Politischer Populismus im Schnelldurchlauf
Rund neun Millionen Syrer sind auf der Flucht und ein Ende der Fluchtbewegung ist längst nicht abzusehen. Vor diesem Hintergrund widmet sich nun eine Ausstellung in der Kunsthalle Wien dem "politischen Populismus". Die Schau löst zwar nicht ein, was der Titel verspricht, ist aber dennoch sehenswert.
Ein junger Mann mit dicker Goldkette und hasserfüllten Augen erzählt von seiner Zeit in einem Auffanglager für Asylbewerber in Rotterdam. Hinter seinem aggressiven Auftreten verbirgt sich die Angst, in sein Heimatland Sierra Leone abgeschoben zu werden. Der niederländische Künstler Erik van Lieshout führt in seiner Installation "Dog" die konkreten Auswirkungen der europäischen Flüchtlingspolitik vor. Eric van Lieshouts Zwei-Kanal-Videoinstallation bezieht sich auf einen konkreten Vorfall aus dem Jahre 2013, kann aber auch als Kommentar zum aktuellen Geschehen gelesen werden. Van Lieshout hat mit seinen Pseudo-Reportagen eine neue Stoßrichtung des dokumentarischen Arbeitens begründet. Wenn der Künstler in fremde Welten eintaucht und die Kamera draufhält, bleibt er selbst immer präsent, vieles ist gestellt, manches sogar erfunden. Erik van Lieshout will seine Arbeit als gesellschaftspolitische Intervention verstanden wissen. Er glaubt, dass die aktuelle Flüchtlingskrise den niederländischen Rechtspopulisten rund um Geert Wilders weiteren Auftrieb gegeben hat.
Populistische Verkürzung als Programm?
Die Schau "Politischer Populismus" verliert sich thematisch im Uferlosen. Kaum ein Thema, das nicht kurz angerissen wird: Migration, Überwachung, Spionage, die Macht der Konzerne. Man vermisst an der einen oder anderen Stelle die notwenige analytische Tiefenschärfe. Stattdessen wird man mit Schlagwörtern abgespeist. Kurator Nicolaus Schafhausen macht die Technik der populistischen Verkürzung zum Programm. Schon das Plakat zur Schau erinnert an eine zeitgeistige Neuinterpretation des Agitprop. Wer sich ästhetische Gegenstrategien zur Instrumentalisierung der Angst durch selbsternannte Volkstribunen erwartet, wird jedenfalls enttäuscht. Ein Etikettenschwindel?
"Mich persönlich haben immer die Parameter interessiert, die die Kunst- und Kulturproduktion bestimmen. In der Ausstellung gehen wir von der Frage aus, welche Rolle Kunst in demokratischen Gesellschaften spielt", meint Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen. "Nun hat sich das Bild und das Konzept von Demokratie in den letzten Jahrzehnten maßgeblich verändert, nicht zuletzt wegen des Diskurses der heute in Parlamenten, in der Öffentlichkeit über unser Leben geführt wird. Populismus ist, das ist ja eigentlich das Absurde, eigentlich nur in demokratischen Gesellschaften möglich."
Kunst und Diskurs
Diskursprogramme gehören zur fixen Zutat von Nicolaus Schafhausens Ausstellungen. Der junge neuseeländische Künstler Simon Denny sprach im Rahmen der Eröffnung über die Ästhetik der NSA, der Flüchtlingsbetreuer Christoph Neubacher-Kefer gab Einblicke in seine Arbeit mit minderjährigen Asylbewerbern und Asylbewerberinnen. Ein Programm, das überzeugte. Die große Stärke der Ausstellung "Politischer Populismus" liegt aber sicher in der Qualität der gezeigten Arbeiten. Die Ausstellung vereint Künstler und Künstlerinnen, die aktuell am internationalen Kunstparkett als vielversprechenden Newcomer gehandelt werden und sich auf verschiedenen Biennalen erste Sporen verdient haben: Darunter Simon Denny, die Kosovarin Flaka Haliti und Hito Steyerl, deren Videoarbeit "Factory of the Sun" in diesem Jahr im Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig zu sehen ist und nun zeitgleich in der Kunsthalle Wien gezeigt wird. Und auch er hat im internationalen Ausstellungskarussell Fuß gefasst: Der US-Amerikaner Trevor Paglen, Autor, Aktivist und Fotograf.
Unsichtbare Orte der Macht
Paglens Videobilder sehen aus wie extraterrestrische Burgen, oder gestrandete Raumschiffe. Paglen rückt die unsichtbaren Orte der Macht ins Bild: versteckte Überwachungsstationen internationaler Geheimdienste, Militärstützpunkte, Spionagesatelliten. Diese unsichtbare Netzwerke, die unsere Welt vermessen, hat Paglen oft im gleißenden Licht der Mittagshitze aufgenommen, was den Videobildern eine fast impressionistisch wirkende Unschärfe verleiht. Streckenweise fühlt man sich sogar an romantische Landschaftsgemälde von Caspar David Friedrich erinnert. Ein ästhetisierender Blick auf die verborgenen Orte der Macht.
"Ich schaue mir Orte an, die das Militär geheim halten möchte", meint Trevor Paglen. "Man möchte nicht, dass von diesen Orten Bilder gemacht werden. Aber wenn ich meine Aufnahmen mache, übertrete ich nie ein Gesetz. Solange man sich im öffentlichen Raum aufhält, darf man alles fotografieren, was man sieht. Auch militärisches Sperrgebiet. Manchmal werde ich von der Polizei gefragt, was ich mache und ich wurde auch bereits gebeten, Aufnahmen zu löschen. Aber ich habe noch nie einen Film ausgehändigt, oder etwas gelöscht." Trevor Paglen ist selbst auf einem Militärstützpunkt aufgewachsen ist. Die Aufnahmen, die in seiner Videoinstallation "89 Landscpaes" zu sehen sind, hat der Künstler ursprünglich für Laura Poitras oscargekrönten Dokumentarfilm "Citizenfour" gedreht, der die Geschichte des Whistleblowers Edward Snowden erzählt.
Bieten Whistleblower dem Populismus die Stirn?
"Ich bin mit Laura Poitras seit langem befreundet", erzählt Trevor Paglen. "Als sich das Projekt mit Edward Snowden aufgetan hat, hat mich Laura um Rat gebeten. Sie wollte, dass ich ihr dabei helfe, Bilder zu beizusteuern, die die Welt der internationalen Nachrichtendienste sichtbar machen. Sie hat mir viel Freiheit gelassen. Und wir haben vereinbart, dass ich jenes Material, das nicht Eingang in den Film gefunden hat, für meine eigenen Projekte verwenden kann."
Zeigen Whistleblower als modernen Helden unserer Zeit, Strategien auf, die dem Populismus die Stirn bieten? Weil Sie geheimes Wissen allgemein zugänglich machen? Weil sie mit ihren Enthüllungen ein Stück Aufklärung leisten? Der Brückenschlag vom Thema Überwachung zum verordneten Generalthema "politischer Populismus" bleibt in der Ausstellung vage. Die Schau löst zwar nicht ein, was der Titel verspricht, ist aufgrund des gelungenen Ausstellungsdisplays und vor allem aufgrund gelungener künstlerischer Beiträge aber dennoch sehenswert.