Kurzgeschichten vom König der Justiz-Thriller

Von Verena Herb |
Rund zwei Dutzend Romane hat er geschrieben - nun veröffentlicht John Grisham zum ersten Mal Kurzgeschichten in einem Band. Es sind Texte, die zum Teil als Romananfang gedacht waren, aber der Stoff gab keinen Roman her. Heute stellte Grisham sein neues Buch "Das Gesetz" beim Harbour Front Festival in Hamburg vor.
"Once you sell a lot of books, you never get taken seriously as a literary artist – by the critics. I don’t wanna be taken seriously by as a literary artist by those critics…"

Wenn man einmal viele Bücher verkauft hat, wird man von den Kritikern als Autor nicht ernst genommen, und das wolle er auch gar nicht – sagt John Grisham. Er schreibt keine "hochliterarischen" Texte –

"What I aspire to do, what I try to do is to write a high quality of popular fiction and there´s a lot of junk out there. There´s a lot of bad stuff… I wanna write good stuff for a lot of people to be entertained."

Gute, populäre Fiktion, das ist sein Ziel, um möglichst viele Leute zu unterhalten, sagt der Autor. Und das scheint zu funktionieren, wenn man sich die Verkaufszahlen seiner nunmehr zwei Dutzend Bücher anschaut, die der Mann aus dem amerikanischen Süden veröffentlicht hat. Er gilt als populärster Autor der USA – über 250 Millionen Grisham-Bücher wurden bisher gedruckt und in 45 Sprachen übersetzt. Sein neuestes ist vor wenigen Tagen in Deutschland erschienen: "Das Gesetz".

"Es ist das erste Mal, dass ich Kurzgeschichten veröffentlicht habe. Und wir waren uns nicht sicher, wie die Kurzgeschichten außerhalb der USA aufgenommen werden. Dort gibt es eine lange Tradition der Short Stories, anders als in Europa."

Und so lässt sich Grisham auf das Experiment ein. Sieben Kurzgeschichten in einem Buch – jetzt präsentiert er sie auch in Deutschland. Zum ersten Mal ist er hier, liest am Abend aus "Dem Gesetz" im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals, das in den kommenden zwei Wochen in Hamburg stattfinden wird.

"Ich wollte wirklich kommen – wegen des tollen Wetters. Wir hatten in Virginia einen heißen und trockenen Sommer. Als ich in den letzten Tagen das Wetter für Hamburg gecheckt habe, waren 13 Grad, Regen und Nebel angesagt. Wunderbar. Ich brauchte ne Pause."

John Grisham genießt den Presserummel nicht, er hält ihn aus: Man merkt, Kameras, Fotografen, Mikrofone – er weiß, sie gehören zu seinem Job, also fügt er sich. Er gibt sich sympathisch, antwortet bereitwillig auf die Fragen und gibt sich gleichzeitig recht distanziert.

Grisham bleibt nicht lange in Deutschland – morgen steht noch München auf dem Programm, dann geht es zurück nach Amerika. Entsprechend eng getaktet sein Terminplan. Rund eine Stunde bleibt Zeit, um den Mann zu treffen, der "Die Firma", "Die Akte" oder "Die Jury" geschrieben hat. Allesamt Bestseller, allesamt verfilmt. Und alle haben eines gemeinsam: Jedes Grisham-Buch handelt von der Justiz, von Anwälten und ihren Klienten. "Das Gesetz" ist etwas anders: Es sei sein persönlichstes Buch, sagt der 55-Jährige, der als Sohn eines Bauarbeiters und einer Hausfrau in Arkansas geboren wurde.

"Es ist so persönlich, weil ich darüber schreibe, wo ich herkomme. Und ich schreibe über die Leute, die ich kannte und immer noch kenne in kleinen Städten im tiefen Süden ..."

Im Süden der USA spielt auch "Das Gesetz" – in der Kleinstadt Clanton, im District Ford County im Bundesstaat Mississippi.

"Ford County ist der fiktionale Ort, in dem auch schon a 'Time to Kill', mein erstes Buch – im Deutschen hieß es 'Die Jury' – und andere Romane gespielt haben."

Die Protagonisten in seinem neuen Buch sind gewöhnliche Leute. Im Mittelpunkt steht ihre Geschichte.

"Die Leute sind alle Fiktion. Aber das sind die Leute, die ich kenne aus den kleinen Orten in Mississippi. Die Anwälte, ihre Klienten, die Kriminellen, die Guten und die Bösen."

Da sind zum Beispiel die drei Landeier, die in der Großstadt Memphis statt zum Blutspenden im Krankenhaus statt dessen in der erstbesten Striptease-Bar landen – oder die Familie mit dem schwerstbehinderten Sohn. Sie verlieren einen Prozess um Schadensersatz nach einem ärztlichen Behandlungsfehler und wollen sich nun am damaligen Strafverteidiger rächen...

"Einige dieser Geschichten sind schon 20 Jahre alt. Sie alle haben als ein möglicher Roman angefangen. Autoren sammeln eine Menge Ideen – ich habe einen ganzen Ordner davon auf meinem Computer. Und als ich angefangen habe zu schreiben merkte ich, die Ideen reichen nicht für einen Roman. So wurden sie zu kurzen Geschichten."

Dass Grisham der König der Justiz-Thriller ist, ist kein Zufall. Er arbeitete selbst zehn Jahre als Anwalt in einem kleinen Provinznest im Süden der Staaten. Mit 36 Jahren schreibt er seinen ersten Roman – "Time to kill" hieß der. Er war ein Flop. Damals. Später wird er verfilmt, in Deutschland mit dem Titel "Die Jury". Nach dem Flop schreibt er sein zweites Buch – "The Firm" – "Die Firma". Auch hier geben sich die Verlage in New York anfangs zurückhaltend, anders jedoch die großen Filmstudios in Hollywood. Sie werden auf Grisham aufmerksam, kaufen die Filmrechte für die Firma und bald darauf kommt das Buch auf die Bestsellerliste der New York Times.

"Das alles passierte über Nacht. Und auf einmal konnte ich meinen Job als Anwalt aufgeben und konnte Vollzeit schreiben. Das war mein Traum. Und immer noch bin ich sehr glücklich, dass ich das machen kann."
Ein Buch pro Jahr ist die Frequenz, in der Grisham seine Werke abliefert. Sein Tag verläuft nach einem gewissen Ritual: Geschrieben wird meist zwischen 6 und 11 Uhr morgens. Im Oktober erscheint Grishams nächster Roman, erst einmal in den USA. Der Titel: "The Confession". "Das Geständnis".
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