Das Auto zwischen Kult und Kritik
Ob Andy Warhol, Gerhard Richter oder Erwin Wurm - immer wieder haben Künstler das Auto zum Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Eine Ausstellung in Emden zeigt jetzt einige Stationen dieser künstlerischen Auseinandersetzung.
Einen Bogen durch die Kunstgeschichte des Autos spannt die Ausstellung "Das Auto in der Kunst. Rasende Leidenschaft" - mit Werken von Andy Warhol, Gerhard Richter, Asta Gröting und vielen anderen.
"Das Thema Auto hat Künstler seit 100 Jahren beschäftigt", sagte Annette Vogel, Kuratorin der Ausstellung, im Deutschlandfunk Kultur. "Aber besonders aktiv wurden die Künstler, wenn es um Wendepunkte geht, wenn es um Kontroversen geht."
Von überschwänglicher Begeisterung zur Technikkritik
Das Auto war und ist Kult in der Kunst, das will man in der Kunsthalle Emden vor Augen führen. Es rollt durch die Kunstgeschichte bis heute – als ästhetisches Objekt, groteske Skulptur, soziales Symbol oder nostalgisch verklärt.
Während sich Anfang des 20. Jahrhunderts in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Auto vor allem überschwängliche Technikbegeisterung widerspiegelte, wurde es in der Pop-Art der 1960er als Analogie von Kunst und Gesellschaft eingesetzt.
Kritischer wurde die Auseinandersetzung seit den 1970er-Jahren. Damals man habe auch gesehen: "Es gibt Unfalltote, es gibt Smog und die Landschaft wird zerstört", so Vogel. "Damals haben die Künstler ganz schön draufgehauen, denken wir nur an Wolf Vostell, der dann Autos einbetoniert hat, die auf der Straße stehengelassen hat oder durch zahlreiche monumentale Denkmäler wie in Berlin, die einbetonierten Cadillacs, bekannt geworden ist."
250 Jahre Mobilität in einer Installation
Heute betrachteten Künstler das Auto hingegen "ein wenig subtiler", sagte die Kuratorin. Auch junge Künstler nehmen sich des Themas immer noch gern an: Gavin Turk packt etwa einen Auspufftopf in die Vitrine als zwiespältiges Zeichen automobiler Ästhetik. Asta Gröting hat den nachgeformten Unterboden von Goethes Reisekutsche, Adenauers Mercedes und ihres Smarts auf dem Museumsboden ausgebreitet – als plakativ ironisches Bild für Mobilität im Umbruch:
"Weil, dazwischen liegen 250 Jahre Mobilität und es ist spannend zu sehen, wie die sich entwickelt haben. Da haben wir einmal den Speichenradantrieb, dann haben wir das Opulente einer Staatskarosse und dann haben wir plötzlich diesen digitalen, kleinen Smart, der im Kunststoffguss hergestellt wird. Das ist natürlich wirklich also ein enormer Fortschritt."
(uko)
Die Ausstellung "Das Auto in der Kunst. Rasende Leidenschaft" ist vom 15. Juli bis zum 5. November 2017 in der Kunsthalle Emden zu sehen.
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Ein Auspuff als Objekt, ein Reifen, der für den Lauf der Welt steht, eine Frau an einer Tankstelle – rund ums Auto hat Annette Vogel eine Ausstellung für die Kunsthalle in Emden entwickelt, die heute für das Publikum öffnet. "Rasende Leidenschaft", so der Titel, "Das Auto in der Kunst". Und die wird unter anderem vertreten durch Gursky, Richter und Warhol.
Dabei stehen die Kurven eines roten Sportwagens neben weniger sexy Themen wie Diesel, Geld, Car to go und autonomes Fahren. Und nach genau dieser Ambivalenz und ihren Auswirkungen in der Kunst habe ich Annette Vogel gefragt!
Annette Vogel: Das Thema Auto hat Künstler seit 100 Jahren beschäftigt, aber besonders aktiv wurden die Künstler, wenn es um Wendepunkte geht, wenn es um Kontroversen geht. Das fängt an in den 70er-Jahren, wo das Auto jetzt nicht mehr nur hoch gelobt wurde, sondern eben auch gesehen wurde, es gibt Unfalltote, es gibt Smog und die Landschaft wird zerstört.
Und damals haben die Künstler ganz schön draufgehauen, denken wir nur an Wolf Vostell, der dann Autos einbetoniert hat, die auf der Straße stehengelassen hat oder durch zahlreiche monumentale Denkmäler wie in Berlin, die einbetonierten Cadillacs, bekannt geworden ist.
Auch Goethes Kutsche gehört dazu
Heute setzen sich die Künstler anders damit auseinander, ein wenig subtiler. Sie zeigen da und dort auf die Situation, wie sie ist, und dazu gehört eben auch ein Auspufftopf oder auch eine Zeichnung, auf der Rußpartikel zu sehen sind. Und es gehört auch dazu eine Installation von Asta Gröting, wo sie Goethes Kutsche, Adenauers Mercedes und ihren eigenen kleinen Smart ins Verhältnis setzt, weil, dazwischen liegen 250 Jahre Mobilität und es ist spannend zu sehen, wie die sich entwickelt haben. Da haben wir einmal den Speichenradantrieb, dann haben wir das Opulente einer Staatskarosse und dann haben wir plötzlich diesen digitalen, kleinen Smart, der im Kunststoffguss hergestellt wird. Das ist natürlich wirklich also ein enormer Fortschritt.
