Geburtshelfer der Videokunst
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Wulf Herzogenrath hat als Kurator schon über 700 Ausstellungen betreut, doch „Magic Media – Media Magic“ ist auch für ihn eine besondere: Die Akademie der Künste zeigt Videokunst der vergangenen 50 Jahre aus seinem Archiv.
"Man öffnet sein Jackett", sagt der Kurator Wulf Herzogenrath, um zu erklären, warum er nach über 700 Ausstellungen bei der Eröffnung von "Magic Media – Media Magic" nun doch aufgeregt war. Immerhin gibt der Videokunst-Experte in der Akademie der Künste in Berlin einen sehr persönlichen Einblick in fünf Jahrzehnte seines Schaffens: "Man guckt tiefer als die Oberflächen."
Kein Sammler im herkömmlichen Sinn
Er sei kein Sammler, betont der 75-Jährige – jedenfalls nicht im landläufigen Sinne. Trotzdem hat sich in 50 Jahren Kuratorentätigkeit einiges angesammelt und bietet nun ein Panorama der Videokunst seit den 1960er Jahren. Werke von Künstlern wie Nam June Paik, John Cage, Rebecca Horn oder Sigmar Polke, teilweise persönliche Geschenke, sind dort ebenso zu sehen wie persönliche Skizzen, Dokumente und Wulf Herzogenraths legendäre Gästebücher. Alle Künstlerinnen und Künstler, mit denen der Kurator seit 1970 zusammengearbeitet hat, haben sich darin verewigt.
Der Fokus der Ausstellung liegt auf Arbeiten des US-amerikanischen Künstlers Nam June Paik, der als Begründer der Video- und Medienkunst gilt und mit dem Wulf Herzogenrath über Jahrzehnte eine enge Zusammenarbeit pflegte. Aber auch der Komponist und Allroundkünstler John Cage hat prägende Spuren im Berufsleben des Kurators hinterlassen, nicht nur künstlerisch: "Ich habe in meinem Leben kaum einen so entspannten, ruhigen, interessierten, offenen Künstler erlebt, der einfach akzeptiert, dass es unterschiedliche Menschen gibt."
"Etwas, was mich als Mensch ganz anspricht"
Wulf Herzogenrath ist einer der wichtigsten Wegbereiter der Videokunst in Deutschland. Er war Mitte zwanzig, als er Anfang der 1970er mit dieser damals noch sehr jungen Kunstform in Berührung kam. Das Folkwang-Museum in Essen, wo der Kunsthistoriker nach seinem Studium eine Anstellung fand, hatte ein Video-Studio geschenkt bekommen. Herzogenrath, der zuvor einen Katalog zum 50-jährigen Jubiläum des Bauhaus erarbeitet hatte, übernahm kurzerhand dessen Betreuung.
Bis heute fasziniere ihn "das Ganzheitliche" der Videokunst. "Ton ist wichtig, es ist die Zeitabfolge, die neue Erzählweise, die dort möglich ist, weil sie anders ist als Fernsehen oder auch Filme. Von daher ist das etwas, was mich als Mensch ganz anspricht."
"Es war auch eine Form von Neid"
Dabei hatte es die Videokunst anfänglich nicht leicht, sich als neue Kunstform zu etablieren. Seine eigenen Mitarbeiter, erzählt Wulf Herzogenrath, hätten aus dem Katalog zu der Ausstellung "Projekt 74" die Dokumentation der Videoarbeiten herausgeschnitten, weil sie sie nicht interessant genug fanden. Aber auch in anderen Bereichen des Kunstbetriebs tat man sich mit der neuen Form schwer.
"Ich glaube, es war auch eine Art von Neid", sagt Wulf Herzogenrath. Mancher Maler oder Galerist konnte wohl schlecht akzeptieren, dass das Publikum "vor einem Monitor eher stehenblieb als vor einem Bild", selbst wenn "das Publikum zwar vielleicht nicht alles verstand und begeistert war und das kaufen wollte".
Die Kunst des Vermittelns
Wulf Herzogenrath sieht sich selbst als Vermittler zwischen Werk, Künstler und Publikum. Statt wie ursprünglich geplant Architektur zu studieren, entschied sich der 1944 in Rathenow geborene Herzogenrath für ein Studium der Kunstgeschichte. Den Wunsch, an der Universität zu bleiben, hatte er trotz seiner Promotion nie. Auch selbst künstlerisch tätig zu werden, sei im Grunde kein Thema gewesen.
"Ich glaube, dass ich schon da verstanden habe, dass ich kein Künstlertyp bin, sondern eher vermittelnd – dass das meine Stärken sind und nicht das Eigenschöpferische."
Nach Stationen am Folkwang-Museum und am Kölnischen Kunstverein, den Herzogenrath 16 Jahre leitete, arbeitete er unter anderem an der Neuen Nationalgalerie und am Hamburger Bahnhof in Berlin. Bis 2011 war er sechzehn Jahre lang Direktor der Kunsthalle Bremen.
Ein Bauhaus? Viele!
Wie ein roter Faden zieht sich auch sein Interesse für das Bauhaus durch sein Leben. Wobei es "das Bauhaus" gar nicht gibt, so Wulf Herzogenrath. Vielmehr müsse man fünf Phasen dieser Architektur- und Designrichtung unterscheiden und dementsprechend von "den Bauhäusern" sprechen. Nachzulesen sind die Hintergründe zu dieser These in seinem neuen Buch "Das Bauhaus gibt es nicht", das in diesem Jahr zum 100-jährigen Jubiläum erschienen ist.
(era)