Die Ausstellung ist in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden bis zum 15. Oktober 2017 zu sehen.
Liang Shuo ist nur mit einer Idee angereist
Mit ausgedienten Brettern und Planken hat der chinesische Künstler Liang Shuo die Kunsthalle der Kurstadt Baden-Baden in eine begehbare Berglandschaft verwandelt. Dazu hat sich der 41-Jährige vor Ort inspirieren lassen.
Als der chinesische Künstler Liang Shuo im vergangenen März auf dem Bahnhof in Baden-Baden ankam, hatte er außer seinem Rucksack nichts dabei, nicht mal eine Idee. Zwei Wochen lang studierte er die örtlichen Gegebenheiten, dann verschwand er wieder nach Peking. Erst vor fünf Wochen erfuhr der Kunsthallenleiter Johan Holten, was der Chinese vorhatte – und dazu brauchte er jede Menge altes Holz, mit dem er die gesamte Kunsthalle nun in eine Art Berglandschaft verwandelt hat.
"Inspiration hierfür war ganz offenkundig, dass wir uns ja auch in einer sehr bergigen Region befinden und sogar hier die Kunsthalle selbst auf einem Felsen steht. Und deswegen das als Ausgangspunkt zu nehmen und dann eine fiktive Berglandschaft auch innerhalb des Gebäudes zu bauen."
So steht jetzt der Besucher, wenn er den großen Ausstellungsaal betritt, zunächst vor einer riesigen Wand aus alten Brettern und Planken, die mit Vorsprüngen und Einbuchtungen wie ein Felsmassiv hoch bis an die Decke ragt, alles vernagelt und verschraubt. Und daran muss man erst einmal vorbei, sagt Johan Holten.
"Man geht dann immer wieder durch jeden Raum und entdeckt einen neuen Teil dieser Landschaft, so dass es ist, als ob man fast eine ganze Tageswanderung gemacht hätte. Aber man sieht eben nur die Highlights dieser Tageswanderung von Raum zu Raum. In einem Raum kommt man rein ganz hinten, und dann plötzlich öffnet sich ein riesiges Tal mit einem durchfließenden Bach in der Mitte, der bis vor unsere Füße sozusagen zu plätschern scheint. Und das ist dann ein weiteres Highlight dieser fiktiven Tageswanderung."
Fantastische Ausblicke und Ansichten
Stöckelschuhe sind auf diesem Holzweg nicht zu empfehlen, hie und da muss man ein bisschen klettern und sich bücken, es lauern schiefe Ebenen und Stolperfallen. Mal steht ein kantiger Fels mitten im Raum, mal fühlt man sich wie in einem Wald, und gelegentlich wirkt das tote Gehölz mit kahlen Stämmen und blattlosen Ästen, als wäre es von einem Wirbelsturm verheert. Es gibt auch eine steile Anhöhe, sechs Meter hoch, die man besser nicht erklimmen sollte. Als Barriere dient ein aus kleinen Holzteilchen gebasteltes Gebüsch.
Das alles ist ein grandioses Erlebnis mit phantastischen Ausblicken und Ansichten, und was der Chinese da mit zahlreichen Helfern an landschaftlicher Illusion in die Räume gezimmert hat, ist schon ziemlich genial. Viel Holz, und die Materialbeschaffung war nicht ganz leicht.
"Wir haben Anzeigen in lokalen Zeitungen gehabt, um zu suchen nach altem Holz oder Abrisshäusern, dann haben Leute sich gemeldet, und dann haben wir über andere Verbindungen gehört, dass dort was abgerissen wird. Und so haben wir Stück für Stück diese ganzen Wahnsinns-Holzmengen zusammenbekommen."
Kritik zur hemmungslosen Überproduktion
Ausgediente Holzdielen der Kirche im Schloss Rastatt, die gerade renoviert wird, fanden so Verwendung, aber auch die Decke einer abgerissenen Turnhalle aus dem benachbarten Bühlertal.
Liang Shuo, der Künstler, bemüht gerne das Bild vom Wasser, um sein prozesshaftes Arbeitsprinzip zu beschreiben. Und wie sich das Wasser seinen Weg sucht und dorthin fließt, wo es Platz gibt, entwickelt Liang seine Projekte quasi aus dem Nichts und sehr flexibel und passt sie an die räumlichen Gegebenheiten an.
Derjenige, den das trostlose Graubraun von Liangs Berglandschaft trotz aller Poesie an Kriegs- oder Naturzerstörungen erinnert, liegt sicher nicht ganz falsch. Doch mehr noch darf die Installation verstanden werden als ein kritischer Kommentar zur hemmungslosen Überproduktion von Dingen oder Kunstwerken, nicht nur in China. Liang ist ein Künstler, der seine Werke auf sympathische Weise dem Markt entzieht, denn am Ende der Schau ist das Holz wieder das, was es auch vorher war: ein Rohstoff, der wieder verwendet werden kann.