Welty: Wie nah kommen die Kunstwerke in Emden dem realen Auto? Oder wie weit sind sie davon entfernt?
Vogel: Also, ein reales Auto finden Sie hier nun gar nicht.
Welty: Okay!
Formensprache rund ums Auto
Vogel: Also, da darf man nicht enttäuscht sein, sondern es ist eher so in Einzelteile zerlegt. Aber genau deswegen ist es auch spannend, da verweise ich beispielsweise auf zwei Werke von Yngve Holen: Er zeigt dabei einfach nur die Rücklichter und das Frontlicht und nennt das Ganze "Hater Headlight and Hater Frontlight". Und es geht auch um diese Formensprache, die sich rund ums Auto entwickelt hat, und dieses Verhältnis zwischen dem Menschen und der Maschine, zwischen Mensch und Auto. Es ist ja eigentlich wirklich ein enges Liebesverhältnis über 100 Jahre hinweg…
Welty: Auch so etwas wie eine Hassliebe.
Vogel: Ja, und zwischendrin eine Hassliebe. Und das zeichnet die Kunst immer wieder aus, dass sie genau mit diesen Themen besonders gut umgehen kann, dass sie sozusagen beides in einem vereint. Also, deswegen auch die Leidenschaft, die eben manchmal auch zu unguten Verhältnissen führt.
Welty: Die Geschichte des modernen Automobils beginnt 1886 mit dem Benz-Patent-Motorwagen Nummer 1. Das ist jetzt etwas mehr als 130 Jahre her. Mein Eindruck ist bei dem, was Sie gerade beschreiben, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Auto umso kritischer wird, je länger es es gibt. Ist das so?
Vogel: Nein, da würde ich sagen, die kritischste Auseinandersetzung war tatsächlich in den 70er-Jahren. Da ging es um die Ölkrise, dann gab es den autofreien Sonntag und dann gab es wirklich diesen Einschnitt in den Straßen und mit den Straßenschildern, damals war alles neu.
"Wir gehen einer Mobilitätsevolution entgegen"
Aber wir stehen heute natürlich an einem Punkt, wo wir uns vorstellen müssen: Wir gehen einer Mobilitätsevolution entgegen, es wird sich einiges ändern müssen. Und wir reden viel übers autonome Fahren, aber haben wir uns auch schon daran gewöhnt, dass wir dann wirklich viel Kontrolle über die Maschine abgeben müssen? Oder auch, hat es nicht auch irgendwie Spaß gemacht, Kontrolle über eine Maschine zu haben und das Auto selber zu lenken und damit Geschichte, Erinnerungen, persönliche Erlebnisse zu verbinden? Oder auch dieses Gefühl, wir können mal kurz nach Italien fahren oder wir haben eine gewisse Freiheit durch diese individuelle Mobilität.
Und natürlich ist es alles begleitet auch mit einer negativen Seite. Und hier setzen die Künstler ein und loten das aus und halten uns beides als Spiegel vor die Augen und das ist wichtig. Also, dass man nicht immer nur dagegenschlägt oder nur dafür, sondern dass man diese mehrperspektivische Ansicht auf die vorliegenden Tatsachen hat: Wir fahren noch Auto, aber wir reden davon, dass es unmöglich ist, dass wir unsere Umwelt damit verpesten. Aber gleichzeitig steigen immer noch die Absatzzahlen. Und diesen Widerspruch, den hat jeder Mensch in sich. Und da müssen die Menschen, diese Autofahrer auch mal auf sich selber schauen.
Autofahren als "eine Art synästhetisches Erlebnis"
Welty: Wenn Sie das autonome Fahren ansprechen, oder auch Car to go ist ein solches Stichwort, wir kann denn eine künstlerische Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen aussehen? Das kommt mir ein bisschen sperrig vor.
Vogel: Es ist nicht sperrig, sondern Car to go ist jetzt tatsächlich nicht das Thema, dessen sich die Künstler annehmen. Sondern sie zeigen uns eher noch mal, wie die Karosserie aussieht. Und das Auto ist eine Projektionsfläche für Gefühle letztlich, oder das Fahrgefühl. Julian Opie zum Beispiel in einer Art schablonenhaften Darstellung zeigt dann noch mal, wie das ist, wenn man mit dem Autoradio durch die Landschaft fährt, durch die sommerliche. Das hat was und das kennt auch noch jeder von uns. Das ist ein Gefühl, das ist so eine Art synästhetisches Erlebnis. Also, man hört, man riecht, man spürt und das Ganze geht auch noch schnell. Und Sie können jetzt den Menschen nicht einfach sagen, Geschwindigkeit ist kein schönes Gefühl. Doch, war es. Aber es hat eben auch die Schattenseiten.
Welty: "Rasende Leidenschaft", die Ausstellung in Emden in der Kunsthalle hat Annette Vogel kuratiert. Heute geht es los in Emden und die Ausstellung läuft noch bis zum 4. November.
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