Kurz und kritisch
Christian Schwägerl zeigt in "Menschenzeit" neue Ansätze zum Thema Umweltschutz. In "Paula, du bist Laura" berichtet Analía Argento von Kindern, die in den Folterkellern der argentinischen Militärdiktatur zur Welt kamen und Barbara Ehrenreich fürchtet in "Smile or die" die globale Verdummung.
Christian Schwägerl: Menschenzeit. Zerstören oder gestalten? Die entscheidende Epoche unseres Planeten
Riemann Verlag, München 2010
Gutmenschen-Bücher über Umweltschutz sind in den vergangenen Jahren in Deutschland in großer Zahl erschienen. Das sorgt für eine gewisse Skepsis bei Neuerscheinungen, aber Christian Schwägerl zeigt, dass immer noch neue, interessante Ansätze möglich sind. Sein Buch bietet einen Überblick über die Geschichte der Menschheit, der weit über die üblichen dramatischen Untergangsszenarien hinausgeht. Der Mensch hat in seiner Geschichte beides parallel entwickelt: die Fähigkeit, den Planeten in seinem Streben nach Wohlstand und Komfort zu zerstören und das technologische Wissen, genau diesen drohenden Untergang zu verhindern. Erkennbar hat dabei die große Erschütterung der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise auch das Denken des Autors geprägt. Es ist erfrischend zu lesen, dass die gerade in Deutschland übliche Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit völlig fehlt. Technologie sieht Schwägerl im Gegenteil als die einzige Chance an, die der Mensch noch hat: Denn das Wissen ist vorhanden, um mit intelligenten Lebensweisen den Planeten zu retten. Beruhigend wirkt die Lektüre trotz dieses betont hoffnungsvollen Endes dennoch nicht.
Analía Argento: Paula, du bist Laura. Geraubte Kinder in Argentinien
Christoph Links Verlag, Berlin 2010
In den Folterkellern der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 kamen rund 500 Säuglinge zur Welt, die regimetreuen Familien zur Adoption übergeben wurden. Die Großmütter der Plaza de Mayo haben inzwischen einen Teil dieser Kinder ausfindig gemacht und mit ihren biologischen Familien zusammengebracht. Die argentinische Journalistin Analía Argento hat zwölf dieser Zwangsadoptierten über Jahre begleitet und beschreibt spannend deren höchst unterschiedliche, aber immer dramatischen Geschichten. Sie schildert den Umgang der heute Erwachsenen mit der neuen Identität, den Zwiespalt der Gefühle gegenüber ihren Adoptivfamilien, wenn diese sie liebevoll aufgezogen haben, und die nicht immer leichte Annäherung an die biologischen Verwandten. Dabei wird das Spannungsfeld zwischen dem Recht der Großeltern auf Aufklärung und dem der Zwangsadoptierten auf Selbstbestimmung deutlich. Ein lesenswertes Buch.
Barbara Ehrenreich: Smile or die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt
Antje Kunstmann Verlag, München 2010
"Kritische Geister: Dreht den Ton lauter!" ruft die Publizistin Barbara Ehrenreich. Sie fürchtet, dass das amerikanische Gebot, jede noch so niederschmetternde Nachricht mit einem Lächeln zu quittieren, über kurz oder lang die ganze Welt verdummen wird. Zwischen der gebieterischen Methode des positiven Denkens und existenziellem Mut liegen für Ehrenreich Welten. Sarkastisch schildert sie die Ideologie, die jede "negative Haltung" brandmarke und Menschen antreibe, die Realität zu leugnen. Ehrenreich belegt, wie das "positive Denken" eine Bewusstseinsindustrie nährte und die Volkswirtschaft sukzessive ruinierte. Amerika, seufzt die Autorin, ist das Land, in dem niemand eine Ausrede fürs Jammern hat, solange auch nur einer bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch reich werden kann. Wenn die Publizistin am Ende über die aus dem Lehrbuch des Stalinismus stammende "kollektive Pflicht zum Optimismus" sinniert, sind wir bereit, ihrem Plädoyer für einen defensiven Pessimismus zuzustimmen.
