Wie viel Mikroplastik immer noch in Kosmetik steckt
Mikroplastik in Kosmetika: Nach der Selbstverpflichtung der Hersteller, kein Mikroplasik mehr in Peeling-Produkten einzusetzen, schien das Thema vom Tisch. Doch diese Kunststoffe finden sich noch in vielen anderen Kosmetika und in Putz- und Reinigungsmitteln.
Ein altes Gesichtspeeling, das Haarspray, die Körpermilch, der Nagellack – vieles, was ich mir näher ansehe und auf einer der Internetdatenbanken nachschlage, enthält Plastik oder Mikroplastik. Das Peeling sollte eigentlich keine Kunststoffe mehr enthalten, wenn ich es neu kaufe. Denn darauf haben sich die Kosmetikhersteller geeignet: Peeling-Effekte lassen sich auch mit natürlichen Substanzen erzielen. Was in der Diskussion allerdings ein bisschen untergegangen ist: Plastik wird auch für andere Effekte und Produkte eingesetzt, wie Leandra Hamann vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, kurz UMSICHT, erklärt.
"Kunststoffe übernehmen in Kosmetikartikeln und auch nicht nur da, wir haben uns ja auch Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel angeguckt, wichtige Funktionen. Wenn man zum Beispiel die Viskosität, also die Flüssigkeit quasi der Kosmetik einstellen will oder Filmbilden oder ganz wichtige Funktionen, die man von seinen Kosmetikprodukten zuhause verlangt, egal ob es Nagellack, Lippenstift, Haarspray oder Duschgel ist. Diese Funktionen werden häufig von Kunststoffen oder synthetischen Polymeren übernommen."
Das Problem dabei: Ein Großteil dieses Plastiks landet nach dem Duschen, Waschen oder Baden im Abwasser und letztlich auch in unserer Umwelt. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr etwa 1000 Tonnen Mikroplastik in Kosmetikprodukten verarbeitet, wie Leandra Hamann und ihre Kollegen im Auftrag des NABU ermittelt haben. Das entspricht in etwa dem Gewicht von 400.000 mit Plastik gefüllten gelben Säcken:
"Wenn z.B. Polyethylen eingesetzt wird oder hergestellt wird, dann kann man Daten einsehen, wo gesagt wird, wie viel davon für Kosmetik eingesetzt wird."
Mikroplastik landet im Abwasser
Allerdings wird in Kosmetika nicht nur Mikroplastik im klassischen Sinne eingesetzt. Denn als Mikroplastik zählen in den meisten Definitionen nur Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. In Kosmetika und Reinigungsmitteln sind aber nicht nur Kunststoffpartikel, sondern auch gelöste, wachs- oder gelartige Kunststoffe enthalten.
"Die Menge, die als gelöste gelartige oder flüssige Polymere eingesetzt werden, ist deutlich höher als das, was als Mikroplastik eingesetzt wird", sagt Leandra Hamann. "Da sind wir für Kosmetik und Wasch- und Reinigungsmittel jeweils ungefähr bei 23.000 Tonnen pro Jahr."
Zählt man Kosmetika und Reinigungsmittel sowie alle Kunststoffformen zusammen, kommt man also schon auf deutlich größere Mengen, die in etwa 19 Millionen gelben Säcken entsprechen. Im günstigsten Fall landen die Kunststoffe aus dem Nagellack oder der Creme am Ende mit einem Reinigungspad im Müll. Im ungünstigeren Fall werden sie abgewaschen und verschwinden gurgelnd im Abfluss. Und dann?
Dann taucht es wieder auf am Arbeitsplatz von Jens Eggers, Betriebsleiter der Kläranlage Flensburg.
Trotz Filter gelangt Mikroplastik in den Klärschlamm
Man merkt schon am Geruch, man kommt dem Ganzen näher...
"Also, aus meiner Sicht ist die Vorreinigung der einzige Bereich, der wirklich unangenehm ist", sagt Eggers. "Deswegen halten wir uns da auch nicht so lange auf."
Der Geruch ist faulig und intensiv – und auch für die Augen ist das Ganze nicht unbedingt ein schöner Anblick. Der Rechen, der aus vielen dicht nebeneinander liegenden Stäben besteht, filtert die größeren Stückchen heraus: eine beige-braune Masse, in der nicht nur Unmengen an feuchtem Toilettenpapier, sondern auch Zahnseide, Bonbonpapier und sehr viele Kondome ins Auge fallen.
"Hier kommt das Wasser, das verteilt sich hier auf zwei Straßen und läuft dann hier durch eine Rechenanlage."
Während der Rechen eher das grobe und leicht sichtbare Plastik herausfiltert, werden in weiteren Reinigungsstufen auch Mikroplastik-Partikel aussortiert. Das klappt trotz vieler Diskussionen um mögliche weitere Filter bereits jetzt schon recht gut – bis zu 99 Prozent können herausgefiltert werden.
Und dennoch gelangt ein ziemlich großer Teil des Mikroplastiks, den wir über unsere Abflüsse entsorgen, in der Umwelt. Der Grund dafür sind aber nicht mangelhafte Filter, sondern der Klärschlamm, der bei der Reinigung in der Kläranlage anfällt und in dem sich fast das gesamte Mikroplastik sammelt.
"Wir gehen mal hin und ich hol mal ne Schippe, dass wir uns das mal eben angucken können."
Jens Eggers holt mit einer Schaufel eine braune, krümelige Masse aus einem Container. Sie riecht besser, als der Name Klärschlamm vermuten ließe. Aromatisch.
"So sieht das dann aus. Das sind natürlich auch noch so Faserstoffe wie hier drin. Aber in dieser Struktur erkennen Sie jetzt Mikroplastik überhaupt nicht mehr. Es ist wahrscheinlich irgendwie innen drin, aber als solches nicht mehr zu erkennen."
Klärschlamm wird zu Dünger in der Landwirtschaft
Es ist nicht nur wahrscheinlich drin, sondern es ist sicher drin, wie Studien zeigen. Das Problem daran ist: In Deutschland wie in vielen anderen europäischen Ländern wird der Klärschlamm nicht immer verbrannt, sondern auch als Dünger auf die Felder ausgebracht. Es kann also gut sein, dass ich das Plastik aus meinem Haarspray nebenan auf dem Acker und schlimmstenfalls auf meinem Teller wiederfinde.
"Ungefähr die Hälfte dieser Schlämme wird in Europa als Dünger in der Landwirtschaft genutzt", sagt Luca Nizzetto vom Norwegian Institute for Water Research. Er hat einmal berechnet, wie groß die Menge ist, die durch die Klärschlamm-Ausbringung in die Umwelt gelangt: Es sind zwischen 60.000 und 400.000 Tonnen pro Jahr! Das entspricht in etwa der Menge des gesamten Mikroplastiks, das auf unseren Ozeanen schwimmt.
Für diese Zahlen sind aber natürlich bei weitem nicht nur die Kosmetika verantwortlich. Im Gegenteil. Wie eine Studie des Fraunhofer-Instituts UMSICHT zeigen konnte, sind Kosmetika eher eine kleine Quelle für Mikroplastik: Sehr viel mehr Plastik gelangt über Reifenabrieb, über den Biomüll oder auch durch Kunstrasenplätze in die Umwelt. Dennoch, so meint Leandra Hamann, müsse man jede Quelle ernst nehmen – und versuchen, die Plastikeinträge in die Umwelt zu reduzieren. Denn was Mikroplastik auf dem Acker für Regenwürmer, Vögel – und letztendlich auch für den Menschen für Folgen hat, dazu gibt es bislang nur sehr wenige Forschungsergebnisse.