik an den Behörden
Ein wichtiger Aspekt bleibe in dieser Veröffentlichung jedoch unbeleuchtet: "Man hätte eigentlich erwarten müssen, dass die Rolle der beteiligten Behörden aufgearbeitet worden wäre. Wenn wir uns erinnern: Diese Sammlung war eigentlich völlig ohne rechtliche Grundlage bei einem alten Mann in München-Schwabing beschlagnahmt worden. Man konnte ihm nichts nachweisen. Man hat ihm bis heute nicht nachweisen können, dass er irgendwie verbrecherisch gehandelt hätte. Im Gegenteil: Die Zahl der sogenannten Raubkunstwerke, die im Schwabinger Kunstfund ausfindig gemacht werden konnten, ist nach wie vor verschwindend gering. Davon aber kein Wort. Eine Behörde, wie sie ja letztlich auch das Zentrum Kulturgutverluste ist, übt offenbar an anderen Behörden keine Kritik."
Die Veröffentlichung des Bandes stehe im Zusammenhang mit einer fortschreitenden "Akademisierung des Themas NS-Raubkunst und Provenienzforschung", so Koldehoff. "Der Kunstfund Gurlitt hat nicht zuletzt maßgeblich dazu beigetragen, dass die Politik Gelder zur Verfügung gestellt hat. Dass Museen forschen können, dass aber auch ganz viele Stellen entstanden sind."
Solche zeitlich meist befristete Stellen stehen unter Rechtfertigungsdruck, erklärt Koldehoff. Mit solchen Veröffentlichungen wie der vorliegenden könne "man zeigen: Ich beherrsche mein Fach. Ich tue etwas. Ich habe irgendwie wieder einen kleinen Teilaspekt herausbekommen. Ob es für das große Ganze, für die Erbinnen und Erben, die nach wie vor nach verschwundenen Bildern suchen, tatsächlich so zielführend ist, da habe ich so meine Zweifel."
Mit wem hat Gurlitt zusammengearbeitet?
Auch die zahlreichen, mittlerweile im Bundesarchiv einlagernden Dokumente, die bei Gurlitt gefunden wurden, seien laut Koldehoff in dem vorliegenden Band zu wenig beleuchtet worden: "Da hätte man dringend mehr darüber erzählen müssen: Mit wem haben Hildebrand Gurlitt und seine Kinder eigentlich zusammengearbeitet?"
Koldehoff vermutet, "dass das für viele am Kunstmarkt in der Bundesrepublik Beteiligte überhaupt keine große Überraschung war, als diese Bilder auftauchten." Die Sammlung Gurlitt und ihr Inhalt dürften demnach im Markt ein offenes Geheimnis gewesen sein.
(thg)