Genialer Künstler-Entdecker
Der ehemalige Leiter des Münchner Hauses der Kunst, Okwui Enwezor, ist im Alter von 55 Jahren gestorben. Er gründete 1993 ein Magazin gegen den euroamerikanischen Fokus der Kunst und wurde später Chef der documenta 11. In München war er durchaus umstritten.
Okwui Enwezor galt als genialer Kurator mit großartigen Ausstellungen. Er habe viele Künstler entdeckt, die danach ihren Durchbruch erlebten, bescheinigten ihm immer wieder Kulturjournalisten und Kunstexperten.
Von Oktober 2011 bis Juni 2018 war Enwezor Leiter des Hauses der Kunst in München und hatte damit erstmals die Möglichkeit, die Ausstellungen eines großen internationalen Hauses längerfristig zu entwickeln. Im Oktober 2016 wurde seine Anstellung um weitere fünf Jahre verlängert, zum 1. Juni 2018 legte er das Amt jedoch aus gesundheitlichen Gründen nieder. Jetzt ist der gebürtige Nigerianer an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben, teilte das Haus der Kunst mit.
Starke politische und soziale Akzente
Als Höhepunkt der kuratorischen Arbeit Enwezors gilt seine Zeit als künstlerischer Leiter der 56. Biennale von Venedig im Jahr 2015. Die Presse schrieb über die Ausstellung, Enwezor zeige "eine unangestrengte, souveräne Anthologie der globalen zeitgenössischen Kunst, mit einem starken Akzent auf politisch und sozial motivierten Positionen".
Enwezor, der 1963 im nigerianischen Calabar geboren wurde, studierte in New York zunächst Politikwissenschaften. Über sein Interesse für Lyrik kam er schließlich zur Kunst. Er war 1993 Mitbegründer des dreimal jährlich erscheinende Magazins "NKA: Journal of Contemporary African Art", dessen Beiträge ein Appell an den internationalen Kunstbetrieb waren, sich aus der Fixiertheit auf den euroamerikanischen Zusammenhang zu lösen.
Der Vorwurf: Missmanagement in München
Später wurde Enwezor künstlerischer Leiter zahlreicher Großausstellungen, beriet als Kurator Museen und war von 1998 bis 2002 schließlich Leiter der 11. documenta in Kassel.
Trotz seines unbestrittenen kuratorischen Talents war Okwui Enwezor gerade in seinem letzten Job am Haus der Kunst in München durchaus umstritten: Er habe Missmanagement betrieben und "extrem aus dem Vollen geschöpft", wurde kritisiert.
So habe etwa die Ausstellung "Post War" im Jahr 2016 letztlich dreimal so viel gekostet wie ursprünglich veranschlagt, sagte der Kulturjournalist Tobias Krone im Deutschlandfunk Kultur. Enwezor hatte keinen Finanzdirektor an seiner Seite - das sei dem Museum letztlich auf die Füße gefallen.
Interview mit dem Kunstkritiker Carsten Probst über Okwui Enwezor:
"Ich habe viel über ihn gelernt", sagt der Kunstkritiker Carsten Probst. Okwui Enwezor habe ihn in die indonesische Kunstszene eingeführt oder ihm den bedeutendsten Bildhauer Afrikas nahegebracht. "Das sind Horizonterweiterungen, die ich ganz persönlich erfahren habe", sagt Probst. Doch Enwezors Arbeit sei auch sehr gesellschaftlich-politisch gewesen. Enwezor habe nicht nur den Blick der Kunstszene auf Kunst stark verändert, sondern auch das Denken überhaupt. "Der Kolonialisierungsdiskurs wurde ganz wesentlich durch Enwezor mit angeschoben", meint Probst.
Hören Sie hier das Gespräch mit Carsten Probst in unserer Sendung "Kompressor":
(mkn, inh)