Kunstturnerin Věra Čáslavská

Die Olympionikin, die Teil einer Revolution wurde

Die tschechische Turnerin und siebenfache Olympiasiegerin Vera Caslavska am Barren bei den tschechoslowakischen Meisterschaften in Litvinov am 16. Juni 1968
Die tschechische Turnerin und siebenfache Olympiasiegerin Vera Caslavska am Barren bei den tschechoslowakischen Meisterschaften in Litvinov am 16. Juni 1968 © picture alliance / dpa / CTK Photo / Jiri Krulis
Von Peter Lange  · 21.10.2018
Weil sie ihre Olympia-Medaillen Alexander Dubček, der Leitfigur des Prager Frühlings, widmete, fiel die Turnerin Věra Čáslavská in ihrer tschechoslowakischen Heimat in Ungnade - dabei hatte sie 1968 in Mexiko reüssiert wie kaum eine andere.
Als morgens der Tod von Věra Čáslavská gemeldet wurde, änderte das tschechische Fernsehen sofort sein Programm. Das allein sagt schon einiges über diese Frau, die hier so populär ist wie in Deutschland Steffi Graf, Heide Rosendahl oder Ulrike Meyfarth.
"Für mich ist das ein riesiger Verlust", sagt die Filmemacherin Olga Sommerová, die einen Film über die Sportlerin gedreht hat. "Sie war eine der wunderbarsten Frauen, die wir hatten. Und sie hat soviel für dieses Land getan."
Věra Čáslavská hat die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib erfahren. Drei Goldmedaillen bei den Spielen in Tokio und vier Jahre später in Mexiko City vier Mal Gold und zwei Mal Silber. Vladimir Drbohlav, damals Sportkommentator, erinnert sich:
"Věra war die Königin der Spiele von Mexiko. Was sie dort geleistet hat, vergisst man nicht. Sie gehört in die Reihe der besten Sportler der olympischen Geschichte."
Aber ihre Medaillen von Mexiko 1968 widmete sie Alexander Dubček, der Leitfigur Prager Frühlings, der wenige Wochen zuvor von der Sowjetunion niedergeschlagen worden war. Damit geriet sie vollends ins Visier des neuen Regimes. Denn sie gehörte zu den Unterzeichnern des "Manifests der 2000 Wörter" für eine Fortsetzung des Reformkurses. Věra Čáslavská verlor alle Privilegien und erhielt Berufsverbot. Eigentlich war sie diplomierte Trainerin, aber zeitweilig musste sie sich als Putzfrau durchschlagen.
"Es ist ein Schandfleck auf dem tschechischen Sport, dass die Kommunisten sie als beste Sportlerin der Welt aus dem tschechischen Sportverband ausgeschlossen haben", sagt der frühere Dissident Jan Urban. "Und bisher hat sich niemand dafür entschuldigt."

Eine private Tragödie traf sie schwer

1989 wurde Věra Čáslavská an der Seite von Václav Havel zu einer der Symbolfiguren der Samtenen Revolution. Später erinnerte sie sich in einem Interview:
"Nach meinen Erfahrungen mit den Kommunisten wollte ich nie wieder öffentlich auftreten. Als ich dann aber sah, wieviele Menschen sich auf dem Wenzelsplatz versammelt hatten, hat mich das sofort inspiriert. Ich schrieb ganz schnell eine Rede und rannte zum Wenzelsplatz."
An diese Rede erinnern sich die Prager bis heute. Als Havel Präsident wurde, wurde sie seine Beraterin und außerdem Präsidentin des tschechischen Olympischen Komitees.
Dann traf ihre Familie ein privates Verhängnis, das wieder alles veränderte. Ihr Ex-Mann geriet 1993 mit dem gemeinsamen Sohn aneinander und kam dabei zu Tode. Der Sohn wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und später begnadigt. Dieser Schlag traf Věra Čáslavská schwerer als alle politischen Schikanen und Demütigungen früher.
Als sie starb, sprach Ministerpräsident Bohuslav Sobotka sicher vielen Landsleuten aus der Seele, als er sagte:
"Věra Čáslavská hat viel für den tschechischen Sport getan und auch für den guten Namen der damaligen Tschechoslowakei im Ausland."
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