Sabine Bode: Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart

Kriege werfen lange Schatten. Die Kölner Autorin Sabine Bode befasst sich seit langem damit, wie sich die Grauen des Zweiten Weltkriegs auf die Nachgeborenen auswirken. Vor fünf Jahren untersuchte sie die Problematik der Kriegskinder, also der in den 30er und 40er Jahren Geborenen. Nun geht es um deren Enkel, die Jahrgänge zwischen 1960 und 1975. Bei einer erheblichen Zahl von ihnen hat sie unausgesprochene Konflikte gefunden.

Bode beschreibt, wie erschütternde Erlebnisse der Eltern weitergegeben werden. Und wie traumatisierte Eltern ihre Kinder unbewusst und ungewollt belasten. Die sich dann emotional leer fühlen und Identitätsprobleme entwickeln. Was wiederum die Eltern nicht verstehen. All das erzeugt eine Sprachlosigkeit zwischen den Generationen. Ein kompliziertes Thema, ein gesellschaftlicher Schmerzpunkt.


Uwe Neumahr: Georg Friedrich Händel. Ein abenteuerliches Leben im Barock
Piper Verlag, München/Zürich

Dass der Begriff Barock seine ursprünglich abwertende Bedeutung - nämlich die des Merkwürdigen, Ungleichmäßigen - verlor, das haben wir dem großen Kulturhistoriker Jakob Burkhardt zu verdanken, der Mitte des 19. Jahrhunderts diesen Stil erstmals positiv besetzte.

Welche Kraft und Opulenz jene Epoche besaß, erzählen Architektur und bildende Kunst reichlich - am sinnlichsten tut es wohl die Musik. Vor allem in diesem Jahr: Händels Töne aller Orten. Der außergewöhnliche Komponist, der vor fast genau 250 Jahren starb und seit langem eine Renaissance feiert, wird natürlich auch literarisch geehrt. Für Autoren nicht ganz einfach, denn die Quellen lassen vieles aus Händels Leben im Dunkeln.

So widmet sich Karl-Hein Ott in seinem Buch "Tumult und Grazie", erschienen bei Hoffmann und Campe, eher essayistisch und apologetisch dem Objekt seiner Begeisterung. Uwe Neumahr hingegen inszeniert das Leben des Weltbürgers und Musik-Genies aus Halle eher unterhaltsam als Roman-Biographie. Beide Bücher haben etwas für sich, gegen beide lässt sich einiges einwenden - der zeitgeschichtlich interessierte Leser greift wohl eher zum zweiten.


Hugh Trevor Roper: Der Eremit von Peking - Die Geschichte eines genialen Fälschers
Die andere Bibliothek im Eichborn Verlag

Irgendein kluger Mann schrieb mal: Aus Lügen, die wir glauben, werden Wahrheiten, mit denen wir leben. Unser Bild des kaiserlichen China etwa wird noch heute bestimmt vom Werk des berühmten Baronet Edmund Backhouse, gestorben 1944, schillernder Sinologe, Autor eines Klassikers über den Boxer-Aufstand, geschrieben unter Berufung auf ein geheimnisvolles Tagebuch und seltene Schriftrollen. Er stiftete der Universität Oxford eine weltbekannte Kollektion kostbarer chinesischer Objekte und Schriftstücke, wurde bewundert, erhielt eine Ehrentafel ... Und alle, alle gingen ihm auf den Leim.

Dann kam der Historiker Hugh Trevor-Roper und entlarvte den Lügenbaron 1976 in einem Buch. Dokumente, Tagebücher, Zeugnisse, Empfehlungsscheiben: alle gefälscht. Freundschaften zu Winston Churchill, Oscar Wilde, Henry James: alle erfunden. Dass Trevor-Roper, der übrigens 1945 als Geheimdienstoffizier den zerstörten Führerbunker untersuchte und mit "Hitlers letzte Tage" einen Bestseller landete - dass dieser Trevor-Roper mit seiner Expertise für die Echtheit der Hitler-Tagebücher selbst auf einen großen Geschichtsschwindel hereinfiel, entbehrt nicht einer gewissen Tragik.

Immerhin - bei Sir Edmund Backhouse, dem Mann mit der zügellosen Phantasie, lag er goldrichtig. Bildschönes Cover, wunderbare Lektüre, endlich auf Deutsch.