Aktien, die man an die Wand hängen kann
Prestige, gute Presse, Wertsteigerung: Wenn Mäzene Kunst fördern, tun sie das oft nicht ohne Eigennutz. Der Schraubenhändler Reinhold Würth macht daraus keinen Hehl. Sein Beispiel zeigt, wie ein paar Unternehmer die Kunstwelt massiv verändert haben.
Sie sind ein Segen und eine Plage, sie werden hofiert, geliebt und gefürchtet: Privatsammler und Mäzene. Ohne sie wäre die heutige Museumslandschaft eine Wüste oder ein Ort des Immergleichen. Sie sorgen dafür, dass sich Museen profilieren können, aber sie sie sorgen auch dafür, dass sie verstopft werden. Sie bieten der Öffentlichkeit ihre Kunstwerke an, möchten dafür aber am liebsten ein Museum gebaut bekommen, nebst Unterhaltskosten, oder zumindest ihre Sammlung an prominenten Orten platzieren. Was wäre Berlin ohne die Berggruens, Pietzschs, Marx und Marzonas oder die Flicks? Ein Ort mit weniger Glanz, weniger Vielfalt, weniger aktueller Kunstgeschichte.
Strahlen im Glanze der Kultur
Natürlich sind die Sammler-Mäzene eitel, möchten ihre Namen verewigen, möchten gerne hören, wie kümmerlich die Kunstlandschaft ohne sie ausgesehen hätte. Nicht jeder ist so unabhängig, so selbstbewusst und reich wie Reinhold Würth, der sich gleich seine eigenen Museen baut, mit eigenem Personal.
Doch auch er gibt zu, dass sein Kunst- und Kulturengagement nicht gänzlich uneigennützig ist. Da gibt es durchaus doppelten Nutzen: für die Region und für das eigene Unternehmen. Denn der Name Würth wird dadurch eifrig kommuniziert, strahlt im Glanze der Kultur. Kunstförderung wird zur Unternehmensphilosophie, zur "Avantgarde der Ökonomie", wie Reinhold Würth gerne sagt.
Und die Kunst gilt immer noch als eine Gegenwelt, aus der Prestigegewinn zu ziehen ist, die interessant macht und Türen öffnet. Auch der Unternehmer Berthold Albrecht, ein scheuer und zurückgezogen lebender Mensch, wollte daran seinen Anteil. Er suchte eine Person des Vertrauens, die für ihn Kunst und Oldtimer kaufen sollte.
Leider geriet er mit dem Kunstberater Helge Achenbach an den Falschen. Albrecht investierte in einen jovialen Betrüger.
Das Absahnen scheint untrennbar mit der Kunst verbunden. Und wenn man von der Refeudalisierung der Kunst spricht, so ist auch das damit gemeint: die Heimtücke der Höflinge. Nicht nur die Tatsache, dass reiche Individuen eine vergleichsweise große Macht über die Geschicke des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens ausüben.
Etablierte Kunsttempel lassen sich missbrauchen
Und wie sagte es Frau Babette Albrecht, die Gattin des Betrogenen, so schön: Kunst ist eine Aktie, die man an die Wand hängen kann. Das ist in zinslosen Zeiten nicht das Schlechteste.
Das Museum ist heute nicht länger der Ort der stillgestellten Zeit, sondern Schauplatz der Dynamik, des Wechsels, der raschen Veränderung. Das Komische ist nur, dass viele Sammler bei aller Selbstherrlichkeit ausgerechnet vom Museum die Wertmaßstäbe erhoffen, die ihrer Sammlung das Gütesiegel verleihen.
Das Vuitton-Privatmuseum, für das sich der Sammler und Milliardär Bernhard Arnault vom Stararchitekten Frank Gehry eine spektakuläre Hülle bauen ließ, führt grade vor, wie gut man dazu die etablierten Kunsttempel missbrauchen kann. Es lieh sich für seine Ausstellung "Les Clefs d'une passion", die erklären sollte, warum er bestimmte Dinge gesammelt hat, Meisterwerke vom New Yorker Museum Of Modern Art und vom Pariser Centre Pompidou. Die Kunstgeschichte eines Jahrhunderts, so die Aussage, hat mich inspiriert. Und jetzt wird sie von meiner Sammlung gekrönt.
Kunst geht nach Geld
Die Kunst und alle Figuren, die mit ihr zu tun haben, ob Mäzen, Sammler oder Abzocker, sind der perfekte Spiegel der Gesellschaft. Mundus vult decipi. Die Welt will betrogen, zumindest aber gut unterhalten werden. Da wird Ewigkeit gekauft mit dem Vergänglichsten überhaupt. Da wird Verlangsamung propagiert, während man gleichzeitig Gas gibt. Da träumt man von Beständigkeit, kulturellem Erbe und kollektivem Gedächtnis, während der fiebrige Markt bedient wird, der ständig frisches Futter liefert und Stars für fünf Minuten kreiert.
Und wenn Reinhold Würth freimütig eingesteht, dass er beim Kunsterwerb immer auch kaufmännisch denkt, also den Wertzuwachs im Auge behält, so ist damit an eine schlichte Wahrheit erinnert: Kunst geht nach Geld. Unter anderem deshalb wird sie ja von der Gesellschaft für so wertvoll gehalten.