Kurz und kritisch

"Der abenteuerliche Simplicissmus" ist das Hörbuch zu einem Tatsachenroman und Ereignisbericht. "Natürlich kann geschossen werden" handelt von der Roten Armee Fraktion". "Das männliche Gehirn" zeigt, dass Männer anders ticken als die Frauen.
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus
aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts von Reinhard Kaiser, 18 CDs, Eichborn Verlag.

Ein Lob auf Reinhard Kaiser: Er hat in jahrelanger Arbeit einen der wichtigsten klassischen Texte des Barock neu erschlossen, den 'Simplicissimus'-Roman von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Er, der arme Tor, der in den Dreißigjährigen Krieg gerät, in eine Zeit des Mordens und der Zerstörung, verkörpert in seinem Erleben und seiner Weltsicht geradezu archetypisch das Deutsche. Das Erbe des christlichen Abendlandes kulminiert gewissermaßen in diesem Roman. Gelesen wurde er kaum noch. Das geht jetzt wieder, weil Kaiser ihn feinfühlig aus der Sprache des 17. Jahrhunderts in die unsere transponiert hat. Wunderbar gelesen von Felix von Manteuffel:

"'Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch', das ist die Beschreibung des Lebens eines seltsamen Vaganten, genannt 'Melchior Sternfels von Fuchsheim', nämlich, wo und wie er in diese Welt gekommen, was er darin gesehen, erfahren und ausgestanden, auch warum er sie freiwillig wieder verlassen hat - überaus unterhaltsam und für jedermann nützlich zu lesen."

Das hier ist alles zugleich: Tatsachenroman und Fantasie, Ereignisbericht und Allegorie. Wie schrieb Thomas Mann: 'Ein Erzählwerk von unwillkürlicher Großartigkeit, bunt, wild, roh, amüsant, verliebt und verlumpt, kochend vor Leben, mit Tod und Teufel auf Du und Du ... ' Eine faszinierende, zeitlose Metapher, das zeigt eindrücklich diese Hörbuchproduktion.


Michael Sontheimer: Natürlich kann geschossen werden. Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion
3 CDs, SPIEGEL-Hörbuch, Der Audio Verlag

"Die Rote Armee Fraktion ist der schwarze Fleck in der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland", schreibt der Journalist Michael Sontheimer über 40 Jahre RAF-Syndrom. Am 14. Mai 1970 verhalfen in West-Berlin ein Mann und vier Frauen dem Strafgefangenen Andreas Baader mit Waffengewalt zur Flucht. Es war der Beginn der RAF. Der Beginn von Terror gegen Menschen und brutalem Kampf gegen den Staat. Beides sollte 23 Jahre dauern, und viele der RAF-Verbrechen sind bis heute nicht aufgeklärt

"Auf jeden Fall stellte die RAF mit einer in Deutschland seit dem Aufstieg der Nationalsozialisten nicht gekannten Radikalität die westdeutsche Republik und ihr Wirtschaftssystem in Frage. Die Gründer der Gruppe waren keine unterdrückten Arbeiter, sondern Töchter und Söhne von Akademikern aus der Mitte der Gesellschaft.

Über eine soziale Basis für ihren Krieg verfügte die RAF nicht. Es gab noch keine Massenarbeitslosigkeit und der Kapitalismus blühte in seiner sozialen Variante. Die westdeutsche Gesellschaft liberalisierte sich deutlich, nachdem Willy Brandt im Oktober 1969 zum Bundeskanzler gewählt worden war. Dennoch machten junge Menschen einen neuen Faschismus aus und griffen zur Gewalt.

Die Terroristen überschätzten sich maßlos. Im Untergrund und in Hochsicherheitstrakten wie eine Sekte von der Gesellschaft isoliert, hielten sie sich zumindest für die wichtigste Gruppe der Linken. Theoretisch stützten sie sich in der Tradition von Marx und Lenin auf das Proletariat, praktisch verachteten sie die Massen als korrumpierte Konsumidioten. Ihre Kommuniques – "der Ton militärisch knapp, die Terminologie phrasenhaft, der Satzbau bürokratisch", so Hans Magnus Enzensberger, ließen ahnen, wogegen sie kämpften. Wofür sie aber kämpften, welche Gesellschaftsordnung sie mit Gewalt durchsetzen wollten, das erklärten sie nicht."

