Kurz und kritisch

Malcolm Beith hat das Leben des mexikanischen Drogenbosses El Chapo nachgezeichnet. Marie Luise Knott nähert sich dem Paradigma der "Banalität des Bösen". Horvath entfaltet eine neue und erschreckende Sicht auf die deutsche Nachkriegsgeschichte.
Malcom Beith: "El Chapo. Die Jagd auf Mexikos mächtigsten Drogenbaron"
Heyne Verlag

Über 30.000 Opfer hat der Drogenkrieg seit 2006 in Mexiko gefordert. Einer der Hauptverantwortlichen ist der Chef des Sinaloa-Kartells, Joaquín Guzmán, genannt El Chapo. Der US-Journalist Malcolm Beith hat das Leben des Drogenhändlers nachgezeichnet, der dem Magazin ‚Forbes’ zufolge zu den reichsten Männern der Welt zählt. Sein Hauptabsatzgebiet sind die USA, doch längst beliefert El Chapo auch den europäischen Markt. Spannend wie ein Krimi, beschreibt das Buch, wie der heute 54jährige Bauernsohn und Analphabet aus dem Bundesstaat Sinaloa an Mexikos Westküste durch Massenmord und Intrigen systematisch seine Konkurrenten ausschaltete und mit Hilfe modernster Technik immer neue Wege für seine Drogen findet. Vor allem aber zeigt El Chapos Aufstieg, wie es der Drogenmafia gelungen ist, Mexikos Politik, Verwaltung, Polizei und Justiz zu korrumpieren und das gesellschaftliche Wertesystem auf den Kopf zu stellen. Der Anti-Drogenkampf in Mexiko ist längst verloren, meint der Autor.

Marie Luise Knott: "Verlernen. Denkwege bei Hannah Arendt"
mit Zeichnungen von Nanne Meyer, Matthes & Seitz

Hannah Arendt gehört zu jenen Denkern, denen von ihren Apologeten beinahe ebensoviel Unverständnis droht wie von ihren Kritikern. Das zeigt sich leider auch an ‚Verlernen. Denkwege bei Hannah Arendt’. Der Essayband von Marie Luise Knott hat zweifellos seine Stärken, insbesondere im Anhang, der anhand von sechs ausgewählten Passagen englischen und deutschen Urtext bei Arendt vergleichend gegenüberstellt. Doch wenn die Autorin sich dem Paradigma der "Banalität des Bösen" ausgerechnet mit den Topoi "kindliche Weisheit" und "burschikose Ironie" nähert; wenn sie dort, wo die brillante Phänomenologie von moderner Weltlosigkeit und Verbrechen in nuce beschlossen liegt, nur ein spöttisches Frauenlachen erkennen will, dann begeht sie einen traurigen Fehler: nämlich den, vom eigenen hermeneutischen Unvermögen auf die Abwesenheit von Hermeneutik bei Arendt selber zu schließen. Denn gerade an ‚Eichmann in Jerusalem’ ließe sich zeigen, welch große Philosophin Hannah Arendt war. Doch diese Chance vergibt die Literatin Knott. Als charmante Kolorierung der Arendt-Lektüre ist ‚Verlernen’ zwar allemal geeignet; tieferes Verständnis für die epochale Größe ihres Werkes darf man sich allerdings nicht davon erwarten.


Peter Horvath: "Die inszenierte Revolte. Hinter den Kulissen von 68"
Herbig Verlag

Über das Dritte Reich, das vor einem halben Jahrhundert zugrunde ging, weiß man unendlich mehr als über die DDR, die vor 20 Jahren verschwand – oder eben doch nicht verschwand und bis heute wirkungsmächtig geblieben ist. Vielleicht wird auch deswegen von unserem Staat gelegentlich als einer ‚DDR light’ gesprochen. Die Entdeckung, dass Karl-Heinz Kurras, das SED-Mitglied, den berühmten Benno Ohnesorg wahrscheinlich auf Befehl seiner DDR-Vorgesetzten erschoss, und dass die RAF in der DDR Unterschlupf, Geld und Waffen fand und dass Dutschke genau das verkündete und politisch umsetzte, was auch die DDR forderte, und dass Willy Brandt nur mit der einen von der DDR gekauften Stimme den Misstrauensantrag überstand, hat vielen zu denken gegeben. Dieses Denken nimmt Peter Horvath ernst. Er sammelt und deutet die Daten kühl, genau und gnadenlos. Horvath entfaltet eine neue und erschreckende Sicht auf die deutsche Nachkriegsgeschichte. Dabei lässt er den ominösen Herbert Wehner ganz und gar unerwähnt und auch den eigenartig plötzlichen Rücktritt von Hans-Dietrich Genscher. Wer keine Angst vor politischen Alpträumen hat wird hier gut bedient.
Cover: "Die inszenierte Revolte. Hinter den Kulissen von 68" von Peter Horvath
Cover: "Die inszenierte Revolte. Hinter den Kulissen von 68" von Peter Horvath© Herbig Verlag