Strichmännchen und Kampfhubschrauber
Mit Kunst gegen das Kriegstrauma: Der Kölner Künstler Hasan Deveci teilt sein Atelier regelmäßig mit syrischen Flüchtlingskindern - und lässt sie malen, was sie bewegt. Ein privates Hilfsprojekt, das einen tiefen Blick in verwundete Seelen freigibt.
Mohamed hat sich gleich mit Filzstiften an die Arbeit gemacht. Doch die anderen Kinder wollen malen wie echte Künstler. So wie Hasan Deveci, ihr Gastgeber. Der Maler hat ihnen Leinwände gegeben und sogar ein paar Staffeleien aufgebaut. Jetzt verteilt er Acrylfarbe.
Wie die Farben auf Deutsch heißen, haben die Flüchtlingskinder aus Syrien schon gelernt. Sie gehen in Köln wieder zur Schule.
"Schwarz noch", schlägt Akram, neun Jahre alt, vor. Geduldig drückt Hasan Deveci aus seinen großen Farbtuben immer neue, dicke Kleckse heraus. Pappteller dienen als Paletten. Eine Tube macht sonderbare Geräusche. Vor allem die Kleinen müssen da kichern.
Zwischen acht und 14 Jahre alt sind die Jungen und Mädchen, mit denen Hasan Deveci seit einem halben Jahr regelmäßig sein Atelier teilt. Heute sind es zwölf Kinder, die sich noch schnell alte Herrenhemden als Malerkittel überziehen und die letzten Vorbereitungen treffen.
Als sie zu malen beginnen, bestimmen Erinnerungen ihre Bilder.
"Der Helikopter schmeißt Bomben auf das Haus", sagt ein Mädchen.
"Ja, hier gibt es Krieg", sagt ein anderes. "Hier gibt es sehr viele schlimme Menschen."
Akram hat seine Leinwand mit einem dicken schwarzen Strich in zwei Hälften geteilt. Auch bei ihm schwebt über der einen Seite ein Kampfhubschrauber. Auf der anderen, der "schönen" Seite spielen Strichmännchen Fußball.
"Wo spielen die?"
"In Syrien. Und hier ist alles kaputt."
Akram ahmt mit der Hand kurz eine Waffe nach.
"Das ist leider normal. Die sind hier, aber mit den Gedanken sind die immer noch in der Heimat. Und deshalb kommen immer die Bomben und die Hubschrauber, das sind ganz typische Symbole von diesen Kindern in diesem Kunstprojekt. Wir versuchen nach jeder Woche, wenn wir Bilder gemalt haben, uns zusammenzusetzen und Bilder zu analysieren. Sie erwähnen diese Sachen nicht richtig eins zu eins, aber das sind oft diese Szene aus der Flucht, aus der Heimat, Kriegsszenen. Und habe ich dann auch die Möglichkeit kunsttherapeutisch mit den Kindern zu arbeiten."
Die Kinder träumen von einer Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland
Die Stimmung ist locker, familiär. Vielleicht liegt es ja daran, dass die Kinder und der Künstler ganz Ähnliches erlebt haben, sagt Hasan Deveci. Auch der Kurde musste aus seiner Heimat fliehen - so wie die Kinder aus Syrien.
"Vom Aussehen, von der Art und der Mentalität gibt es viele Ähnlichkeiten und von daher fühlen die Kinder sich auch wohl. Als ich mich vor drei Jahren mit dem Thema 'Krieg in Syrien' künstlerisch auseinandergesetzt habe, habe ich eine Reihe von großformatigen Bildern gemacht. Und am Schluss hatte ich mir überlegt: Das wäre noch sinnvoller, noch schöner, wenn ich Flüchtlingen ein Angebot machen kann."
Der 42-Jährige arbeitet auch als Kunstpädagoge und Kunsttherapeut. Doch die Flüchtlingskinder betreut er ehrenamtlich.
"Heute sind Träume unser Thema. Was für Träume ihr habt."
Die Kinder überlegen.
Junge: "Ich male, wie Syrien ist gut."
Anderer Junge: "Ich auch."
Deveci: "Frieden in Syrien zum Beispiel."
Mädchen: "Etwas Gutes in Deutschland haben. Dass wir den Passport so schnell nehmen."
Deveci: "Ah, dass ihr möglichst bald Aufenthalt bekommt."
Eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland, Frieden in Syrien - auch in ihren Träumen bleiben Akram und Zein, Fatima, Nour und die anderen Kriegsflüchtlinge.
Dass das Malen auf die Flüchtlingskinder eine befreiende Wirkung hat, ist an der Stimmung zu spüren. Die Kinder arbeiten konzentriert, aber es wird auch oft gelacht.
Und mit Begeisterung pinseln die Jungen und Mädchen schließlich auch ihre schönen Träume auf die Leinwand. Die kleinen Kunstwerke von Sarah, Zein und Fatima sind dabei durch Zufall zu einer Bildergeschichte geworden.
Sarah: "Das bin ich, eine Ärztin."
Zein: "Wir haben hier einen kleinen Raum, wo die Operation machen."
Hasan Deveci: "Wir haben hier ein kleinen Raum, in dem Operationen gemacht werden. Du hast am Anfang deinen Traum erzählt, dass du dir wieder Frieden wünschst in Syrien. Und dass ihr gesagt habt, wir möchten Ärzte werden, um den Menschen zu helfen. Und das ist jetzt auch als Geschichte passiert und das finde ich superklasse, wie ihr das gemacht habt. Ihr habt ein Applaus verdient."