Kurz und kritisch
Wolfram Siemann setzt sich in "Metternich" mit der Rolle des österreichischen Staatskanzlers auseinander. In "Folgen einer Flucht" von Renate Kreibich geht es um eine "Spionage-Affäre". Jürgen Osterhammels Buch "Die Entzauberung Asiens" dreht sich um den Kontinent im Spiegel der europäischen Aufklärung.
Wolfram Siemann: Metternich. Staatsmann zwischen Restauration und Moderne
Verlag C. H. Beck
Der Historiker Wolfram Siemann von der Universität München möchte gern den schlecht beleumundeten österreichischen Staatskanzler Clemens Wenzel Fürst von Metternich in ein neues Licht rücken. Das ist schon deshalb begrüßenswert, weil deutsche Geschichtsschreibung in den letzten Jahren allzu oft die österreichisch-ungarische Monarchie vergaß. Der Autor stellt Fragen nach Beweggründen und Handlungsspielräumen des Kanzlers. Auf 125 Seiten kann dies naturgemäß nur eingeschränkt gelingen, aber unsere Neugier wird geweckt, weil hier Metternich, der "Kutscher Europas", der den Karren eben nicht allein gelenkt hat, in sein Umfeld gestellt wird. Die Karlsbader Beschlüsse und alle folgenden Verträge schränkten die bereits errungenen Freiheiten – der Presse, der Lehre, der bürgerlichen Freiheiten – wieder ein. Sie entsprangen der Angst vor Revolution und der ‚Erkenntnis, den Ereignissen ausgeliefert zu sein’. Der Verfasser will nicht den Baumeister eines reaktionären Europas rehabilitieren, sondern genauer hinzuschauen und die europäischen Zusammenhänge differenziert beleuchten.
Renate Kreibich: Folgen einer Flucht. Leben im Zwielicht des Kalten Krieges
wjs Verlag.
Rolf Kreibich war 1969, mit 30 Jahren, zum jüngsten Universitätspräsidenten gewählt worden. An der Freien Universität Berlin stand er im Zentrum zunehmender Polarisierung. Kreibich galt als linksgerichteter, freiheitlicher Sozialdemokrat, er war Mitglied der SPD. Im Sommer 1980 wollte er in den Deutschen Bundestag einziehen. Doch dann gab es plötzlich aufsehenerregende Schlagzeilen. Der Staatsschutz führte bei den Kreibichs eine Hausdurchsuchung durch - der Verdacht: "Spionage für eine fremde Macht" im Zusammenhang mit Fluchthilfe. Die Ehefrau Renate Kreibich hat nun, 30 Jahre danach, einen Betroffenheitsbericht vorgelegt. Sie fragt nach "den tatsächlichen Motiven der Denunzianten und möglicher Hintermänner". Herausgekommen ist ein enttäuschendes Buch. Es ist nicht nur redundant und umständlich formuliert; es liefert auch keine Antworten auf die Fragen, die gestellt wurden. Rolf Kreibichs Bundestagskandidatur scheiterte damals, sicher auch dank der spektakulären Inszenierung in der Öffentlichkeit. Die Strippenzieher hatten ihr Ziel erreicht. Aber ihre Namen kennen wir auch nach der Lektüre dieses Buch nicht.
Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert
Beck’sche Reihe
Dieser Autor ist bekannt durch seine fulminanten Werke, zuletzt ‚Die Verwandlung der Welt’: Jürgen Osterhammel, Historiker und Leibniz-Preisträger, ist schon seit langem daran gelegen, die europäische Sicht auf andere Kontinente vom ethnozentrischen Blick befreien. Auch in einem seiner früheren Bücher versuchte der an der Universität Konstanz lehrende Autor, die gegenwärtige Stellung Europas zu bestimmen. Er bediente sich dazu eines breiten Spektrums von Autoren, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Asien befassten oder es bereisten – mehrere hundert Titel hat er dazu analysiert, um uns vor Augen zu führen, wie das Bild der Europäer von jener fernen Welt zustande kam. Er instrumentalisiert die Vergangenheit, um die heutige Sicht auf fremde Kulturkreise zu überprüfen. Osterhammels Buch ist jetzt, aktualisiert durch ein Nachwort des Verfassers, in einer schönen Taschenbuch-Ausgabe erhältlich – und es besticht wie einst. Man möchte mit dem Lesen gar nicht aufhören.
