Berner Museum nimmt Gurlitt-Erbe an
Nach sechs Monaten Bedenkzeit verkündete das Kunstmuseum Bern am Montag in Berlin, das Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt anzutreten. Es gibt allerdings eine neue Rechtsunsicherheit, da eine Cousine Gurlitts eigene Ansprüche auf das Erbe erhebt.
Es ist ein schwerwiegendes Erbe, das der Kunstsammler Cornelius Gurlitt in seinem Testament dem Kunstmuseum Bern vermacht hat. Von den mehr als 1500 wertvollen Kunstwerken, die dessen Vater Hildebrand Gurlitt in der NS-Zeit zusammengetragen hatte, steht etwa ein Drittel unter Raubkunst-Verdacht. Dennoch nimmt das Schweizer Ausstellungshaus die millionenschwere Sammlung an. Das bestätigte der Stiftungsratspräsident des Museums am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin, deren Ergebnisse unsere Kulturkorrespondentin Christiane Habermalz und der Kunstkritiker Carsten Probst im Deutschlandradio Kultur kommentierten.
Ein halbes Jahr Bedenkzeit hatte sich das Berner Kunstmuseum genommen, um diese Entscheidung zu fällen - und am Freitag hatte es noch einmal eine überraschende Wendung gegeben. Denn seitdem erhebt auch die Cousine Gurlitts, Uta Werner, Ansprüche auf die Sammlung. Der Anlass: Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte Gurlitt eine "leichtgradige Demenz" und eine "wahnhafte Störung", und stufte ihn also als "nicht testierfähig" ein, berichtete Christiane Habermalz bereits am Montagmorgen im Deutschlandradio Kultur. "Interessant ist in dem Fall, dass der Bruder von Uta Werner, Dietrich Gurlitt, seinerseits nicht glaubt, dass sein Onkel nicht paranoid gewesen sei und sich auch jetzt weiterhin dafür ausspricht, dass die Sammlung nach Bern gehen soll", so Habermalz weiter.
Deutsche Task-Force setzt Provenienzforschung fort
Der Stiftungsrat des Kunstmuseums hatte sich mit der Bundesregierung in Berlin sowie dem Freistaat Bayern darauf geeinigt, dass die bereits seit Monaten tätige deutsche Task-Force weiterhin die Provenienzforschung für alle gefundenen Gurlitt-Bilder übernimmt. "Die Aufklärung der Provenienzen der Sammlung, die wir als Mitarbeiter der Task-Force vorgenommen haben, die ist längst noch nicht abgeschlossen", sagte Provenienzforscher Uwe Hartmann im Mai kurz nach dem Tod von Cornelius Gurlitt im Deutschlandradio Kultur. Deutschland hatte sich zudem bereit erklärt, alle Rechtskosten zu tragen, sollte das Kunstmuseum Bern auf Herausgabe von Werken verklagt werden.
Die unproblematischen Bilder sowie diejenigen, die von den Nazis als "Entartete Kunst" verunglimpft und 1937/38 aus deutschen Museen entfernt wurden, sollen nun jedoch nach Bern gebracht werden. Letztere sind über 400 Werke, vorwiegend Grafiken, die zum größten Teil der klassische Moderne angehören. "Da sagt das Kunstmuseum Bern auch selbstbewusst, dass sind Bilder, die zum legitimen Erbe gehören", so Christiane Habermalz. Angekündigt wurde aber, dass diese Arbeiten regelmäßig als Leihgaben an die entsprechenden deutschen Museen ausgeliehen werden.
Raubkunst-Verdachtsfälle sollen öffentlich gezeigt werden
Die Raubkunst-Verdachtsfälle wiederum sollen online und in Ausstellungen gezeigt werden, um die Klärung ihrer Herkunft zu erleichtern. Drei Werke - von Liebermann, Spitzweg und Matisse -, die schon eindeutig als NS-Raubkunst identifiziert wurden, werden nun umgehend restituiert, versicherte Monika Grütters auf der Pressekonferenz.
Die Präsentation der Gurlitt-Werke aus dem übrigen Bestand des Kunstmuseums herauszuheben und didaktisch aufzubereiten, das wünschte sich Kritiker Christian Probst im Deutschlandradio Kultur, "weil so wie sich dieser Fall angebahnt und entwickelt hat, er eine historische Entdeckung in Deutschland war und signifikant für die gesamte Aufbereitung des privaten Kunstbereichs in Deutschland nach dem Krieg, also sozusagen der NS-Verbrechen im Kunstbereich."
cwu