Kurz und kritisch

Von Ernst Rommeney |
Geschichten vom Widerstand: Zunächst die Geschichten des Chemikers Cornelius Weiss, eines Gefreiten, der in der Wehrmacht Widerstand leistete und dafür zum Tode verurteilt wurde, und die Biografie eines deutschen Adligen, der nach dem Hitler-Attentat 1944 hingerichtet wurde.
Cornelius Weiss: Risse in der Zeit
Rowohlt Hamburg

Sein Vater war Atomphysiker, der nach dem Kriege den Amerikanern die deutschen Radium-Vorräte übergab, sich aber von den Sowjets verpflichten ließ. Begleitet von der Familie, arbeitete er nahe Moskau in der Kernforschung.

In die DDR zurückgekehrt, wurde auch sein Sohn Forscher, Chemiker an der Universität Leipzig, später Professor und – nach der Wende – schließlich Rektor. Und danach ging er noch für die SPD als Abgeordneter in den Sächsischen Landtag. Bis dahin war er parteilos gewesen.

Cornelius Weiss erzählt sein 79jähriges Leben – erzählt von der Hilfsbereitschaft der einfachen Menschen in Notzeiten, vom selbstorganisierten Kulturprogramm der deutschen Wissenschaftler-Kolonie hinter sowjetischem Stacheldraht, vom Ärger über Politiker und Funktionäre, welche die Hochschule gängelten und seine Kindern benachteiligten, sowie zuletzt über seine parlamentarische Antwort auf die NPD.

Die Familiengeschichte gerät unausgesprochen zum Lob des Bildungsbürgertums, dessen Substanz half, wechselvolle Zeiten zu überstehen, eine Haltung zu bewahren. So nimmt er es sich übel, innerlich stramm gestanden zu haben, als ihm der Minister telefonisch zum Amt des Rektors gratulierte, dem damals ersten frei gewählten der Leipziger Universität nach sechzig Jahren.


Bernd Ziesemer: Ein Gefreiter gegen Hitler
Hoffmann und Campe Verlag Hamburg

Über den 20. Juli 1944, über das Attentat der Offiziere auf Adolf Hitler, ist viel geforscht worden. Darüber hinaus aber sei der Widerstand in der Wehrmacht, besonders der einfachen Soldaten, nur wenig dokumentiert. Darum hat der Journalist und Verleger Bernd Ziesemer die Kriegsgeschichte seines Vaters recherchiert und nacherzählt.

Er war sieben Jahre lang beim Heer, vom Anfang bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, erlebte den Einmarsch in Polen, überlebte Schlachten an der Ost- wie an der Westfront, wandelte sich zum Pazifisten, fuhr als Kradfahrer in geheimer Mission quer durch das Reich, wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und begnadigt.

Zwar schrieb er sich mit Gedichten und Erzählungen die Last von der Seele, aber berichten mochte er nicht über seine Erlebnisse, zumal verurteilte Wehrmachtsangehörige im Nachkriegsdeutschland geächtet wurden. Konsequent lehnte er daher für sich jedwede staatliche Entschädigung ab.

Der Sohn berichtet auch deswegen über den Vater, um andere Familien anzuregen, sorgsam auf Quellen, Briefe beispielsweise zu achten, damit sie der zeitgeschichtlichen Forschung erhalten bleiben. Denn Akten der Militärjustiz, so sie nicht vernichtet wurden, verrieten nur die halbe Wahrheit.


Günter Brakelmann: Peter Yorck von Wartenburg 1904 - 1944. Eine Biographie
C.H.Beck Verlag München

Sie haben den Kreisauer Kreis ins Leben gerufen, waren dessen Moderatoren und Organisatoren: Peter Yorck von Wartenburg und Helmuth James von Moltke. Über von Moltke hatte der Bochumer Historiker Günter Brakelmann bereits 2009 eine Biographie geschrieben. Nun folgt eine andere über den Freund York von Wartenburg, aber erneut gestützt auf Aufzeichnungen und Briefe von Moltkes, der so etwas wie der Schriftführer des Widerstandes im Dritten Reich war.

Von 1938 an bis 1944 entwarfen die "Kreisauer" ihr Konzept für ein Nachkriegsdeutschland: erst zu zweit, dann in kleinen Gruppen, diskutiert mit Experten quer durch die Gesellschaft, aus dem militärischen und zivilen Widerstand, aus kirchlichen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Kreisen, aus der Freiburger Ökonomenschule.

Als junge schlesische Adlige verwarfen sie den Obrigkeitsstaat, legten sich mit den alten nationalkonservativen Eliten in ihren Reihen an, versöhnten mit ihrem offenen Dialog verfeindete politische Lager, skizzierten eine föderale Demokratie und eine sozialen Marktwirtschaft.

Und weil sie wussten, dass die Deutschen sich angesichts ihrer Hitlertreue niemals selbst befreien würden, stimmten sie schließlich dem Tyrannenmord zu, wie ihn Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 versuchte. Dafür wurden sie hingerichtet.
Cover: "Risse in der Zeit" von Cornelius Weiss
Cover: "Risse in der Zeit" von Cornelius Weiss© Rowohlt Hamburg
Cover: "Ein Gefreiter gegen Hitler. Auf der Suche nach meinem Vater" von Bernd Ziesemer
Cover: "Ein Gefreiter gegen Hitler. Auf der Suche nach meinem Vater" von Bernd Ziesemer© Hoffmann und Campe
Cover: "Peter Yorck von Wartenburg 1904-1944 Eine Biographie" von Günter Brakelmann
Cover: "Peter Yorck von Wartenburg 1904-1944 Eine Biographie" von Günter Brakelmann© C.H.Beck
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