Kurz und kritisch

Mit origineller Klugheit beschreibt der Philologe George Steiner in "Im Raum der Stille" die Verquickungen von menschlicher Grausamkeit und der Liebe zur Kunst. Einen universalen Zugang zur Kunstgeschichte bietet das Buch "Aby Warburg. Werke" und Robert Spaemann bearbeitet in seinen Buch "Im Raum der Stille" Themen wie Hirnforschung, Natur, Liebe.
Der Hamburger Kunsthistoriker Abraham Moritz Warburg trug leidenschaftlich und systematisch Bücher zu seiner berühmten ‚Kulturwissenschaftlichen Bibliothek’ zusammen. Er war berauscht von der Magie der Bilder.

Von Aby Warburg stammt die Fachdisziplin der Ikonologie, die er im großen Bogen von der Antike bis in die Neuzeit erforschte und die bis heute wirkt. In Warburgs Vorstellungswelt einzutauchen, ist interessanter denn je, und so kann man nun zu einer sehr guten Werkausgabe greifen - vorzüglich ediert und kommentiert, inclusive bisher unbekannter Texte. Sie zeigen die Geburt eines neuen, universalen Zugangs zur Kunstgeschichte.

Etwas lockerer, geradezu süffig, liest sich das gemeinsame Tagebuch einer Reise, die Warburg 1928/29 mit seiner Assistentin Gertrud Bing nach Italien unternahm.

Hier kommentieren nicht nur zwei Kunsthistoriker, sondern zwei mit der Seele Suchende und Entdeckende. Ihren Wegen folgt man gebannt und amüsiert. Die Ikone Warburg - auch als Cicerone ein Genuss.

Sigrid Weigel, Martin Treml und Perdita Ladwig (Hrsg.): "Aby Warburg. Werke"
Suhrkamp Verlag

Karen Michels: "Mit Bing in Rom, Neapel, Capri und Italien"
Corso Verlag


Noch ein Wegweiser: Cicerone ist der Literat und Philosoph George Steiner. Er führt durch die Reihen berühmter europäischer Intellektueller des 20. Jahrhunderts: Bertrand Russell und Bertolt Brecht, Cioran und Celan, Arthur Koestler und Karl Kraus, ein Fächer von 15 großen Namen, jeder ein Symbol. Wer verstehen will, welche geistigen Kräfte, welche Konflikte, welche Ideen jene Zeit bestimmt haben - und welche Menschen, findet bei Steiner Antworten. Die meisten Protagonisten sind Literaten im weitesten Sinne – auffällig ist: die Hälfte der vorgestellten Personen sind Juden, auch dies ein Hinweis auf die Bedeutung, die sie, besonders die deutschen Juden, für die Gestaltung der europäischen Moderne hatten.

Das Ganze liest sich schnell, unterhaltsam und doch anspruchsvoll - eine Mischung aus Politik, Kultur und Klatsch, Erwachsenenbildung auf höchstem Niveau. Nur eine kritische Anmerkung: der Titel ist recht abwegig. Hier geht es ja nicht um Stille, sondern um Sturm.

George Steiner: "Im Raum der Stille"
Suhrkamp Verlag


Spaemann und Walser sind 1927 geboren, Habermas und Enzensberger 1929. Das ist die Generation, die unser Selbstbild nach dem Zweiten Weltkrieg stark bestimmt hat. In diesem Kreis vertritt Robert Spaemann eine Minderheit: christlich und konservativ – vor allem das. Denn ihm war der Zeitgeist nie Maßstab für Wahrheit. Le dernier des Justes, könnte man sagen.

Das macht den Philosophen so besonders. Die Auswahl des zweiten Bandes seiner Reden und Aufsätze kreist um die Begriffe: Wahrheit und Schönheit. Es sind klassische Texte. Das heißt, sie beziehen ihre Argumente aus der Tiefe der philosophischen Tradition, und gerade damit können sie uns sagen, wer wir sind und wo wir sind. Damit ist Spaemann wohl der einzige noch lebende deutsche Denker, der die gesamte philosophische Tradition als sein Arbeitsfeld, als sein Arbeitsmaterial ausschöpft. Seine Themen sind aktuell – Hirnforschung, Natur, Liebe. Ein hoher intellektueller Anspruch und doch angenehm zu lesen – vor allem ohne einen Hauch von Agitation. Schade nur, dass dem Band kein Register gegönnt wurde.

Robert Spaemann: "Schritte über uns hinaus"
Verlag Klett-Cotta
Cover: "Aby Warburg. Werke"
Cover: "Aby Warburg"© Suhrkamp Verlag
Cover: "Mit Bing in Rom, Neapel, Capri und Italien"
Cover: "Mit Bing in Rom, Neapel, Capri und Italien"© Corso Verlag
Cover: "Im Raum der Stille"
Cover: "Im Raum der Stille"© Suhrkamp Verlag
Cover: "Schritte über uns hinaus"
Cover: "Schritte über uns hinaus"© Verlag Klett-Cotta
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