Kurz und kritisch
Mark Terkessidis fordert in "Interkultur" eine radikale interkulturelle Öffnung. Günther Maihold zeigt in "Energie und Integration in Nord- und Südamerika", wie Energie die Politik prägt. Maike Albath stellt in "Der Geist von Turin" die italienische Stadt und ihre Gesellschaft vor.
Mark Terkessidis: Interkultur
edition suhrkamp
Allmählich besuchen auch Nachkommen der Einwanderer, die das Wirtschaftswunderland mit aufgebaut haben, deutsche Universitäten. Sie mischen sich in die Debatten um Menschen "mit Migrationshintergrund" ein, wie die korrekt sein wollende Formulierung lautet. Mark Terkessidis, Jahrgang 1966, plädiert für "Interkultur" und grenzt sich damit sowohl von "Multikulti" wie der Idee einer "Integration" ab. Die Vorstellung, dass "Fremde" sich in die deutsche Gesellschaft integrieren müssten, setze eine Norm voraus, die es nicht gibt. An vielen Beispielen zeigt er, dass diese Norm ein Konstrukt ist und der Realität längst widerspricht. Der Autor wechselt die Blickrichtung, er beschreibt, wie Kinder und Jugendliche in Institutionen, von Bürgermeistern oder Lehrern oft unbeabsichtigt erst zu Fremden gemacht werden.
Seine Diagnosen und Beispiele sind nicht sehr ermutigend. Terkessidis richtet seine Wünsche und Hoffnungen vor allem an staatliche Institutionen, sein "Programm Interkultur" skizziert eine Unternehmensberatung in Sachen "diversity-management" unter den speziellen deutschen Bedingungen.
Günther Maihold/Jörg Husar: Energie und Integration in Nord- und Südamerika
Verlag Barbara Budrich
Energie prägt die Politik, das weist der von Günther Maihold und Jörg Husar herausgegebene Band "Energie und Integration in Nord- und Südamerika" einmal mehr nach. US-Präsident Barack Obamas Hinwendung zu mehr erneuerbarer Energie stößt zwar bei Brasilien, dem weltweit größten Produzenten von Biosprit, auf positive Resonanz, doch Venezuelas Präsident Hugo Chávez, dessen Land über die größten fossilen Energiereserven Lateinamerikas verfügt, läuft dagegen Sturm. Chávez bindet vor allem kleinere Länder der beiden Amerikas an sich, indem er ihnen zu verbilligtem Öl verhilft.
Die Rückverstaatlichung der Gas- und Ölversorgung in Argentinien, Bolivien oder Venezuela führt nicht zu mehr energiepolitischer Integration, sondern hemmt diese, weil die Regierungen zu wenig in neue Förderfelder und Infrastruktur investieren: Sie zweigen ihre Energieeinnahmen für innenpolitische Zwecke ab. So werden Energiesicherheit und wirtschaftliches Wachstum langfristig aufs Spiel gesetzt. Das zeigen die gut recherchierten Beiträge, die immer auch die Ökologie im Blick haben, erschreckend deutlich.
Maike Albath: Der Geist von Turin. Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens nach 1943
Berenberg Verlag
Wer bei Turin an FIAT denkt, liegt richtig, hat aber längst nicht den Geist dieser Stadt erfasst. Es ist die Stadt des Barock, aber auch der Moderne, in der ein Großteil der italienischen Industrie zu hause ist. Und es ist die Stadt des Verlagshauses von Giulio Einaudi.
In den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts gegründet, also zu
Zeiten Mussolinis. Trotzdem konnten hier geistreiche und weltoffene Bücher erscheinen, die sich dem Druck durch die faschistische Macht widersetzten. Der Verlag und ihre Macher holten die verschiedenen Literaturen, ob die französische, russische oder amerikanische ins Land. Sie bestimmten maßgebend das geistige Klima vor und vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und sind bis heute nicht aus der literarischen Landschaft Italiens wegzudenken.
