Barbara Sichtermann/Ingo Rose: Kurtisanen, Konkubinen und Mätressen
Verlag Ebersbach & Simon, Berlin 2016
120 Seiten, 24,95 Euro
Emanzipation durch Prostitution
Von den Hetären der Antike bis zu Rosemarie Nitribitt und Christine Keeler: In 18 Porträts erzählt "Kurtisanen, Konkubinen und Mätressen" die Geschichte der Prostitution und trägt damit zur Entskandalisierung eines anrüchigen Themas bei, meint Julia Riedhammer.
Es mag überraschend klingen, aber in diesem Buch über "Kurtisanen, Konkubinen und Mätressen", über Prostituierte also, geht es vor allem um Selbstermächtigung, um Emanzipation.
Barbara Sichtermann und Ingo Rose beschreiben fünfzehn Lebensläufe von Menschen, Frauen und auch zwei Männern, die ihren Körper verkaufen, um ein anderes Leben führen zu können, um an Geld, an Macht und oft auch an Bildung zu kommen. In ihrer "Skizze der Prostitution" spannen die Autoren einen Bogen von der Antike über die Renaissance und Aufklärung bis in die Gegenwart und spiegeln in den Lebensläufen die jeweilige Gesellschaft und ihre Sittenvorstellungen.
Starke Bilder, ohne voyeuristisch zu sein
Es ist ein Coffee-Table-Buch, das man gern in die Hand nimmt: kompakt, nur 120 Seiten dick und illustriert. Jeder Lebenslauf beginnt mit einer farbigen Doppelseite und einem großen Porträt. Dass eine Journalistin und ein Sachbuchautor schreiben, merkt man den Texten an. Starke Bilder werfen den Leser unmittelbar in die Szene: Da springt ein Tänzer in einem Satz über die Bühne, oder es wird Cancan getanzt, dass Röcke und Beine fliegen. Sicher, dass es um Prostituierte geht, um Halbwelten, Sex und manchmal auch Gewalt, macht neugierig. Doch voyeuristisch ist der Text nicht. Im Gegenteil: Er ist eine kulturhistorische Skizze.
Das Buch setzt in der Antike ein. Auch wenn Sexualität viel offener gelebt wird als heute, haben die Porné, die Straßenhuren, einen schlechten Stand. Ganz anders die Hetären: Sie gehören zur Mittelschicht und werden geachtet wie Aspasia, die mit Witz und Eloquenz den Perikles erobert und zu großem Einfluss kommt. Frauen ist es verboten, in der Öffentlichkeit zu sprechen, doch Apasia ergreift das Wort und führt den wohl ersten politischen Salon. Eine Frau, die es wagt, sich zu nehmen, was sie will – ein Skandal!
Die Prostitution aus der Schmuddelecke holen
Der Skandal eint die fünfzehn Biografien. Ihn erregt Madame de Pompadour, die sich an den Hof des Sonnenkönigs schläft, um politisch Einfluss zu nehmen, ebenso wie der Schriftsteller Jean Genet, der den Verkauf seines Körpers literarisch verwertet. Sichtermann und Rose schildern die sehr unterschiedlichen Motivationen der Skandalisierten, zeigen sie als Handelnde und holen das Thema Prostitution aus der Schmuddelecke. Dass oft Not der Grund für das von den Zeitgenossen als unsittlich verurteilte Tun ist, verschweigen sie nicht. Ebenso wenig, dass diese Menschen beeindruckend mutig die Grenzen der Konvention sprengen und ihren eigenen Weg gehen. Barbara Sichtermann und Ingo Rose entskandalisieren ein noch immer anrüchiges Thema und ehren die Menschen, die ihren Körper einsetzten.