Kuratorin: Einblick in die Welt Nordkoreas

Bettina Busse im Gespräch mit Katrin Heise |
Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien zeigt Propagandakunst aus Nordkorea. Man habe damit nicht dem Diktator einen roten Teppich ausrollen, sondern zur Diskussion anregen wollen, sagt die Kuratorin Bettina Busse.
Katrin Heise: Propagandakunst, die hat einen ganz klaren Auftrag: Sie soll werben, sie soll manipulieren. Die Wirklichkeit ist dabei meist zweitrangig. Zum ersten Mal wird die Propagandakunst Nordkoreas in einem westlichen Museum ausgestellt. "Blumen für Kim Il Sung" heißt die Ausstellung im MAK, dem Museum für Angewandte Kunst in Wien. Das ist eine Ausstellung, die auf die Kraft der Kunst vertraut und dadurch durchaus Anstoß erregt und irritiert. Und ich begrüße jetzt Bettina Busse, sie ist die Kuratorin am Museum für Angewandte Kunst in Wien. Schönen guten Tag, Frau Busse!

Bettina Busse: Guten Tag!

Heise: Warum lassen Sie den Besucher mit dem Gefühl der Lüge allein?

Busse: Na ja, also wir sehen das naturgemäß etwas anders als Herr Meyer-Feist, dass wir den Besucher natürlich nicht alleine lassen mit der Lüge. Es ist sicher, dass ein Bild durch die Kunst von Nordkorea gezeichnet wird, dem wir unseren Informationen nach natürlich etwas anderes erwarten würden, was aber natürlich widersprüchlich ist, da dieser Staat eben so funktioniert. Wir wollten mit dieser Ausstellung erstmals den Versuch geben, einen Überblick über die zeitgenössische Kunst zu geben, das sind ja, also unser ältestes Bild ist aus dem Jahre 1956, der Großteil ist in den letzten zehn Jahren entstanden. Und unser Anliegen war, dass die Kunst natürlich auch für sich selbst spricht. Wir geben natürlich Informationen zu den Künstlern, was aber zum Beispiel sehr schwierig ist, weil das für uns Westler natürlich ganz normal ist, dass man erfährt, wo lebt der Künstler, wo hat er gelernt und so weiter. Das ist für die koreanische Seite sehr schwer nachzuvollziehen, warum wir daran so interessiert sind, weil sie sagen, das Bild ist da, also das müsste eigentlich reichen. Aber wir geben natürlich schon Informationen dazu und auch zu den einzelnen stilistischen Merkmalen.

Heise: Wo findet man diese Informationen?

Busse: Wir haben einen Katalog, da gibt es natürlich einen Text. Es gibt dann – das konnte Herr Meyer-Feist noch nicht sehen, weil wir die Ausstellung, wir sind noch nicht ganz fertig –, es kommen natürlich Texte, es gibt einen Text zur Ausstellung, es gibt Beschriftungen, also wo Sie natürlich schon Informationen bekommen können. Natürlich ein Gegenbild hinzu, das Gegenbild wäre ja für ihn sozusagen, wie er das in seinem Beitrag formuliert hat, die grausame Realität zu zeigen. Das ist natürlich, wenn Sie mit staatlichen Institutionen – und nur so können Sie eine solche Ausstellung auf die Beine stellen – arbeiten, nicht möglich.

Heise: Gab es also die Idee aus Ihrem Hause, diese Bilder schon zu kommentieren oder zumindest in einen Zusammenhang mit der nordkoreanischen Alltagswelt zu stellen?

Busse: Aber nicht über Bilder. Also das, glaube ich, funktioniert nicht, und so würden wir auch andere Kulturen nie präsentieren. Also ich denke, da muss man natürlich schon auch erstens Mal auf die Kraft der Kunst vertrauen und auch auf die Aussage. Das, würde ich sagen, ist ausstellungsmacherisch sehr schwierig. Und aber wir lassen es auf keinen Fall unkommentiert stehen, sondern wir veranstalten ja auch mit der Universität Wien gemeinsam mit dem Department für Ostasienstudien ein großes Symposion, wo es aber um Kunst und Kultur geht, also nicht um Politik.

Heise: Ich möchte da noch mal nachfragen: Sie haben ja eben auch betont, also an diese Bilder, die ja auch das erste Mal überhaupt außerhalb Nordkoreas gezeigt werden, ist man natürlich nur herangekommen, indem man mit der Regierung zusammengearbeitet hat, das heißt, es gab auch direkte Vorgaben, wie man die Bilder zu hängen hat?

Busse: Nein, das gab es nicht. Also wie wir die Bilder zu hängen haben, diese Vorgaben gab es nicht, darauf hätten wir uns auch nicht eingelassen. Aber natürlich die Zusammenarbeit war mit den oder ist mit den beiden großen Institutionen – das ist einmal die Korean Art Gallery und die Architekturakademie in Pjöngjang. Wir mussten ja Leihgeber haben, die uns das Material zur Verfügung stellen, und das sind die größten Sammlungen, einerseits der Architektur, andererseits der Malerei.

Heise: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Busse, dann sagen Sie, die Bilder sprechen ja eigentlich für sich. Das andere, die Zusatzinformationen, die hat man ja irgendwie auch schon als Betrachter, die politische Information, oder es gibt Fragen weiterhin an die Situation in Nordkorea, die Situation der Künstler ist uns ja eigentlich völlig unbekannt. Und zweitens überlassen Sie ja damit dem Bildungsstand des Betrachters eigentlich das, was er überhaupt erkennen kann. Also jeder sieht ja nur in einem Bild, was er auch weiß.

