"Kurzfilme sind oft spannender und radikaler"

Moderation: Ralf Müller |
Am Dienstagabend ist das 18. Internationale Kurzfilmfestival Dresden von der sächsischen Kulturministerin Barbara Ludwig eröffnet worden. Insgesamt bewerben sich 73 Beiträge um die Trophäe des Goldenen Reiters im Wettbewerb, über 200 Filme sind bis Sonntag im Programm zu sehen. Festivalleiter Robin Mallick glaubt, dass Kurzfilme oft radikaler und spannender seien als lange Spielfilme.
Ralf Müller: Dresden steht ab Dienstag wieder ganz im Zeichen des europäischen Kurzfilms. Die sächsische Kulturministerin Barbara Ludwig hat am Abend das 18. Kurzfilmfestival Dresden eröffnet. Mit 60.000 Euro Preisgeld ist es das höchstdotierte Festival seiner Art in Europa. Insgesamt bewerben sich in diesem Jahr 72 Beiträge um die Trophäe des Goldenen Reiters. Ich begrüße Robin Mallick, er ist der Leiter des Festivals. Herr Mallick, warum braucht der Kurzfilm eigentlich ein eigenes Festival? Praktisch alle großen Filmfestivals haben doch auch eine Kurzfilmabteilung.

Robin Mallick: Das stimmt natürlich, aber bei den großen Filmfestivals sind die Kurzfilme natürlich immer nur in der zweiten Reihe und bei uns spielt der Kurzfilm die Hauptrolle und wir wollen natürlich alles das, was es in Deutschland, Europa und weltweit an Nachwuchs gibt, entdecken und da die Zuschauer auch ein großes Interesse haben, machen wir einfach ein Kurzfilmfestival.

Müller: Worin besteht eigentlich der Hauptunterschied zwischen Kurz- und Spielfilm?

Mallick: Eigentlich, banalerweise in der Länge. Kurzfilme haben kurz zu sein. Ob 30 Sekunden oder 30 Minuten, sie müssen sich kurz fassen. Und es sind oft die jungen Filmemacher, die sich auf die kurzen Formate konzentrieren und später dann entdeckt werden und sich dann vielleicht ein bisschen mehr dem Mainstream anpassen. Also oft sind Kurzfilme spannender und radikaler.

Müller: Wie lang darf denn ein Kurzfilm maximal sein?

Mallick: Also das kann jeder selbst entscheiden. Wir sagen 30 Minuten. Viele andere auch. Man könnte aber genauso 20 oder 40 Minuten festlegen. Man muss einfach das Gefühl haben, dass es ein kurzer Film ist.

Müller: Wie haben Sie die Filme für den Wettbewerb ausgesucht? Es gab ja, soviel ich weiß um die 1800 Einsendungen.

Mallick: Das ist richtig. Also wir versuchen einfach die spannendsten, unkonventionellsten und auch vielleicht neuartigsten Filme auszuwählen. Etwas, wo wir uns denken, das hat noch niemand gesehen, es ist berührend und aufregend. Ansonsten muss man natürlich die Vielfalt beachten, dass ein japanischer Film anders sein kann, als ein litauischer oder ein neuseeländischer Film. Das macht ein bisschen die Spannung der Vielfalt aus.

Müller: Kriegen Sie denn tatsächlich Bewerbungen aus der ganzen Welt mittlerweile in Dresden?

Mallick: Ja, wir hatten schon Bewerbungen aus aller Welt, aber natürlich muss ich ehrlich sagen, dass wir mehr Filme aus Europa bekommen als zum Beispiel aus Afrika. Wir versuchen zwar, das ein bisschen auszubalancieren, aber das ist schon ein bisschen schwierig, weil die Strukturen natürlich auch im Filmbereich sehr unterschiedlich sind.

Müller: Wie groß ist denn das Spektrum der Bewerber? Haben Sie da so einen Einblick, wer dreht Kurzfilme, wo kommen die Leute her?

Mallick: Also in Europa sind es vor allen Dingen junge Filmemacher. In Deutschland ganz klassischerweise an den Filmhochschulen. Auch als Visitenkarte. Während in anderen Ländern, ob es nun Frankreich ist oder in anderen Kontinenten, auch der Kurzfilm als eine eigene Gattung gilt. Ob ich nun 20 oder 80 Jahre alt bin, kann der Kurzfilm auch einfach als das Medium gelten, das ein Filmemacher nutzen möchte, und nicht nur als ein Sprungbrett.

Müller: Hat das auch damit zu tun, dass man bei uns praktisch, wenn es denn keine Vorfilme sind, Kurzfilme im Kino überhaupt nicht zu sehen bekommt?

