Kunstmarkt

"Einmal Kunst für 1000 Euro, bitte!"

Kunstinteressierte Frauen gehen am 09.04.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) über die Kunstmesse Art Cologne.
Kunstinteressierte Frauen gehen am 09.04.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) über die Kunstmesse Art Cologne © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Thorsten Jantschek |
Schon vor der offiziellen Eröffnung können sehr wichtige und sehr zahlungskräftige Menschen sich auf der Art Cologne nach Neuentdeckungen umschauen. Als nicht so Kaufkräftiger mischte sich Thorsten Jantschek unter die Meute der Jäger und Sammler.
Daniel Hug: "Ah, wow..."
Daniel Hug, der Direktor der Art Cologne findet es sportlich, hier etwas für 1000 Euro zu finden.
"Die Auswahl der Galerien wurde streng juriert, wir haben 800 Bewerbungen gehabt für 221 Stände, da kann man nichts Falsches kaufen. Ein Tipp wäre: Die Galerie Staeck hat wunderschöne Editionen von Künstlern wie Sigmar Polke oder Joseph Beuys, da finden Sie bestimmt was für 1000."
Aber noch während ich nach der Edition Staeck suche, den Blick wandern lasse über die millionenschweren Werke der Superstars des Kunstmarkts, stoße ich am Stand der Galerie Taguchi Fine Arts aus Tokio auf eine dunkel grau schimmernde Tafel, streng geometrisch geordnet. Nur das Licht scheint diese plane Fläche, in der man sich selbst schemenhaft sieht, in horizontale Balken aufzuteilen. Und das alles nur mit Bleistift gezeichnet vom Hamburger Künstler Frank Gerritz, von dem ich schon Museumsausstellungen gesehen habe:
"Die Bleistiftzeichnungen sind vielschichtige, horizontal und vertikal aufgetragene Flächen, die die Eigenschaft haben, wie unterschiedliche Farben einen Raum zu erzeugen, ich habe aber nur die Richtung der Schraffur gewechselt."
Der Blick auf das Preisschild zerstört jede Illusion: 40.000 Euro. Frank Gerritz wird von etlichen Galerien international vertreten und ist schlicht eine Nummer zu groß für mich.
"Junge Sammler sollten junge Kunst kaufen, und nicht auf etwas setzen, was schon seit 25 Jahren im Markt ist."
Kunstgewerbe hart an der Grenze zum Flohmarkt
Vielleicht finde ich die ja auf der Nachbarmesse der Art Cologne, der "Kölner Liste", die explizit mit erschwinglicher Kunst wirbt. Was sich hier allerdings in den dichtgedrängten rund 40 Messe-Kojen findet, ist desaströs: Kunstgewerbe hart an der Grenze zum Flohmarkt. An einer Wand schimmert in pink glitzernden Lettern ein Schriftzug: "Shop the pain away!" Aber der Schmerz ist hier so gewaltig, dass er nicht weggeshopt werden kann. Schnell zurück zur Art Cologne.
Stefan Berg: "Also Köln mit 1000 Euro wird schon schwierig ..."
Stefan Berg, Direktor des Kunstmuseums Bonn, macht mir nicht gerade Mut.
"Ich würde mir auf jeden Fall erst einmal die Förderkojen ansehen, das mache ich übrigens gerade auch, weil das die Positionen sind, die ganz frisch gezeigt werden, Ich meine, Messe ist natürlich ein Markt, wir sind ja hier gerade am Stand der Galerie Eigen und Art, 'ne junge Künstlerin wie Christina Schuldt, die ist Jahrgang 82, 'ne größere Arbeit von ihr – und sie ist unbekannt – kostet 18.000."
Kauft ein Museumsdirektor auf einer Messe?
"Eigentlich gehe ich nie auf eine Messe, um Impulskäufe zu machen, sondern man schaut sich bestimmte Positionen, die man länger im Blick hatte, noch etwas genauer an, kaufe dann in der Regel nicht auf der Messe. Sondern diese Gespräche mit Galerien und Künstlern passieren in der Regel dann auch außerhalb der Messe."
