Kurz und kritisch
Jörg von Bilavsky widmet sich Joseph Goebbels in einer gleichnamigen Monographie. Hugo Müller-Vogg entwirft in der Parodie "Volksrepublik Deutschland" ein politisches Szenario für die Zeit nach der Wahl. Und Christoph Antweiler analysiert in "Heimat Mensch", was alle Menschen verbindet.
Jörg von Bilavsky: Joseph Goebbels
Rowohlt Verlag
Er war charmant, intelligent, fanatisch und böse. Als einziger unter den Nazis steckt Doktor Joseph Goebbels noch heute als schmerzhafter Stachel im Fleisch vieler Intellektueller: Ein entarteter Philologe, dem Bildung und Aufklärung den Verstand geschliffen hatten. Wie kam es zu Goebbels Verrat an der eigenen Intelligenz? Auch Jörg von Bilavskys neue Rowohlt-Monographie vermag dieses Rätsel nicht zu lösen, sondern bleibt bei der nüchternen Beschreibung: Psychisch labil fand Goebbels in Hitler früh eine Erlöserfigur, der er sich mit Leib und Seele verschrieb. Wann immer Hitler rief, Goebbels spurte – was der Diktator ihm keineswegs mit Privilegien vergalt. Im innersten Machtzirkel blieb der Propagandaminister nachgeordneter Diener. Umso brutaler der Opportunismus, in den er sich stürzte. Ehemals links und nicht sonderlich gegen Juden eingenommen, zählte er später zu den fürchterlichsten Antisemiten. Ein lebenslanges Gefühl des Zurückgesetztseins speiste wohl den Hass, mit dem er sich, wo er nur konnte, die Welt unterwarf.
Hugo Müller-Vogg: Volksrepublik Deutschland
Olzog Verlag
Utopien haben in Europa Tradition. Sie charakterisieren geradezu das europäische Geschichtsdenken. Was unter der Oberfläche brodelt, fördern sie ans Licht. Die berühmteste Utopie der Gegenwart schrieb Georg Orwell mit seinem 1945 publizierten "1984". Der 30 Jahre später publizierte "Archipel Gulag" von Solschenizyn bestätigte Orwell dann auf das Schrecklichste. Nun gibt es auch eine Utopie für Deutschland, für den Wahlsonntag am 27. September. Hugo Müller-Vogg entwirft ein Szenario, in dem eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken die Macht übernimmt. Die Parodie gelingt ihm - fast zu gut. All die uns bekannten Protagonisten aus dem Bundestag und der Sendung "Anne Will" reden genau so wie in Wirklichkeit. Es ist zum Erbarmen; zwischen Zitat und Persiflage kaum ein Unterschied. Der Autor macht klar, welche politischen Transformationen seit der Wende unter unseren verschlafenen Augen stattgefunden haben. Eine köstliche, wahrhaft aufklärerische Lektüre, leicht zu lesen, schwer zu verdauen, nicht die schlechteste Vorbereitung auf die Wahl.
Christoph Antweiler: Heimat Mensch – Was uns alle verbindet Murmann Verlag
Christoph Antweiler: "Heimat Mensch – Was uns alle verbindet""Das Gemeinsame kommt gar nicht in den Blick", seufzt Christoph Antweiler trotz aller Liebe zu seiner Wissenschaft, der Ethnologie. So viele Kulturen, so viele Unterschiede! Doch was gilt für alle Menschen gleichermaßen? Diese Frage stellt die "Universalienforschung" und fördert – empirisch abgestützt – verblüffende Erkenntnisse zutage. Unter anderen solche: Jede Gesellschaft kennt Initiationsriten. Überall gibt es Kunst als Vorgang der Bedeutungsaufladung. Sex ohne Scham ist nirgendwo zu haben. Konfliktvermeidung fällt allen Menschen schwer, auch wenn es tatsächlich einige wenige Gruppen gibt, die Gewalt mit hohem kommunikativen Aufwand ad acta gelegt haben. In leicht zugänglichen, anschaulichen Passagen – doch fern des von ihm verabscheuten Ethno-Pops mit dessen Heile-Welt-Utopien – vermittelt Christoph Antweiler die anthropologische Gewissheit: Wir sind uns näher, als wir denken – und nur deswegen konnte so etwas wie die Globalisierung überhaupt entstehen.
