Patrick Deville: Kampuchea
Aus dem Französischen: Holger Fock und Sabine Müller
Bilger Verlag, Zürich
297 Seiten, 22,90 Euro
Lehrstück über die Verwüstungen von Diktaturen
Gekonnt verknüpft der französische Schriftsteller Patrick Deville in seinem Buch subjektive Reiseerfahrungen mit gesellschaftlicher Analyse, wenn er über die kambodschanische Pol-Pot-Herrschaft schreibt - ein außergewöhnlich kenntnisreiches Buch.
Der französische Schriftsteller Patrick Deville ist eine Ausnahmeerscheinung. Überdrüssig der Konventionen des Noveau Roman, experimentiert er in seinen Büchern mit einem “Noveau Noveau Roman“, der subjektive Reise- und Lektüreerfahrung mit gesellschaftlicher Analyse verknüpft.
In seinem jüngsten Buch, das in einigen Wochen im Zürcher Bilgerverlag auch in deutscher Übersetzung vorliegen wird, reist er - aus dem krisengeschüttelten Bangkok kommend - ins heutige Kambodscha, um sich auf die Spuren der längst verdrängten, genozidären Pol-Pot-Herrschaft zu begeben. Im Gepäck hat er Neugier, eine illusionslose Menschenfreundlichkeit, feines Stilempfinden und ein Wissen, das (wiewohl nie ostentativ vorgezeigt) vom Tagesaktuellen auf historische Tiefenschichten schließt.
Besonders faszinierend sind Devilles Reflexionen über jene westliche Machbarkeits-Hybris, die der junge Pol Pot einst im kommunistischen Studentenmilieu von Paris aufgesogen hatte.
Mit einem wachen Auge für Opfer und Täter
Der 1957 geborene Autor ist jedoch kein Thesenritter, sondern ein ideologisch ungebundener Romancier und literarischer Reporter, der sich auf die Atmosphäre des heutigen Kambodscha einlässt, mit einem wachen Auge für Opfer und Täter, deren Biographie sich mitunter sogar in einer Person findet.
Seine Reise wird damit zu einem universellen Lehrstück über die von Diktaturen angerichteten physischen und seelischen Verwüstungen, die keine historische Amnesie heilt. Darüber hinaus gelingen Deville faszinierende Porträts sowohl der einstmals französisch Kolonisierten wie auch der ehemaligen und heutigen Globalisierungs-Profiteure. Das Buch "Kampuchéa" lehrt, wie faszinierend - und erschreckend - Weltphänomene sind, die wir aus Unkenntnis noch immer nur bestimmten Regionen zuordnen. Wie gut, dass dieses relevante Buch nun auch bald deutschen Lesern zugänglich ist.