Verlag C. H. Beck
Der Historiker Wolfram Siemann von der Universität München möchte gern den schlecht beleumundeten österreichischen Staatskanzler Clemens Wenzel Fürst von Metternich in ein neues Licht rücken. Das ist schon deshalb begrüßenswert, weil deutsche Geschichtsschreibung in den letzten Jahren allzu oft die österreichisch-ungarische Monarchie vergaß. Der Autor stellt Fragen nach Beweggründen und Handlungsspielräumen des Kanzlers. Auf 125 Seiten kann dies naturgemäß nur eingeschränkt gelingen, aber unsere Neugier wird geweckt, weil hier Metternich, der "Kutscher Europas", der den Karren eben nicht allein gelenkt hat, in sein Umfeld gestellt wird. Die Karlsbader Beschlüsse und alle folgenden Verträge schränkten die bereits errungenen Freiheiten – der Presse, der Lehre, der bürgerlichen Freiheiten – wieder ein. Sie entsprangen der Angst vor Revolution und der ‚Erkenntnis, den Ereignissen ausgeliefert zu sein’. Der Verfasser will nicht den Baumeister eines reaktionären Europas rehabilitieren, sondern genauer hinzuschauen und die europäischen Zusammenhänge differenziert beleuchten.
Renate Kreibich: Folgen einer Flucht. Leben im Zwielicht des Kalten Krieges
wjs Verlag.
Rolf Kreibich war 1969, mit 30 Jahren, zum jüngsten Universitätspräsidenten gewählt worden. An der Freien Universität Berlin stand er im Zentrum zunehmender Polarisierung. Kreibich galt als linksgerichteter, freiheitlicher Sozialdemokrat, er war Mitglied der SPD. Im Sommer 1980 wollte er in den Deutschen Bundestag einziehen. Doch dann gab es plötzlich aufsehenerregende Schlagzeilen. Der Staatsschutz führte bei den Kreibichs eine Hausdurchsuchung durch - der Verdacht: "Spionage für eine fremde Macht" im Zusammenhang mit Fluchthilfe. Die Ehefrau Renate Kreibich hat nun, 30 Jahre danach, einen Betroffenheitsbericht vorgelegt. Sie fragt nach "den tatsächlichen Motiven der Denunzianten und möglicher Hintermänner". Herausgekommen ist ein enttäuschendes Buch. Es ist nicht nur redundant und umständlich formuliert; es liefert auch keine Antworten auf die Fragen, die gestellt wurden. Rolf Kreibichs Bundestagskandidatur scheiterte damals, sicher auch dank der spektakulären Inszenierung in der Öffentlichkeit. Die Strippenzieher hatten ihr Ziel erreicht. Aber ihre Namen kennen wir auch nach der Lektüre dieses Buch nicht.
Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert
Beck’sche Reihe
Dieser Autor ist bekannt durch seine fulminanten Werke, zuletzt ‚Die Verwandlung der Welt’: Jürgen Osterhammel, Historiker und Leibniz-Preisträger, ist schon seit langem daran gelegen, die europäische Sicht auf andere Kontinente vom ethnozentrischen Blick befreien. Auch in einem seiner früheren Bücher versuchte der an der Universität Konstanz lehrende Autor, die gegenwärtige Stellung Europas zu bestimmen. Er bediente sich dazu eines breiten Spektrums von Autoren, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Asien befassten oder es bereisten – mehrere hundert Titel hat er dazu analysiert, um uns vor Augen zu führen, wie das Bild der Europäer von jener fernen Welt zustande kam. Er instrumentalisiert die Vergangenheit, um die heutige Sicht auf fremde Kulturkreise zu überprüfen. Osterhammels Buch ist jetzt, aktualisiert durch ein Nachwort des Verfassers, in einer schönen Taschenbuch-Ausgabe erhältlich – und es besticht wie einst. Man möchte mit dem Lesen gar nicht aufhören.