Kurzgeschichten

Grandioses Debüt

Über dem Copacabana-Strand in Rio de Janeiro ist Feuerwerk zu sehen.
Kann man Raketen angeln? Karen Köhlers Kurzgeschichten strotzen vor literarischem Erfindungsgeist. © picture alliance / dpa / Andre Lobo / Riotur / Handout
Von Verena Auffermann |
Ein Band voller Erzählungen, die es in sich haben. In ihrem grandiosen Debüt schreibt Karen Köhler über Dinge wie den Tod mit unglaublicher Leichtigkeit und höchster Tragik - so etwas liest man selten.
Da ist ein erzählerisches Debüt voller Überraschungen gelungen. Denn selten finden Frische und unmittelbarer Elan, Ideenreichtum, tiefer Ernst und literarischer Erfindungsgeist so gekonnt zusammen. Die vierzigjährige Karen Köhler hat mit dem Erzählungsband "Wir haben Raketen geangelt" einen Einblick in ihr Universum gegeben.
Mit den ersten Sätzen: "Keiner da. Das ist gut. Ich ziehe mir die Perücke vom Kopf..." zielt sie ins Zentrum ihrer Geschichte. Das Lebensbedrohende (eine schwere Krebserkrankung), ist angesprochen. Der Leser befindet sich sofort am Schauplatz. So ist das auch bei den Texten über den Unfalltod eines Freundes, oder der Geschichte vom Diebstahl eines Rucksacks während einer Reise durch ein amerikanisches Wüstenreservat. Die siebzehn Postkartengrüße, geschickt von den Stationen einer Reise durch Italien sind bei genauem Lesen Notizen größten Liebeskummers.
Keine großen Worte nötig
Auf den ersten Blick scheint alles leicht und amüsant. "Ich bin ohne alles. Ich bin frei. Ich habe nur noch mich, ein Cap und eine Plastiksonnenbrille. Von mir fällt etwas ab..." Nichts mehr zu haben, bedeutet aber auch, am Rand der Existenz zu stehen und vor einer großen Leere. Es geht in diesem Erzählungsband um das Unterwegssein zwischen Diesseits und Jenseits.
Die Protagonistin ist die Alleinreisende in der Welt, vom Krankenzimmer in die Krankenhaus-Caféteria, von Pompeji bis Amerika. Die Ich-Erzählerin begegnet Indianern und wilden Tieren, sie ist bereit, ihre eigenen Vorurteile zu überwinden und setzt sich bis zum Äußersten dem Alleinsein aus.
Nie benutzt Karen Köhler große Worte. Das Ungeheuerliche bekommt in ihren Texten ein gelassenes, keinesfalls beschönigendes Format. Das Ungeheure ist der Tod. Ein Text beschreibt die letzten Tage auf einem Hochsitz. Ringsum Natur, das Geräusch der fallenden Eicheln auf das Hochsitzdach, die Augen der Rehe, das Tuscheln der Blätter. Sätze wie: "Ich finde den Eingang zur Wirklichkeit heute nicht" genügen der Erzählerin, um die innere Stimmung abzubilden. Von existentiellen Situationen zu sprechen ist eine Kunst. Karen Köhler kann das in einer selten gelesenen Balance zwischen Leichtigkeit und höchster Tragik.

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt
Hanser Verlag 2014
240 Seiten, 19,90 Euro