Mallick: Das ist sicherlich ein schwieriger Punkt, aber es geht insofern aufwärts, weil sie im Kino, sei es in den Sonderreihen, Open Air, Kurzfilmrollen, deutscher Kurzfilmpreis, hat sich da viel getan in den letzten Jahren. Im Fernsehen gibt es auch Möglichkeiten und ich glaube, dass der Kurzfilm gerade in Deutschland wieder entdeckt wird, denn es gibt vor allem in Deutschland viele, viele Talente, die ja auch im Ausland, bei Festivals, bei den Oscars große Erfolge feiern.

Müller: Gibt es denn thematisch in diesem Jahr einen bestimmten Schwerpunkt, bei den Filmen, die sie zeigen.

Mallick: Also es fällt schon etwas auf, dass so die gesellschaftlichen Punkte, sei es nun der Generationskonflikt oder -herausforderung , Arbeitslosigkeit, alles das, was die Menschen wirklich im Alltag berührt, auch in den Filmen etwas Einzug hat und wir etwas weniger Komödien haben, als wir das vielleicht vor ein paar Jahren im Wettbewerb hatten.

Müller: Gibt es denn immer noch den Trend zum Digitalen? Also vor ein paar Jahren war ja mal die Rede, dass der Film als Trägermedium irgendwann ganz verschwunden sei würde und irgendwann alle nur noch mit digitalen Handkameras filmen werden. Beim Kurzfilm war das ja besonders deutlich zu spüren. Wie ist das in diesem Jahr?

Mallick: Bei uns eigentlich nicht. Wir haben erstaunlicherweise ganz viele Filme, die auch weiterhin auf Film, also auf 35 mm gedreht werden und anhaltend wenige Filme digital. Das mag sich schon noch ändern. Nur in den letzten Jahren hat sich das nicht dramatisch verändert bei den Filmen, die wir im Festival ausgewählt haben.

Müller: Insgesamt sind bis zum Sonntag, bis zum 23. April, mehr als 200 Filme zu sehen. Gibt es da welche, auf die sie sich besonders freuen?

Mallick: Ich muss gestehen, dass ich in früheren Jahren immer getippt habe, welcher Film denn gewinnen würde. Ich lag immer total daneben. Deswegen habe ich mich, um da Frustrationen vorzubeugen, etwas zurückgehalten. Es gibt ein paar Filme aus Island, aus Japan, auf die ich ganz besonders gespannt bin, aber ich hoffe, dass vor allen Dingen die Reibungsfläche zwischen den total unterschiedlichen Filmen das Publikum etwas in Atem halten wird.

Müller: Und die deutschen Filme?

Mallick: Die deutschen Filme müssen sich überhaupt nicht verstecken, wir haben, glaube ich, ganz hervorragende Beispiele! Ob sie nun schon an anderer Stelle erfolgreich gelaufen sind wie bei der Berlinale oder zum allerersten Mal auf der Leinwand sind. Ich glaube, da gibt es sowohl im Animationsfilm als auch im Spielfilm ganz spannende Juwelen zu sehen.

Müller: In diesem Jahr engagiert sich ja erstmals der Fernsehsender "arte" beim Dresdner Filmfest mit einem eigenen Kurzfilmpreis. Wie wichtig ist das Fernsehen für den Kurzfilm?

Mallick: Ich denke das Fernsehen ist sehr wichtig, weil für Filmemacher gibt es neben Festivals und zum Teil Kino eigentlich das Fernsehen hauptsächlich wie arte, 3Sat zum Beispiel und ich freue mich, dass wir diese Lücke schließen können, dass arte einen Preis stiftet, der das Programm bereichert und für die Filmemacher auch noch eine Chance darstellt.

Müller: Weil ich glaube, dieser Film dann auch noch gezeigt wird auf arte, so viel steht fest.

Mallick: Richtig. Der Preis besteht darin, dass eine Summe in der Höhe von 6.000 Euro bereit steht um die Ausstrahlung zu bezahlen und das freut mich, dass wir dieses Modul, was wir bisher im Festival nicht bieten konnten, einfach auch mit dabei haben.

Müller: Wie viele Besucher wünschen Sie sich denn in den nächsten Tagen?

Mallick: Ja, natürlich an sich immer ein bisschen mehr. Letztes Jahr hatten wir 20.500 und ich bin sehr gespannt. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass die Besucher wieder kommen. Aber natürlich wünsche ich mir, dass wir noch ein paar mehr Zuschauer haben werden.

Müller: Sind das auch immer die jüngeren Kinogänger, die zu Ihnen kommen?

Mallick: Bisher schon. Das liegt natürlich auch daran, dass immer noch einige denken, Kurzfilm ist nur was entweder für intellektuelle Leute oder nichts für reifere Menschen. Das stimmt natürlich überhaupt gar nicht und das ist auch ein Teil unserer Mission zu zeigen, dass Kurzfilme genauso unterhaltsam und genauso irrwitzig, aufregend und anderweitig spannend sein können, wie lange Spielfilme und ich hoffe, dass wir da dieses Jahr wieder ein Stückchen voran kommen.