Magischer Realist und stolzer Bremer
Schiffe, Flugzeuge und die Hansestadt Bremen gehören zu den typischen Motiven des Malers Franz Radziwill. Eine Ausstellung in der Kunsthalle Bremen widmet sich seiner frühen künstlerischen Entwicklung. Sie thematisiert auch seine Rolle im Faschismus und wie er seine Bilder manipulierte.
Die Idee zu dieser zweiteiligen Ausstellung hatte die Radziwill-Expertin Birgit Denizel. Seit zehn Jahren beschäftigt sie sich mit dem Maler und kuratiert Ausstellungen im Radziwill-Haus im Nordseebad Dangast, unweit Wilhelmshaven, wo der Künstler von 1923 bis zu seinem Tod lebte und arbeitete:
"Und dabei ist mir aufgefallen, dass es eben keine Ausstellung gab bisher, die sich explizit mit seinem künstlerischen Werdegang befasst. Das stand eigentlich immer noch aus. Dass man mal genau hinschaut, wo so der Ursprung seiner ganzen Künstlerkarriere liegt."
Den Anfang macht also das Frühwerk, das zwischen 1915 und 1922 entstand: Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder zeigen, wie sich der 1895 geborene Radziwill auf der Suche nach einer eigenen künstlerischen Form von expressionistischen Künstlern inspirieren ließ. Deren Gemälde entdeckte er in der Bremer Kunsthalle. So erinnern Landschaften mit Badenden an Ernst-Ludwig Kirchner. Seinen ersten Förderer, den Friseur Gustav Brocks, der ihm ein Atelier zur Verfügung stellte, malte er im Stile Chagalls.
Kuratorin Tessa Alex: "Das waren zum einen die Brücke-Künstler, die ihn stark beeinflusst haben, davor aber auch schon Cézanne. Und natürlich wird dann ein ganz wichtiger Einfluss Vincent van Gogh, deshalb haben wir in unserer Ausstellung auch das Mohnfeld hängen."
Der gelernte Maurer, der während seines Architekturstudiums die Malerei entdeckte, probierte aus, experimentierte. Aufgewachsen im Hafen und fasziniert von moderner Technik entwickelte er bald einige seiner typischen Themen: Schiffe und Flugzeuge.
Noch etwas anderes entwickelte er früh - und behielt es bis zu seiner Erblindung in den 1960er-Jahren bei: eine kulissenhafte, dramatische Lichtführung, die noch das gewöhnlichste Haus rätselhaft wirken ließ. Bereits 1920 malte er auf diese Weise eine Bremer Gasse unter schwarzem bzw. rotem Himmel.
"Es ist ja schon so, dass bei den Radziwill-Bildern eine etwas unheimliche Atmosphäre immer mitschwingt. Und das sieht man ja an diesen frühen Bildern auch schon, dass eigentlich die Lichtverhältnisse nicht mit dem dunklen Himmel zusammenpassen, und das ja schon so eine surreale Atmosphäre gibt."
Er verherrlichte die Kriegstechnik
Angeregt vor allem durch die Alten Meister, fand er Ende der 20er-Jahre zu seiner feinen, glatten, antimodernen Malweise, mit der er Technik und Kriegstechnik verherrlichte und bis zum Schluss die Welt mystifizierte und als undurchschaubar präsentierte. Entsprechende Bremen-Motive aus dieser Zeit hängen in den letzten beiden Sälen: Da ragt hinter grell-bunten Häusern ein gewaltiger Wasserturm in düster-blauen Himmel, durch den Hafen fährt ein gigantisches Passagierschiff, und nachdem er 1946 Bremen in Schutt und Asche gemalt hatte, zeigte er 1947 gewaltige Kriegsschiffe unter drohendem Himmel - Bremer Rüstungsproduktion.
Für Birgit Denizel die natürlichste Sache der Welt:
"Die zeigen seine Bindung an die Stadt Bremen. Also wenn er zum Beispiel so etwas malt wie große Schiffe oder Flugzeuge erzählt er damit gleichzeitig immer auch die Erfolgsgeschichte dieser technischen Errungenschaften, die in Bremen passiert sind. Also er ist da ja sehr stolzer Bremer."
Er sagt: 'Hier, das ist unser Hapag Lloyd. Oder Focke-Wulff ist ja auch eine große Erfolgsgeschichte.'"
Nutznießer des Faschismus veränderte später alte Bilder
Während kritische Künstler wie George Grosz, Karl Hofer, Lea und Hans Grundig seit Ende der 20er-Jahre vor Krieg und Faschismus warnten und viele 1933 ins Exil fliehen mussten, malte Radziwill in immer gleicher Machart abweisende Häuser, Grabsteine, Passagier- und Kriegsschiffe und darüber bedeutungsvoll schwarze oder blutrote Himmel mit rätselhaften Zeichen und Himmelskörpern, davor Flugzeuge und Bomber, die auch schon mal abstürzen. Das zieht sich bis in die 60er-Jahre. Irritierend dabei ist, dass Radziwill in Bilder, die zwischen 1922 und dem Krieg entstanden, diese Abstürze und düsteren Zeichen erst nach 1945 einfügte. Er tilgte damit seine alten Bilder, verkehrte Hymnen auf Krieg und Technik in vermeintlich kritische Arbeiten. Der Nutznießer des Faschismus, der viele kriegsverherrlichende Bilder für NS-Größen der Marine malte, gab sich so als Mahner aus.
Auch darin sieht die Radziwill-Expertin Birgit Denizel kein Problem:
"Teilweise ist es tatsächlich so, dass es durch die Übermalungen andere Deutung erfährt. Aber andererseits bringt er es eben zu dem aktuellen Zustand, den er dann in der Zeit, in der er es überarbeitet, dann vermitteln möchte. So wie wir es heute mit einem Update machen. Man könnte sagen, es ist ein gewisses Update seiner künstlerischen Botschaft."
Man kann aber auch sagen: Damit entzieht sich einer der Verantwortung für sein Werk und sein Tun. Da wechselt einer seine Haltung wie ein Hemd, passender: wie seine Weste - bis diese weiß ist.
So endet die Ausstellung, die nett und harmlos beginnt, wie sie enden muss, wenn man um Radziwills Rolle im Faschismus und die Manipulation seiner Bilder weiß: mit einem gewaltigen Druck im Magen.