Winterzauber aus der Düse
Das bis zum Jahreswechsel warme Wetter macht Skifahrern zu schaffen. Zuletzt musste der Biathlon-Weltcup in Oberhof mangels Schnee abgesagt werden. Eine Hoffnung für viele Wintersportler ist Kunstschnee. Wie wird der eigentlich hergestellt - und zu welchem Preis?
"Das sind so richtige Eiskristalle. Altschnee hat eine ähnliche Konsistenz. Wenn Kunstschnee gemacht wird, dann ist der extrem dicht. Und deswegen ist Kunstschnee bei den Seilbahnunternehmen sehr beliebt, weil er natürlich einen geringeren Aufwand beim Präparieren hat."
Axel Döring zerreibt eine Handvoll Schnee zwischen den Fingern. Der Vorsitzende des Bund Naturschutz-Kreisverbandes von Garmisch-Partenkirchen steht am Ende der berühmten Kandahar-Abfahrt, der Weltcup-Strecke, und mustert die Körner mit schmalen Lippen.
"Neuschnee, das ist Frau Holle und das hier hat mit Frau Holle nichts zu tun."
Der Schnee stammt aus dem blauen tonnenförmigen Gebläse neben der Piste. Eine Beschneiungsanlage. Solche stehen in regelmäßigen Abständen den Hang hoch, dazwischen ist es grün. Es ist noch zu warm. Erst ab Minus vier Grad können sie lospusten.
"In den Alpen werden derzeit rund 70.000 Hektar beschneit, die Wasserfläche des Bodensees sind 50.000 Hektar - das heißt eineinhalb Mal den Bodensee, das ist die Beschneiungsfläche. Allein in Bayern könnte man die Autobahn von München bis Karlsruhe mit Schnee belegen, das sind allein die 780 Hektar, die allein in Bayern beschneit werden."
Döring lässt keinen Zweifel daran, dass er den künstlichen Schnee nicht mag. "Der gekaufte Winter", ist der Titel einer Studie, die er mit einer weiteren Autorin für seinen Umweltverband verfasst hat. Etwas mehr als die Hälfte aller Pistenflächen im Alpenraum werden technisch beschneit, schätzen sie. Um die 280 Milliarden Liter Wasser würden für den Maschinenschnee pro Saison verbraucht. Alles nur, damit die Skifahrer möglichst lange Schneesicherheit haben. Das ist eine Herausforderung in Zeiten des Klimawandels.
Immer mehr Schneekanonen - das kostet
Axel Döring: "Wo ich früher nur nachts beschneit habe, wo ich mir früher nur ein paar Tage Zeit genommen habe, um zu beschneien, da schaut man, dass man heute ein ganzes Skigebiet in zwei oder drei Tagen beschneit. Das heißt: Immer mehr Schneekanonen, immer mehr Pumpen, immer mehr Wasser, innerhalb kürzester Zeit, ganz große Wasserdepots - und alles das kostet."
Matthias Stauch: "Man muss einfach einmal mit Vergleichen arbeiten: Dass die Energieverbräuche in einem Hallenbad ein vielfaches von dem sind, was ein Skifahrer letztendlich an einem Tag benötigt. Oder Flüge: Ein Fernflug bedingt ein Vielfaches an Energie letztendlich, von dem was wir hier für den Skifahrer verwenden."
Matthias Stauch ist Kaufmännischer Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn AG. Das Unternehmen hat 160 der umstrittenen Beschneiungsanlagen auf den nahen Hängen aufgestellt. Stauch hat seine Antworten auf die Kritik der Umweltschützer am künstlichen Schnee gefunden. Denn es geht auf jeden Fall auch schlechter. In manchen Alpenländern werden sogar chemische und organische Zusätze bei der Schneeproduktion zugemischt. Damit es bei höheren Temperaturen funktioniert und nicht so schnell schmilzt. Davon hält er nichts. Stauch spricht von bayerischem Bioschnee.
"Man muss mal ganz klar sagen, ohne technische Beschneiung würden wir heute keinen Meter Ski fahren. Noch vor vielen Jahren hat man das berühmte Grasbuckelskifahren gepflegt. Da war der Skifahrer noch nicht so anspruchsvoll. Mittlerweile erwartet er auch Babypopopiste. Das ist ein Riesenthema. Auf der einen Seite die Schneeproduktion und dann muss eben auch die Weiterverarbeitung stimmen."
Konkurrenz um die Skifahrer ist groß
Die Konkurrenz um die Skifahrer im Alpenraum ist groß. Denn: Es werden immer weniger. Kürzlich hat der österreichische Skiverband Alarm geschlagen wegen des Nachwuchsmangels. Aber das könnte dadurch bedingt sein, dass Skifahren inzwischen luxuriös teuer ist durch den ganzen Aufwand. Auch von den Gästen der Zugspitzbahn fährt im Winter fast die Hälfte ohne Ski zu den Bergstationen, sagt Stauch. Aber er will die Skifahrer bei Laune halten.
Matthias Stauch: "Der Skitourismus ist nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil des Ganzen. Aber eben nicht nur ausschließlich. Und wenn halt an Weihnachten der Ort letztendlich voll ist, dann ist das hier ein ganz großer Wirtschaftsfaktor. Die neuesten Untersuchungen ergeben ja, dass die Bergbahnen - ich gehe jetzt mal von der Gesamtwertschöpfung aus - das ist ein Faktor von 4,1. Das heißt, jeder Euro, den wir hier verdienen, hat nochmal einen 4,1 fachen Faktor hier im Umland. Wir beschäftigen 400 Mitarbeiter, wenn sie da mal drei Angehörige rechnen, dann sind da 1200 Leute wirtschaftlich abhängig."
Axel Döring: "Jetzt ist das hier nicht unbedingt der Brennpunkt an dem wir hier sind, aber man sieht schon, dass das ablaufende Wasser anfängt sich hier in der Rinne einzugraben und beginnt den Boden abzutragen."
Umweltaktivist Döring hat die Schneeinsel unter der Schneekanone verlassen und ist zwei Dutzend Meter den Berg hochgelaufen. Der Hang ist optimiert für den künstlichen Schnee. Keine Senken und Hügel, die das Verteilen des teuren weißen Produkts erschweren. Die Vegetation hat sich verändert. Die spezielle Alpenflora fühlt sich hier nicht besonders wohl, weiß Döring. Oben am Berg stehen die großen Rückhaltebecken mit den Kühlaggregaten, denn das Wasser für den Schnee darf nicht zu warm in die Düsen laufen. Ein Riesenaufwand für eine Winterindustrie, der die natürlichen Grundlagen immer mehr schwinden. Döring kann nicht glauben, dass es immer so weiter gehen soll.
"Und dass man das versucht, zurückzukaufen, dass man sich nicht daran gewöhnen kann, dass man auch in tiefer gelegenen Gebieten auf Skifahren verzichten muss, dass der schneegebundene Wintersport dem Ende entgegen geht in den mittleren und tiefen Lagen."