Andreas Müller: Kiffen und Kriminalität. Der Jugendrichter zieht Bilanz
Verlag Herder
256 Seiten, 19,99 Euro
Kiffer verurteilen - ein Fehler?
Der Jugendrichter Andreas Müller bezeichnet die deutsche Drogenpolitik als hirn- und sinnlos und fordert eine Legalisierung von Cannabis. Und der Gefängnispfarrer Rainer Dabrowski erzählt vom oft ernüchternden Knast-Alltag.
Cannabis ist eine Einstiegsdroge, die zu Psychosen führt, zu Abhängigkeit und langfristig in die Beschaffungskriminalität - so lauten gängige Vorurteile. Dementsprechend wurden in Deutschland Gesetze und Bestimmungen geschrieben. Als langjähriger Jugendrichter hat auch Andreas Müller immer wieder Kiffer verurteilt – und hält das für einen großen Fehler.
Die deutsche Drogenpolitik sei verfehlt und mache meist friedliche Kiffer zu Kriminellen. Warum diese Straflust, fragt Andreas Müller in seinem Buch "Kiffen und Kriminalität". Selbst hartgesottene Trinker dürften saufen, so viel sie wollten, und ihren Führerschein behalten, so lange sie sich nicht mit Alkohol unmittelbar am Steuer erwischen lassen. Kiffern aber drohe der Führerscheinentzug oder sogar ein Berufsverbot. Das könne doch nur ein großes Missverständnis sein, schreibt der Jugendrichter, und nennt diese Politik "hirn- und sinnlos".
Ein persönliches und politisches Buch
Der Jugendrichter hat dieses Buch mit dem Fachwissen seines gesamten Berufslebens geschrieben – und mit dem Zorn eines Mannes, der die deutsche Drogenpolitik für den Herointod seines Bruders verantwortlich macht. Das Buch ist persönlich, manchmal privat, aber immer politisch. Was er fordert, sind maßvolle, nachvollziehbare Regeln statt an Willkür grenzende, völlig unterschiedliche Bestimmungen der Bundesländer. "Wer die Vernunft walten lässt", schreibt der Jurist, "kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine Legalisierung in möglichst naher Zukunft unumgänglich ist."
"Wir mussten in unserer Arbeit vieles sein", schreibt Rainer Dabrowski: "Vom Seelsorger bis hin zum Sexualtherapeuten, Weihnachtsmann oder auch der Übervater". Wer das Buch des langjährigen Gefängnispfarrers liest – "Verknackt, vergittert, vergessen" –, erfährt eine Menge aus dem Alltag des evangelischen Seelsorgers. Wie er helfen will, ausgenutzt wird, weiterhilft und dann doch Gutes erreicht, gelegentlich zumindest; wie er feststellen muss, dass Frust die Menschen gefährlich macht – für sich selbst und für andere, auch für ihn, den wohlmeinenden Pfarrer.
Eine lohnende Lektüre
Rainer Dabrowski war 23 Jahre lang in Berlin Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt Tegel, Deutschlands größtem geschlossenen Gefängnis. Leider liebt Dabrowski seine Geschichten und Anekdötchen, weniger davon hätte diesem Buch gut getan. Sei's drum. Die teils eitle Plauderei lässt sich getrost überblättern – und die ungewohnten Einblicke in den Gefängnisalltag sowie die harte Bilanz am Ende des langen Berufslebens machen das Buch zu einer lohnenden Lektüre.
Rainer Dabrowski: Verknackt, vergittert, vergessen. Ein Gefängnispfarrer erzählt
Gütersloher Verlagshaus
224 Seiten, 17,99 Euro