Kurz und kritisch
Sehr lohnend ist die Neu-Entdeckung des Essayisten Friedrich Georg Jünger, der schreckliche Überbauphänomene entlarvt. Auf die Foto-Sprache von Illustrierten in Ost und West blickt Karin Hartewig. Als Faksimile der Handschrift wird Heinrich Heines Beschäftigung mit "Französischen Zuständen" zum Schmuckstück.
"Die Perfektion der Technik" von Friedrich Georg Jünger
Neuauflage bei Klostermann
Noch einmal zu Ernst Jünger. Der hatte einen jüngeren Bruder, Friedrich Georg, Lyriker Erzähler und Essayist – und der ist zu Unrecht fast vergessen. Die Lektüre seines Buches über die Perfektion der Technik sei nicht nur jenen empfohlen, denen bereits aufgefallen ist, dass auch Naturschützer die Natur zerstören können oder dass etwas mit Julian Assange nicht stimmen könnte. Friedrich Georg Jünger entlarvt sowohl die Ideologien von Klasse und Rasse als auch die der Technik als reine Überbauphänomene, als Legitimationssysteme mit schrecklichem Sinn und gnadenlosem Verstand. Er war da nicht der erste, auch nicht der einzige. Max Horkheimer und Ludwig Klages, Günther Anders und Oswald Spengler sind hier Vorläufer und Mit-Denker. Der Wahn des aufklärerischen Totalitarismus liegt in seiner Hoffnung auf die Technik. Die Beziehung zwischen Mensch und Technik wird hier nicht nur dialektisch, sondern, schlimmer noch, konspirativ. Die Technik legitimiert sich als Handlanger des Menschen und verwandelt damit den Menschen zum Handlanger der Technik. Konkret gesagt: die schönen kleinen Apps, die jeder sich billig auf sein iPhone laden kann, verflechten den Nutzer in ein universales System kommerzieller, politischer, beliebiger Verwertung. Der Mensch wird zum "dot com".
Karin Hartewig: "Wir sind im Bilde. Eine Geschichte der Deutschen in Fotos vom Kriegsende bis zur Entspannungspolitik"
Leipziger Universitätsverlag
Manchmal verstehen wir die Welt besser, wenn wir zurückblicken: Dabei evoziert das Visuelle besonders eindrücklich vergangenen Zeitgeist. Die Göttinger Historikerin Karin Hartewig, Spezialistin auf dem Gebiet der Bildbetrachtung und -auswertung der DDR-Fotografie, hat ihren Radius erweitert und 30 Jahre deutsch-deutschen Lebens im Spiegel der Illustrierten untersucht. Aus einer Fülle von Material filterte sie rund 250 Bilder etwa aus Quick und Stern, aus der Wochenpost und der Berliner Illustrierten, die sich zu einem Panorama doch sehr unterschiedlicher Wahrnehmung fügen. Wobei klar wird, wie bald sich der Bildjournalismus in Ost und West ideologisch und inhaltlich auseinander bewegte – und welche Themen dennoch alle Deutschen bewegten. Interessant für die, die sich an jene Tage erinnern können. Und Nachgeborene dürften profitieren von dem ausgedehnten Blick auf einen manchmal antiquierten, manchmal aber erstaunlich modernen Darstellungsstil. Was uns bis heute trennt, aber auch verbindet – dies zu zeigen, gelingt der Autorin in ihrer fundierten Analyse.
"Französische Zustände", Urfassung von Heinrich Heine, Faksimile-Edition der Handschrift des Artikels IX
Mit einem Essay von Martin Walser, herausgegeben von Christian Liedtke
Hoffmann und Campe
"… wer dem Dichter, den er liebt, näher sein will, der liest die Handschrift mit einer natürlichen Neugier. Und freut sich, dass Wörter wie 'veruneinigen' oder 'Ureichelfraßfreyheit' handschriftlich so unauffällig dastehen …" Das sagt Martin Walser über Heinrich Heine und dessen Text "Französische Zustände". Daraus liegt jetzt die Urfassung eines bisher als verschollenen geltenden Artikels vom 25. Juni 1832 vor, in einer sehr gelungenen Faksimile-Edition der Handschrift. Heines Pariser Reportagen für die "Allgemeine Zeitung" waren eine publizistische Sensation und wurden von der Zensur bekämpft. Nicht nur Karl August Varnhagen sah in den Texten des Freundes mehr als Zeitungsartikel, nämlich "Meisterstücke der Beredsamkeit, des Witzes, der Lebensschilderung und der politischen Einwirkung". Hier beginnt die Geschichte des deutschen Feuilletons. Ein Schmuckstück.