Rowohlt Verlag
Er war charmant, intelligent, fanatisch und böse. Als einziger unter den Nazis steckt Doktor Joseph Goebbels noch heute als schmerzhafter Stachel im Fleisch vieler Intellektueller: Ein entarteter Philologe, dem Bildung und Aufklärung den Verstand geschliffen hatten. Wie kam es zu Goebbels Verrat an der eigenen Intelligenz? Auch Jörg von Bilavskys neue Rowohlt-Monographie vermag dieses Rätsel nicht zu lösen, sondern bleibt bei der nüchternen Beschreibung: Psychisch labil fand Goebbels in Hitler früh eine Erlöserfigur, der er sich mit Leib und Seele verschrieb. Wann immer Hitler rief, Goebbels spurte – was der Diktator ihm keineswegs mit Privilegien vergalt. Im innersten Machtzirkel blieb der Propagandaminister nachgeordneter Diener. Umso brutaler der Opportunismus, in den er sich stürzte. Ehemals links und nicht sonderlich gegen Juden eingenommen, zählte er später zu den fürchterlichsten Antisemiten. Ein lebenslanges Gefühl des Zurückgesetztseins speiste wohl den Hass, mit dem er sich, wo er nur konnte, die Welt unterwarf.
Hugo Müller-Vogg: Volksrepublik Deutschland
Olzog Verlag
Utopien haben in Europa Tradition. Sie charakterisieren geradezu das europäische Geschichtsdenken. Was unter der Oberfläche brodelt, fördern sie ans Licht. Die berühmteste Utopie der Gegenwart schrieb Georg Orwell mit seinem 1945 publizierten "1984". Der 30 Jahre später publizierte "Archipel Gulag" von Solschenizyn bestätigte Orwell dann auf das Schrecklichste. Nun gibt es auch eine Utopie für Deutschland, für den Wahlsonntag am 27. September. Hugo Müller-Vogg entwirft ein Szenario, in dem eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken die Macht übernimmt. Die Parodie gelingt ihm - fast zu gut. All die uns bekannten Protagonisten aus dem Bundestag und der Sendung "Anne Will" reden genau so wie in Wirklichkeit. Es ist zum Erbarmen; zwischen Zitat und Persiflage kaum ein Unterschied. Der Autor macht klar, welche politischen Transformationen seit der Wende unter unseren verschlafenen Augen stattgefunden haben. Eine köstliche, wahrhaft aufklärerische Lektüre, leicht zu lesen, schwer zu verdauen, nicht die schlechteste Vorbereitung auf die Wahl.
Christoph Antweiler: Heimat Mensch – Was uns alle verbindet Murmann Verlag
Christoph Antweiler: "Heimat Mensch – Was uns alle verbindet""Das Gemeinsame kommt gar nicht in den Blick", seufzt Christoph Antweiler trotz aller Liebe zu seiner Wissenschaft, der Ethnologie. So viele Kulturen, so viele Unterschiede! Doch was gilt für alle Menschen gleichermaßen? Diese Frage stellt die "Universalienforschung" und fördert – empirisch abgestützt – verblüffende Erkenntnisse zutage. Unter anderen solche: Jede Gesellschaft kennt Initiationsriten. Überall gibt es Kunst als Vorgang der Bedeutungsaufladung. Sex ohne Scham ist nirgendwo zu haben. Konfliktvermeidung fällt allen Menschen schwer, auch wenn es tatsächlich einige wenige Gruppen gibt, die Gewalt mit hohem kommunikativen Aufwand ad acta gelegt haben. In leicht zugänglichen, anschaulichen Passagen – doch fern des von ihm verabscheuten Ethno-Pops mit dessen Heile-Welt-Utopien – vermittelt Christoph Antweiler die anthropologische Gewissheit: Wir sind uns näher, als wir denken – und nur deswegen konnte so etwas wie die Globalisierung überhaupt entstehen.

Hugo Müller-Vogg: „Volksrepublik Deutschland“© Olzog Verlag

Christoph Antweiler: "Heimat Mensch – Was uns alle verbindet"© Murmann Verlag