Literatur ist auch der Text der Kulturjournalistin, Literatur-Kritikerin und Lesart-Mitarbeiterin Maike Albath über den Verlag, über die Persönlichkeiten, die direkt oder indirekt mit dem Verlag in Beziehung standen. Wir erfahren viel über Turin, die Stadt und ihre Gesellschaft. Ein kleines Buch, das uns eine große Welt öffnet.
edition suhrkamp
Allmählich besuchen auch Nachkommen der Einwanderer, die das Wirtschaftswunderland mit aufgebaut haben, deutsche Universitäten. Sie mischen sich in die Debatten um Menschen "mit Migrationshintergrund" ein, wie die korrekt sein wollende Formulierung lautet. Mark Terkessidis, Jahrgang 1966, plädiert für "Interkultur" und grenzt sich damit sowohl von "Multikulti" wie der Idee einer "Integration" ab. Die Vorstellung, dass "Fremde" sich in die deutsche Gesellschaft integrieren müssten, setze eine Norm voraus, die es nicht gibt. An vielen Beispielen zeigt er, dass diese Norm ein Konstrukt ist und der Realität längst widerspricht. Der Autor wechselt die Blickrichtung, er beschreibt, wie Kinder und Jugendliche in Institutionen, von Bürgermeistern oder Lehrern oft unbeabsichtigt erst zu Fremden gemacht werden.
Seine Diagnosen und Beispiele sind nicht sehr ermutigend. Terkessidis richtet seine Wünsche und Hoffnungen vor allem an staatliche Institutionen, sein "Programm Interkultur" skizziert eine Unternehmensberatung in Sachen "diversity-management" unter den speziellen deutschen Bedingungen.
Günther Maihold/Jörg Husar: Energie und Integration in Nord- und Südamerika
Verlag Barbara Budrich
Energie prägt die Politik, das weist der von Günther Maihold und Jörg Husar herausgegebene Band "Energie und Integration in Nord- und Südamerika" einmal mehr nach. US-Präsident Barack Obamas Hinwendung zu mehr erneuerbarer Energie stößt zwar bei Brasilien, dem weltweit größten Produzenten von Biosprit, auf positive Resonanz, doch Venezuelas Präsident Hugo Chávez, dessen Land über die größten fossilen Energiereserven Lateinamerikas verfügt, läuft dagegen Sturm. Chávez bindet vor allem kleinere Länder der beiden Amerikas an sich, indem er ihnen zu verbilligtem Öl verhilft.
Die Rückverstaatlichung der Gas- und Ölversorgung in Argentinien, Bolivien oder Venezuela führt nicht zu mehr energiepolitischer Integration, sondern hemmt diese, weil die Regierungen zu wenig in neue Förderfelder und Infrastruktur investieren: Sie zweigen ihre Energieeinnahmen für innenpolitische Zwecke ab. So werden Energiesicherheit und wirtschaftliches Wachstum langfristig aufs Spiel gesetzt. Das zeigen die gut recherchierten Beiträge, die immer auch die Ökologie im Blick haben, erschreckend deutlich.
Maike Albath: Der Geist von Turin. Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens nach 1943
Berenberg Verlag
Wer bei Turin an FIAT denkt, liegt richtig, hat aber längst nicht den Geist dieser Stadt erfasst. Es ist die Stadt des Barock, aber auch der Moderne, in der ein Großteil der italienischen Industrie zu hause ist. Und es ist die Stadt des Verlagshauses von Giulio Einaudi.
In den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts gegründet, also zu
Zeiten Mussolinis. Trotzdem konnten hier geistreiche und weltoffene Bücher erscheinen, die sich dem Druck durch die faschistische Macht widersetzten. Der Verlag und ihre Macher holten die verschiedenen Literaturen, ob die französische, russische oder amerikanische ins Land. Sie bestimmten maßgebend das geistige Klima vor und vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und sind bis heute nicht aus der literarischen Landschaft Italiens wegzudenken.
Literatur ist auch der Text der Kulturjournalistin, Literatur-Kritikerin und Lesart-Mitarbeiterin Maike Albath über den Verlag, über die Persönlichkeiten, die direkt oder indirekt mit dem Verlag in Beziehung standen. Wir erfahren viel über Turin, die Stadt und ihre Gesellschaft. Ein kleines Buch, das uns eine große Welt öffnet.