Mehr Informationen und visuelle Eindrücke zum Kunstprojekt "Dau" auf der Webseite des Projekts
Wohliges Gruseln mit garantierter Freilassungsoption
Der russische Regisseur Ilya Khrzhanovsky möchte in Berlin-Mitte das Leben in einer Diktatur nachempfinden lassen. Unsere Kulturredakteurin Susanne Burkhardt findet das Mauer-Projekt überflüssig.
Gerüchte gibt es bereits seit Längerem, jetzt ist es offiziell: Jemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten - der russische Regisseur Ilya Khrzhanovsky möchte einen beträchtlichen Teil der Innenstadt von Berlin-Mitte einmauern. Er will sein Mauer- und Kunstprojekt "DAU Freiheit" vom 12. Oktober bis 9. November auf einem Areal rund um das Kronprinzenpalais errichten. Es soll auch Staatsoper, Bauakademie und Schinkelplatz umfassen. Mit dem Experiment soll das Leben in einer Diktatur nachempfunden werden.
Es sollen dort aber auch verschiedene Künstler auftauchen, berichtete Kulturredakteurin Susanne Burkhardt nach einer Pressekonferenz der Veranstalter vom Dienstagvormittag. Das Performerin Marina Abramovic und Filmemacher Tom Tykwer ("Lola rennt") dabei sein sollen, sei schon bekannt gewesen, sagte Burkhardt im Deutschlandfunk Kultur. Aber auch Banksy solle auftauchen. "Das ist alles noch ganz geheim."
Visum beantragen und Smartphone abgeben
Das eigentliche Projekt habe allerdings bereits stattgefunden: Khrzhanovsky baute von 2009 bis 2011 im ukrainischen Charkiw ein Filmset auf und versuchte dort, das Leben von Lev Landau nachzustellen. Der russische Physik-Nobelpreisträger, Utopist und Sex-Guru lebte von 1908 bis 1968. An dem Experiment waren 400 Menschen beteiligt - Wissenschaftlern und Laien. "Drei Jahre haben sie in einer Art real existierendem Sowjetlabor gelebt", so Burkhardt. Ergebnis: 700 Stunden Filmmaterial, aus dem 13 Spielfilme und eine Menge an Serien geschnitten worden sein sollen.
Dieses Material soll nun innerhalb dieser Mauer in Berlin gezeigt werden. Außerdem soll man dort auf eine Art individuelle Reise gehen. Die Veranstalter haben angekündigt, man müsse ein Visum beantragen und sein Smartphone abgeben. Dann bekomme man "ein Device, das einen durch dieses Multimediaprojekt führt", sagt Burkhardt.
Interessante Künstler - überflüssige Mauer
Finanziert werden soll das mit 6,6 Millionen Euro veranschlagte Projekt von der in London ansässigen gemeinnnützigen Stiftung Phenomen. Gegründet wurde sie vom Multimilliardär Sergej Adonjev aus St. Petersburg. "Die Berliner Festspiele sind Schirmherr und verstehen sich als eine Art Gastgeber", berichtet Burkhardt.
Das Geld ist offenbar zusammen - die Genehmigungen vom Berliner Bezirk Mitte für ihr Projekt haben die Veranstalter allerdings noch nicht.
Neu sei das Konzept allerdings nicht, kritisiert Susanne Burkhardt. "Bei dem Performance-Kollektiv Signa gab es ebenfalls bereits einen totalitären Staat, in dem man einreisen musste." Und eine Führung mit Device hätten bereits Rimini Protokoll gemacht. Interessant seien die Künstler wie Marina Abramovic, Romeo Castellucci, Carsten Höller und Teodor Currentzis. Die Mauer drum rum ist für Burkhardt zweifelhaft. "Das ist aus meiner Sicht eher so ein Stadtmarketing-Ding, wo man dann sagt: Oh, wohliges Gruseln im totalitären Staat mit garantierter Freilassungsoption."