Mit einer Stimme sprechen
Gemeinsam stärker als allein: Rund 35 Kunstmuseen in Nordrhein-Westfalen wollen künftig mit einer Stimme gegenüber der Politik auftreten. Sie haben sich nach einem Treffen der Direktoren formlos zusammengeschlossen.
Versteckt haben sie sich nie. Auch in der Vergangenheit waren sie schon zu hören. Gegen den Verkauf der Warhol Bilder aus Besitz des ehemaligen Spielcasinos Aachen oder gegen die angedachte Schließung des Museums Morsbroich in Leverkusen erhoben sie ihre Stimme.
Die nordrheinwestfälischen Kunstmuseen wollen ihre Probleme nicht mehr defensiv, sondern offensiv vertreten. Stephan Berg, Direktor des Kunstmuseums Bonn, zu den Absichten des neuen Bundes:
"Dann war in der Vergangenheit es immer nur so, dass die Museen sich zusammengeschlossen haben, wenn irgendwo der Baum brennt. Also nicht nur die Notgemeinschaft, die sich wehrt gegen bestimmte Defizite, Kürzungen, Katastrophen, sondern auch eine souveräne Allianz, die eigentlich mal deutlich macht, wofür steht Museum heute, wofür soll es in der Zukunft stehen. Was sind unsere Themen? Nicht nur, was sind unsere Probleme."
Schlanke Struktur ohne große Kosten
Berg ist Sprecher eines Gremiums von etwa 35 Museumsdirektoren in NRW. Bewusst geht es ihnen nicht um einzelne Interessen von Museen an Rhein oder Ruhr, in Westfalen oder Lippe. Das ganze Land wird in den Blick genommen. Auf den Einwand, es gebe keine Vermittlungsstruktur, keine Geschäftsstelle, kein Verbindungsbüro, antwortet Berg, das sei bewusst so, um eine schlanke Struktur ohne große Kosten zu haben:
"Das ist nach wie vor ein loser, nicht berufsständischer, nicht institutionalisierter Zusammenschluss."
Auch Söke Dinkla, Direktorin des Duisburger Wilhelm Lehmbruck Museums für internationale Plastik und Objektkunst hält die Idee für sinnvoll:
"Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir Kunstmuseen gemeinsam auftreten und dass wir auch eine Öffentlichkeit für unsere gemeinsamen Interessen herstellen, denn gemeinsam kann es uns besser gelingen, unsere Stärken zu zeigen."
Gemeinsam gegen den Rotstift
Nun sind die Träger der Museen in NRW fast ausschließlich die Kommunen. Davon führen viele sogenannte Nothaushalte. Ihnen sind die Hände gebunden. Und der Rotstift trifft oft und zuerst die Kultur. Hinzu kommt ein verändertes kulturpolitisches Klima in den Kommunen. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Theatern und Museen hat gelitten. Adressat der neuen Initiative ist daher das Land. Ähnlich dem "Theaterpakt" wird künftig ein "Museumspakt" angestrebt.
Stephan Berg erklärt, dass alle Kunstmuseen ähnliche Themen und Probleme hätten, nämlich geringe Ankaufsetats, die Frage, ob die Entwicklung des Museums noch an die Sammlung geknüpft bleibt und wie sich Wechselausstellung und Sammlung künftig zueinander verhalten. Auf veränderte Besucherstrukturen müssten auch alle reagieren:
"Wird ein Publikum der Zukunft, diese Physis, dieses materielle Anwesend-Sein von Objekten und Kunstwerken noch schätzen? Meine Haltung ist: Ja! Ich glaube sogar es werden mehr schätzen. Natürlich wird die virtuelle Erfahrung zunehmen, aber … Ich glaube, dass genau daraus der Hunger nach Realerfahrung noch mal stärker wird."
Die gelegentlichen Zusammenkünfte einiger NRW-Museumsdirektoren im Wuppertaler von der Heydt Museum waren bislang lockere Kollegenrunden. Das soll verstetigt werden. Der Kern des neuen Zusammenschlusses ist ein kulturpolitischer. Im direkten Gespräch mit Isabell Pfeiffer-Poensgen, der Kulturministerin des Landes, soll schon sehr bald eine konkrete Agenda vorgestellt werden: ein Strategiepapier.
NRW-Regierung zeigt sich aufgeschlossen
Stephan Berg und seinen Mitstreitern geht es um handfeste Fragen nach Staatshaftung für Museen etwa, um Digitalisierung, Publikumsstruktur, Entwicklung der Sammlungen etc. Ende Januar wird das beraten. Vier Wochen später ist ein Treffen mit der Ministerin vereinbart. Das Land zeigt sich unter neuer Führung dafür aufgeschlossen.
Auch Söke Dinkla vom Duisburger Lehmbruck Museum sieht die Stärke des Zusammenschlusses in seiner kulturpolitischen Stoßrichtung:
"Im Grunde geht es auch darum, den öffentlichen Auftrag der Museen zu stärken, und dass das, was wir in den Museen tun, elementarer Teil der kulturellen Bildung ist. Und nicht wie wir es manchmal auch aktuell erleben, eine je nach Finanzlage weg zu sparende Leistung."
Bei der Frage, welche Bestände die Museen überhaupt öffentlich machen können, welche sie digital anbieten können, steht ihnen beispielsweise die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst als Vertreterin der Bildrechte im Weg. Mit dieser Einrichtung einen Rahmenvertrag zu schließen, damit die Museen beweglicher sind, wäre beispielsweise eine Aufgabe für die Politik. Es gehe also nicht nur um Geld, sagt Stephan Berg. Ihm geht es um mehr. Nämlich:
"Auch das gesellschaftliche Potenzial, das innerhalb einer Museumsarbeit, und innerhalb einer Museumsagenda liegt, auch wirklich deutlich zu machen."
Wenn das gelingt, könnte das auch für andere Bundesländer wegweisend sein.