In seiner "kurzen Geschichte der Roten Armee Fraktion", die das Zitat als Titel trägt "Natürlich kann geschossen werden", beschreibt Sontheimer anschaulich die Ereignisse und das gesellschaftspolitische Umfeld, basierend auf intensiven Studien und Gesprächen mit ehemaligen Mitgliedern. Geradezu beklemmend die Schlussfolgerung: "Die RAF existiert nicht mehr, aber sie ist noch da!". Sehr hörenswert das Audio-Buch mit gekürzter Fassung, die Bernt Hahn souverän spricht. Empfehlenswert besonders für junge Leute. Aber auch für den, der glaubt, schon alles über die RAF zu wissen.


Louann Brizendine: Das männliche Gehirn
übersetzt von Sebastian Vogel, 2 CDs, Hoffmann & Campe

Nach ihren Auslassungen über "Das weibliche Gehirn" hat sich die amerikanische Neuro-Psychologin Louann Brizendine die Männer vorgenommen. Und – Überraschung – die ticken anders als Frauen! Warum, das hat uns die Wissenschaftlerin mit ihren Erkenntnissen und Interpretationen aufwendiger Forschung im Prinzip ja schon vor einigen Jahren zu erklären versucht und damit heftige Diskussionen ausgelöst. Kritiker warfen der Hirnforscherin "biologistischen Reduktionismus" vor. Die Aussagen der Feministin würden auch nicht durch die zitierte Literatur gestützt ...

Nun also der Fokus auf die Schaltzentrale des Mannes und darauf, wie sie dessen Verhalten steuert. Es liest Philip Schepmann:

"Wie ich schnell erkannte, ist der Gedanke, der Mann sei das Standardmodell des Menschen, in unserer Kultur immer noch tief verwurzelt. Der Mann gilt als einfach, die Frau als komplex. Meine klinische Tätigkeit und die Forschung auf vielen Gebieten – von der Neurowissenschaft bis zur Evolutionsbiologie – ergeben jedoch ein anderes Bild.

Durch die umfangreichen neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung und die Arbeiten mit meinen eigenen männlichen Patienten bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die einzigartigen Gehirnstrukturen und Hormone von Jungen und Männern in allen Lebensphasen eine männliche Realität entstehen lassen, die sich grundlegend von der weiblichen unterscheidet und nur allzu oft übermäßig vereinfacht oder falsch verstanden wird.

Die Gehirne von Männern und Frauen unterscheiden sich vom Augenblick der Befruchtung an. Im Laufe des Lebens eines Mannes wird das Gehirn gebildet und immer wieder umgebildet. Die Anweisungen dafür stammen sowohl von Genen als auch von den männlichen Geschlechtshormonen.

Wenn sie erwachsen sind, haben die meisten Männer und Frauen gelernt, sich entsprechend ihrem Geschlecht zu verhalten. Aber wie viel von diesem geschlechtstypischen Verhalten ist angeboren? Und welcher Anteil ist erlernt? Haben die Kommunikationsstörungen zwischen Männern und Frauen eine biologische Grundlage?"

Solche Fragen will Louann Brizendine beantworten. Ausführlich geht sie auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Gehirn, Hormonen und Verhalten ein und beschreibt detailliert männliche Lebensphasen und Denkweisen. Auch Alltagssituationen, die uns allerdings sehr bekannt vorkommen. Warum Männer die Welt anders sehen als Frauen – wissen wir es jetzt? Nein, wir sind eher ratlos: Die Erklärungen scheinen plausibel, aber auch sehr simpel.
Cover: "Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus"
Cover: "Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus"© Eichborn Verlag
Cover: "Michael Sontheimer: Natürlich kann geschossen werden. Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion"
Cover: "Michael Sontheimer: Natürlich kann geschossen werden. Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion"© Der Audio Verlag
Cover: "Louann Brizendine: Das männliche Gehirn"
Cover: "Louann Brizendine: Das männliche Gehirn"© Hoffmann & Campe