Busse: Natürlich, das sicher, was er weiß oder auch, was er wissen will, das kommt immer ganz drauf an. Aber ich denke, wir geben natürlich – also sowohl durch den Katalog als auch natürlich noch durch Texte – durch die Ausstellung natürlich schon auch Hintergrundinformationen. Aber sicherlich, man muss natürlich seine eigenen Schlüsse ziehen. Aber ich denke, es sind ja doch in der Regel selbstständige Bürger, die das dann auch können.

Heise: "Blumen für Kim Il Sung", über die Wiener Ausstellung nordkoreanischer Kunst und Architektur aus Nordkorea spreche ich mit der Kuratorin Bettina Busse. Frau Busse, wie entstand die Idee, nordkoreanische Propagandakunst unserer Tage zu zeigen?

Busse: Die Idee entstand bei einer Reise von Herrn Noever sowohl nach China als auch dann spontan nach Nordkorea, wo er also die Möglichkeit hatte, eben nach Nordkorea zu fahren und sich dort die Institutionen anzugucken und Künstler und auch Leute zu treffen. Und er fand das eben so spannend, dass er sagte, er würde das gerne bei uns erstmals zugängig machen.

Heise: Wie gestaltete sich dann die Zusammenarbeit, diese Bilder tatsächlich nach Wien zu holen?

Busse: Langwierig – langwierig. Also da sind einige Jahre mit doch auch zähen Verhandlungen ins Land gegangen, bis wir letztes Jahr das soweit konkretisieren konnten, dass wir wirklich mit den tatsächlichen Ausstellungsvorbereitungen beginnen konnten. Und da wir ja auch überzeugen mussten, das war uns ja ein Anliegen, also wenn wir das zeigen, möchten wir auch die Porträts der beiden Staatsoberhäupter zeigen, da die ja sozusagen auch das Kernstück der Malerei bilden dort.

Heise: Jetzt haben Sie gesagt, es gab dann Irritationen auf der koreanischen Seite, warum wollt ihr denn eigentlich etwas über die Künstler wissen, das ist bei uns unüblich. Das heißt, es war auch ein Prozess, wo man immer wieder miteinander erst mal abgleichen musste, was überhaupt möglich ist. Das heißt, war auf koreanischer Seite Angst vorhanden, was mit den Bildern hier passiert, in welchen Zusammenhang sie gestellt werden? Hatte man Angst vor Kritik, um es offen zu sagen?

Busse: Na, vor Kritik nicht. Ich glaube, man möchte sicher sein, dass wenn man mit einem Partner zusammenarbeitet, wie in dem Fall dem MAK, dass der Partner dem Ganzen wohlgesonnen gegenübersteht, also dass man das nicht macht, um von vornherein negative Reaktionen zu provozieren. Gut, das versteht sich von uns von selbst, weil sonst würden wir es nicht machen. Und natürlich, es ist immer ein Zusammentreffen zwei völlig unterschiedlicher Kulturen gewesen. Also es ist auch zum Beispiel in der Architektur wird ja hauptsächlich in Kollektiven gebaut, und das wird auch als solches gekennzeichnet, aber eben ohne die einzelnen Namen.

Heise: Das heißt, Sie haben aber auch nicht den Eindruck, dass da in Wien ein roter Teppich für doch durchaus umstrittene Diktatoren ausgerollt wird?

Busse: Nein, nein, nein, überhaupt nicht. Also das ist auch sicherlich nicht das Anliegen. Es geht wirklich, um uns einen Einblick in eine uns völlig fremde Welt auch zu geben.

Heise: In der Vorankündigung, da heißt es, es sollen anhand der Ausstellung Kunst- und Kulturproduktionen auch in solchen politischen Systemen zur Diskussion gestellt werden, die sich vom im Westen als Ideal geltenden Muster deutlich unterscheiden. Wo findet diese Diskussion statt?

Busse: Ja, die findet, glaube ich, einmal in der Ausstellung statt, indem jeder Besucher sich seine eigene Meinung bilden kann, die wird sicherlich in der Presse stattfinden. Und wir machen ja auch ein Rahmenprogramm – auf das Symposion hatte ich ja schon hingewiesen –, aber wir werden auch Filme noch zeigen, sowohl aus Nordkorea als auch Filme über Nordkorea, und auch einen Architektur-Workshop veranstalten.

Heise: Die Sorge, dass die Ausstellung so ankommt, wie sie bei unserem Kritiker angekommen ist, nämlich eigentlich als bunte Kosmetik auf Wunden, die Angst haben Sie nicht?

Busse: Also Angst nicht, also ich bin mir bewusst oder ich denke, wir sind uns alle bewusst, dass das natürlich eine mögliche Kritik sein wird und sein kann.

Heise: Wie begegnen Sie dem?

Busse: Indem wir hoffen, dass viele Leute sich die Ausstellung anschauen und auch an unseren zusätzlichen Programmpunkten teilnehmen und eben wirklich sehen, dass unser Anliegen ist, eine Diskussion in Gang zu setzen.

Heise: … sagt Bettina Busse. Sie ist die Kuratorin der Ausstellung "Blumen für Kim Il Sung" in Wien. Vielen Dank, Frau Busse!

Busse: Danke Ihnen!

Heise: Wenn Sie sich selbst ein Bild machen wollen, heute ist die feierliche Eröffnung, und dann läuft die Ausstellung bis Anfang September im Wiener Museum für Angewandte Kunst.

Homepage MAK: "Blumen für Kim Il Sung"
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