Riemann Verlag, München 2010
Gutmenschen-Bücher über Umweltschutz sind in den vergangenen Jahren in Deutschland in großer Zahl erschienen. Das sorgt für eine gewisse Skepsis bei Neuerscheinungen, aber Christian Schwägerl zeigt, dass immer noch neue, interessante Ansätze möglich sind. Sein Buch bietet einen Überblick über die Geschichte der Menschheit, der weit über die üblichen dramatischen Untergangsszenarien hinausgeht. Der Mensch hat in seiner Geschichte beides parallel entwickelt: die Fähigkeit, den Planeten in seinem Streben nach Wohlstand und Komfort zu zerstören und das technologische Wissen, genau diesen drohenden Untergang zu verhindern. Erkennbar hat dabei die große Erschütterung der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise auch das Denken des Autors geprägt. Es ist erfrischend zu lesen, dass die gerade in Deutschland übliche Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit völlig fehlt. Technologie sieht Schwägerl im Gegenteil als die einzige Chance an, die der Mensch noch hat: Denn das Wissen ist vorhanden, um mit intelligenten Lebensweisen den Planeten zu retten. Beruhigend wirkt die Lektüre trotz dieses betont hoffnungsvollen Endes dennoch nicht.
Analía Argento: Paula, du bist Laura. Geraubte Kinder in Argentinien
Christoph Links Verlag, Berlin 2010
In den Folterkellern der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 kamen rund 500 Säuglinge zur Welt, die regimetreuen Familien zur Adoption übergeben wurden. Die Großmütter der Plaza de Mayo haben inzwischen einen Teil dieser Kinder ausfindig gemacht und mit ihren biologischen Familien zusammengebracht. Die argentinische Journalistin Analía Argento hat zwölf dieser Zwangsadoptierten über Jahre begleitet und beschreibt spannend deren höchst unterschiedliche, aber immer dramatischen Geschichten. Sie schildert den Umgang der heute Erwachsenen mit der neuen Identität, den Zwiespalt der Gefühle gegenüber ihren Adoptivfamilien, wenn diese sie liebevoll aufgezogen haben, und die nicht immer leichte Annäherung an die biologischen Verwandten. Dabei wird das Spannungsfeld zwischen dem Recht der Großeltern auf Aufklärung und dem der Zwangsadoptierten auf Selbstbestimmung deutlich. Ein lesenswertes Buch.
Barbara Ehrenreich: Smile or die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt
Antje Kunstmann Verlag, München 2010
"Kritische Geister: Dreht den Ton lauter!" ruft die Publizistin Barbara Ehrenreich. Sie fürchtet, dass das amerikanische Gebot, jede noch so niederschmetternde Nachricht mit einem Lächeln zu quittieren, über kurz oder lang die ganze Welt verdummen wird. Zwischen der gebieterischen Methode des positiven Denkens und existenziellem Mut liegen für Ehrenreich Welten. Sarkastisch schildert sie die Ideologie, die jede "negative Haltung" brandmarke und Menschen antreibe, die Realität zu leugnen. Ehrenreich belegt, wie das "positive Denken" eine Bewusstseinsindustrie nährte und die Volkswirtschaft sukzessive ruinierte. Amerika, seufzt die Autorin, ist das Land, in dem niemand eine Ausrede fürs Jammern hat, solange auch nur einer bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch reich werden kann. Wenn die Publizistin am Ende über die aus dem Lehrbuch des Stalinismus stammende "kollektive Pflicht zum Optimismus" sinniert, sind wir bereit, ihrem Plädoyer für einen defensiven Pessimismus zuzustimmen.

Cover "Menschenzeit. Zerstören oder gestalten? Die entscheidende Epoche unseres Planeten“ von Christian Schwägerl© Riemann-Verlag

Cover: "Paula, du bist Laura. Geraubte Kinder in Argentinien“ von Analía Argento© Christoph Links Verlag

Cover "Smile or die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt“ von Barbara Ehrenreich© Antje Kunstmann Verlag