Neuauflage bei Klostermann
Noch einmal zu Ernst Jünger. Der hatte einen jüngeren Bruder, Friedrich Georg, Lyriker Erzähler und Essayist – und der ist zu Unrecht fast vergessen. Die Lektüre seines Buches über die Perfektion der Technik sei nicht nur jenen empfohlen, denen bereits aufgefallen ist, dass auch Naturschützer die Natur zerstören können oder dass etwas mit Julian Assange nicht stimmen könnte. Friedrich Georg Jünger entlarvt sowohl die Ideologien von Klasse und Rasse als auch die der Technik als reine Überbauphänomene, als Legitimationssysteme mit schrecklichem Sinn und gnadenlosem Verstand. Er war da nicht der erste, auch nicht der einzige. Max Horkheimer und Ludwig Klages, Günther Anders und Oswald Spengler sind hier Vorläufer und Mit-Denker. Der Wahn des aufklärerischen Totalitarismus liegt in seiner Hoffnung auf die Technik. Die Beziehung zwischen Mensch und Technik wird hier nicht nur dialektisch, sondern, schlimmer noch, konspirativ. Die Technik legitimiert sich als Handlanger des Menschen und verwandelt damit den Menschen zum Handlanger der Technik. Konkret gesagt: die schönen kleinen Apps, die jeder sich billig auf sein iPhone laden kann, verflechten den Nutzer in ein universales System kommerzieller, politischer, beliebiger Verwertung. Der Mensch wird zum "dot com".
Karin Hartewig: "Wir sind im Bilde. Eine Geschichte der Deutschen in Fotos vom Kriegsende bis zur Entspannungspolitik"
Leipziger Universitätsverlag
Manchmal verstehen wir die Welt besser, wenn wir zurückblicken: Dabei evoziert das Visuelle besonders eindrücklich vergangenen Zeitgeist. Die Göttinger Historikerin Karin Hartewig, Spezialistin auf dem Gebiet der Bildbetrachtung und -auswertung der DDR-Fotografie, hat ihren Radius erweitert und 30 Jahre deutsch-deutschen Lebens im Spiegel der Illustrierten untersucht. Aus einer Fülle von Material filterte sie rund 250 Bilder etwa aus Quick und Stern, aus der Wochenpost und der Berliner Illustrierten, die sich zu einem Panorama doch sehr unterschiedlicher Wahrnehmung fügen. Wobei klar wird, wie bald sich der Bildjournalismus in Ost und West ideologisch und inhaltlich auseinander bewegte – und welche Themen dennoch alle Deutschen bewegten. Interessant für die, die sich an jene Tage erinnern können. Und Nachgeborene dürften profitieren von dem ausgedehnten Blick auf einen manchmal antiquierten, manchmal aber erstaunlich modernen Darstellungsstil. Was uns bis heute trennt, aber auch verbindet – dies zu zeigen, gelingt der Autorin in ihrer fundierten Analyse.
"Französische Zustände", Urfassung von Heinrich Heine, Faksimile-Edition der Handschrift des Artikels IX
Mit einem Essay von Martin Walser, herausgegeben von Christian Liedtke
Hoffmann und Campe
"… wer dem Dichter, den er liebt, näher sein will, der liest die Handschrift mit einer natürlichen Neugier. Und freut sich, dass Wörter wie 'veruneinigen' oder 'Ureichelfraßfreyheit' handschriftlich so unauffällig dastehen …" Das sagt Martin Walser über Heinrich Heine und dessen Text "Französische Zustände". Daraus liegt jetzt die Urfassung eines bisher als verschollenen geltenden Artikels vom 25. Juni 1832 vor, in einer sehr gelungenen Faksimile-Edition der Handschrift. Heines Pariser Reportagen für die "Allgemeine Zeitung" waren eine publizistische Sensation und wurden von der Zensur bekämpft. Nicht nur Karl August Varnhagen sah in den Texten des Freundes mehr als Zeitungsartikel, nämlich "Meisterstücke der Beredsamkeit, des Witzes, der Lebensschilderung und der politischen Einwirkung". Hier beginnt die Geschichte des deutschen Feuilletons. Ein Schmuckstück.