Kurz und kritisch

17.10.2010
Michael Klonovsky argumentiert in "Lebenswerte", dass die eigenen Werte mit Nachdruck verteidigt werden müssen. Gerald A. Cohen fragt "Sozialismus - Warum nicht?" und Gabriel Chevallier berichtet in "Heldenangst" über Soldaten und ihre Gefühle.
Michael Klonovsky: Lebenswerte
Lichtschlag Verlag

Wenn es um Werte geht, die das Leben liebenswert machen, sei Duckmäuserei fehl am Platze, findet Michael Klonovsky. Die eigenen Werte müsse man mit Nachdruck verteidigen – wohl wissend, dass sie eine individuelle Sache darstellen. Was zum Beispiel versteckt sich hinter folgendem Satz: "Keine Partie des menschlichen Körpers existiert näher am Gottesbeweis." Ganz klar – der Autor ist ein Mann – die weibliche Brust. "Freilich", fährt er fort, "müsste man Gott für ein veritables Scheusal halten angesichts dessen, was er die Zeit mit diesem Wunderwerk veranstalten lässt." Klonovskys Texte sind sehr speziell: Wer sich am hohen Ton der ironischen Provokation nicht delektieren kann, ist für dieses Buch verloren. Denn seine Art, Lebenswerte zu statuieren, lässt festgefahrene Ideologen verwirrt zurück. Zumal Klonovsky den Selbstwiderspruch liebt. Bücher seien wertvoll, sagt er. Aber: "Wer Bücher liebt, muss Bücher wegschmeißen können." Dieses allerdings nicht. Nein, dieses nicht!

Gerald A. Cohen: Sozialismus – Warum nicht?
Knaus Verlag

"Meiner Meinung nach ist das Hauptproblem des sozialistischen Ideals, dass wir nicht wissen, mit welcher Maschinerie man es zum Laufen bringen könnte." Vor zehn Jahren betrachtete der inzwischen verstorbene Soziologe Gerald A. Cohen die Gesellschaft aus der Perspektive eines Zeltlagers. Ließ sich dessen altrui¬sti¬sches Modell nicht auf die Gesellschaft insgesamt übertragen? Cohen war zuversichtlich, doch - seine Gut-Böse-Schemata folgen den üblichen manichäischen Setzungen: "Jeder Markt ist ein räuberisches System", sagt er und lässt den Nutzwert täglicher Tauschvorgänge außer acht. So erweist sich der schmale Essay in Wahrheit als Bumerang: Er zeigt jedem denkenden Menschen die inneren Widersprüche sozialistischer Utopien auf, kurz, nachdrücklich und hoffentlich nachhaltig, denn Cohens Sprache ist an vielen Stellen verräterisch. Eines kritischen Nachwortes hätte das Büchlein gar nicht bedurft.

Gabriel Chevallier: Heldenangst
Aus dem Französischen von Stefan Glock
Nagel & Kimche


Gabriel Chevallier ist vielen Lesern bekannt als der Autor von "Clochemerle", einer Provinzgroteske, die im Beaujolais spielt und seit ihrem Erscheinen 1934 weltweit Furore machte. Der Autor war 19, als er in den Ersten Weltkrieg ziehen musste, den er als Infanterist an der Westfront überlebte. "Heldenangst" ist ein Roman, der auf diesen Erfahrungen fußt, aber er ist natürlich keine Reportage aus dem Schützengraben. In Frankreich wurde das Buch seiner Drastik wegen als skandalös empfunden. Doch der Skandal lag wohl eher im pazifistischen Grundton und im Verzicht auf nationales Tremolo. 1939 nahm man das Buch vom Markt, es passte auch in Frankreich nicht mehr zur Stimmung. Chevallier ergreift die Partei jener armen Frontschweine, die sich ganz und gar nicht heroisch fühlten, sondern bodenlose Angst hatten. Genau das ist die Stärke des Romans. Fremd mutet heute eher die ironische Distanz an, die das Buch durchzieht, und die leise Verachtung der Plebs, der ein Bürgersöhnchen im Krieg nunmal schlecht aus dem Weg gehen kann. Gewiss aber ist das Buch unverzichtbar und der Verlag sei gelobt dafür, dass er es jetzt auf Deutsch zugänglich gemacht hat.
Cover "Lebenswerte" von Michael Klonovsky
Cover "Lebenswerte" von Michael Klonovsky© Lichtschlag Verlag
Cover "Sozialismus – Warum nicht?" von Gerald A. Cohen
Cover "Sozialismus – Warum nicht?" von Gerald A. Cohen© Knaus Verlag
Cover "Heldenangst" von Gabriel Chevallier
Cover "Heldenangst" von Gabriel Chevallier© Nagel & Kimche