Eberhard Schmidt: Kurt von Plettenberg. Im Kreis der Verschwörer um Stauffenberg. Ein Lebensweg
Unter Mitarbeit von Dorothea-Marion und Karl-Wilhelm von Plettenberg
Herbig Verlag, München 2014
272 Seiten, 22,99 Euro
"Wenn er dort seinen Auftritt hat, könnte ich ihn umlegen"
Er träumte von einem "Sozialismus der Tat" und sehnte sich nach einem starken Mann. Doch fast hätte Kurt von Plettenberg 1943 ein Attentat auf Hitler verübt. Seinen Lebensweg und mutigen Sprung in den Tod hat der Politologe Eberhard Schmidt beschrieben.
Um ein Haar und Kurt von Plettenberg hätte bereits am 21. März 1943 das Attentat an Adolf Hitler ausgeübt. Er gehörte damals schon zum Kreis der Verschwörer des 20. Juli und war im Jahr zuvor zum Generalbevollmächtigten der Hohenzollern ernannt worden, mit Sitz im Niederländischen Palais, Berlin-Mitte, Unter den Linden genau gegenüber der Neuen Wache.
Marion Gräfin Dönhoff, ehemals Herausgeberin der Wochenzeitung "Die Zeit", berichtete, er habe erwogen, den "Führer" an diesem Tag bei der Kranzniederlegung am Grabmal des unbekannten Soldaten zu erschießen:
"Als ich ihn dort eines Tages besuchte, war er gerade von einer Hochwildjagd zurückgekommen, die Fernrohrbüchse lag noch auf dem Tisch. 'Schau mal', sagte er, nahm die Waffe in die Hand, ohne sie anzulegen und zeigte auf die Wache (...), 'wenn er dort seinen Auftritt hat, könnte ich ihn umlegen'."
Eberhard Schmidt deutet die Bedenken an, die Plettenberg letztlich vor der Tat zurückschrecken ließen. So wollte er das Haus Hohenzollern davor bewahren, etwa als Mittäter in die Sache hineingezogen zu werden. Auch sprach die Scheu vor dem Entstehen einer neuen Dolchstoßlegende dagegen, die Hitler zum Märtyrer hätte machen können.
Diese Legendenbildung hatte Plettenberg im Ersten Weltkrieg am eigenen Leib erfahren. Im August 1914 war er, 23 Jahre alt, singend und jauchzend zu den Fahnen geeilt, wie sein Bruder, der gleich im ersten Kriegsjahr fiel. Er träumte von einem "Sozialismus der Tat", der nur im Kampf zu erobern sei, wo Soldaten und Offiziere im Graben gleich an gleich nebeneinanderstehen.
Erstaunlich für einen Offizierssohn, der, 1891 geboren, noch stark an der wilhelminischen Standesehre festhielt. Aber vielsagend, wenn man seine spätere Hinwendung zu einem Sozialismus nationaler Prägung in Betracht zieht. Aus Enttäuschung über die Nachkriegszeit sehnte er sich nach einem starken Mann, wie er 1923 schreibt:
... der "uns, dem deutschen Volk, Wegweiser ist zur alten deutschen Sitte zurück und zu neuem starken Glauben vorwärts."
Am Ende wurden sie alle sehr christlich
Erst die unglaublichen Morde, die während des Polen- und Russlandfeldzugs der Wehrmacht von den eigenen Leuten hinter der Front begangen wurden, trieben ihn samt seinen Freunden in den Kreis der Verschwörer und ließen ihn schließlich zu dem werden, wovor er Hitler bewahren wollte: zum Märtyrer.
"Marion Dönhoff macht im Hinblick auf ihre Freunde, die sich dem Widerstand zugehörig fühlten, die Beobachtung, 'dass sie am Ende alle sehr christlich (wurden), viel mehr als sie es vorher gewesen waren'. Ihr Glaube bildet ein Bollwerk gegen die Zumutungen eines verbrecherisch handelnden Regimes."
Entsprechend ihrer christlichen Haltung war unter den Freunden klar, dass sie bei einer Verhaftung keine Namen von Mitverschwörern preisgeben, sondern angesichts unerträglicher Foltermethoden lieber den Tod in Kauf nehmen würden. Auch Plettenberg handelte danach. Und zwar in einem Akt bewundernswerten Mutes.
Von einem geschwätzigen Mitarbeiter unabsichtlich denunziert, kam er noch Anfang März 1945 ins Prinz-Albrecht-Palais, das sogenannte Hausgefängnis der Geheimen Staatspolizei.
Als ihm von der Gestapo verschärfte Vernehmung, das hieß Folter, angedroht wurde, habe er, so berichten Beteiligte, "einem der leitenden Beamten einen Kinnhaken versetzt, sei im unmittelbaren Anschluss daran auf das Fensterbrett gesprungen und habe sich von hier aus auf den Hof gestürzt."
Er stürzte aus der vierten Etage und war sofort tot.
Der Oldenburger Politologe und Historiker Eberhard Schmidt hat den Lebensweg Kurt von Plettenbergs sensibel nachgezeichnet. Uns Hinterbliebenen, die wir seit längerem die mangelnde demokratische Gesinnung der Verschwörer des 20. Juli beklagen, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Man muss kein Demokrat gewesen sein, um einen Tyrannen zu ermorden und die Welt vor Schlimmerem zu bewahren. Richtige Demokraten haben sogar eher Angst davor.