Gezielt streife ich durch die Förderkojen, die hier "New Positions" heißen. Ich treffe den Hamburger Sammler Harald Falckenberg, der eine der wichtigsten Sammlungen für Gegenwartskunst in Deutschland hat:
"Wie man richtig sammelt, das möchte ich auch gerne wissen. In erster Linie muss man sich genau umschauen, Erfahrungen sammeln. Man sollte auf jeden Fall auf andere Leute hören, aber ihnen nicht folgen, dann alleine die Entscheidung treffen. Kunst ist immer eine Verhandlungssache zwischen vielen Leuten und wird von vielen Leuten entschieden und nicht von einem einzelnen."
Zwischen rheinischen Zahnärzten und amerikanischen Investmentbankern
Und während schon die Champagnerkübel durch Deutschlands wichtigste Kunstparty geschoben werden, sich eine illustre Mischung aus Promis, rheinischen Zahnärzten und amerikanischen Investmentbankern durch die Flure schiebt, entdecke ich bei der Berliner Galerie Zink Zeichnungen einer Künstlerin, von der ich noch nie gehört habe: Hannelore van Dijck, dunkle, schemenhafte, reduzierte Andeutungen von Realität. Hier eine Mauer, dort eine Bretterwand oder nur Lichtspuren in einer schwarzen Fläche. Hier wird es ernst, hier paart sich das Habenwollen hoffentlich mit dem Kontostand, ich spreche den Galeristen Michael Zink an:
"Hannelore van Dijck ist interessiert am Licht, sie sit interessiert an den Reflexionen, die zum Beispiel an einer großen Ziegelmauer eben passieren, und sie versucht eben, dieses flüchtige Moment in der Zeichnung einzufangen. Die kleinen Arbeiten beginnen bei 1200 und die großen Arbeiten sind bei 2400, also das ist im Vergleich vielem, was es hier gibt, noch 'ne sehr günstige Position."
Das stimmt. Komisch, dass hier alle Galeristen immer nur die nackte Zahl sagen, ohne das Wort "Euro" auszusprechen, so als gelte es, den Betrag vom Wert zu entkoppeln, man vergisst fast, dass "1200" ein Haufen Geld ist.
Aber soll ich das wirklich tun? 1200 Euro für Kunst, die ich hier zum ersten Mal sehe und von ihr zugegebenermaßen sehr beeindruckt bin – oder doch nur erschöpft? Kann ich meinem Blick in dieser grandiosen Überfülle trauen?
Nein, ich brauche Zeit, Zeit, die ich hier im Messetrubel nicht habe. Ich will erst mehr diese 28-jährige Künstlerin wissen. Nächste Woche werde ich wohl in die Galerie gehen und mir in Ruhe Arbeiten zeigen lassen. Und dann? Mal sehen.
Gekauft habe ich aber dennoch etwas, in jener Edition Staeck, die Messedirektor Daniel Hug mir empfohlen hatte. Keinen Polke. Keinen Beuys. Klaus Staeck –Präsident der Berliner Akademie der Künste und eine Institution im deutschen Kunstmarkt, findet: Gute Kunst muss nicht teuer sein.
Staeck: "Mein Prinzip der Edition war immer: Qualität frühzeitig zu einem niedrigen Preis anzubieten. Das galt für Beuys, das galt für Palermo, das galt für Broothaers, wie sie alle heißen. Man muss immer genau hinschauen, zum Beispiel von Kirstin Klöckner da gibt es einen Komplimentspiegel für 39 Euro, da kann sich jeder ein Kompliment machen, das Wort Kompliment auf einen Spiegel geritzt, das ist ein Objekt, was es ganz preiswert gibt, es lohnt sich immer hinzuschauen."
Ok, zu einem echten Impulskunstkauf habe ich mich nicht hinreißen lassen, aber wenigstens kann ich morgen noch in den Spiegel schauen.
Staeck: "Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Entscheidung!"