Kurzkritiken

"Araber, ist das ansteckend?"

Tawfeek Barhom als Eyad in "Mein Herz tanzt"
Tawfeek Barhom als Eyad in "Mein Herz tanzt" © dpa / picture alliance / Eitan Riklis
Von Noemi Schneider · 16.05.2015
In unserer Kino-Rubrik "Vorgespult" geht es heute um die sexuelle Selbstbestimmung einer geistig Behinderten, um den deutschen Herbst aus französischer Sicht und einen jungen Araber, der in der israelischen Gesellschaft Fuß fassen will.
Nachdem Kristin eigenmächtig die beruhigenden Medikamente ihrer geistig beeinträchtigten Tochter absetzt, beginnt die 18-jährige Dora ihre Sexualität zu entdecken. Bei der Arbeit begegnet sie einem attraktiven Fremden und verfolgt ihn. Auf einer U-Bahn Toilette kommt es zum mehr oder weniger unfreiwilligen Geschlechtsverkehr.
Mit wachsender Sorge beobachten die Eltern Doras freizügigen und sorglosen Umgang mit ihrer Sexualität, denn Dora trifft sich weiterhin mit dem zweifelhaften Fremden in einem Hotelzimmer.
Stina Werenfels Film "Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern", basierend auf einem Theaterstück von Lukas Bärfuss, setzt sich mit einem äußerst heiklen Thema auseinander. Wie weit geht die sexuelle Selbstbestimmung einer geistig Beeinträchtigten und welche Konsequenzen hat sie? Wer übernimmt die Verantwortung? Was bedeutet Freiheit für wen? Fragen, die der Film sehr gekonnt an den Zuschauer weiterreicht und deutlich macht, wie schwierig es ist Antworten darauf zu finden.

In seinem Film "Une jeunesse allemande - Eine deutsche Jugend" lässt der französische Regisseur Jean-Gabriel Périot ausschließlich Archivmaterialien sprechen, mit deren Hilfe er die zunehmende Politisierung der westdeutschen Jugend von der Studentenbewegung bis zum bewaffneten Kampf dokumentiert.
Die Frage, ob es richtig ist, bewaffnete, das heißt illegale Widerstandsgruppen in der Bundesrepublik und Westberlin zu organisieren, ist die Frage, ob es möglich ist. Die Antwort darauf kann nur praktisch ermittelt werden. Einige Genossen haben sich zu dieser Praxis entschlossen. Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.
Mit diesem Bekenntnis Ulrike Meinhofs wird die Radikalisierung eingeleitet. Filme, Worte, Teach Ins, Demonstrationen reichen nicht länger aus, um eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen.
Durch die Originalmaterialien und den Verzicht auf jeglichen Kommentar wird "Une jeunesse allemande" zum faszinierenden Zeitzeugnis westdeutscher Geschichte in der eine politisierte Jugend, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpft und am Ende bei der Gewalt landet.

Eyad wächst in der arabischen Kleinstadt Tira im Osten Israels auf. Als erster arabischer Schüler wird er an einem Elite-Internat in Jerusalem angenommen und muss sich von da an als "Feind" im eigenen Land beweisen.
Spielst du?
Na ja, inzwischen nicht mehr so oft, ich hab wegen der Krankheit kaum Kraft in den Fingern.
Ist das von Geburt an, oder -?
Bist du so von Geburt an?
Wie?
Araber, ist das ansteckend?
Zwischen dem an einer unheilbaren Muskellähmung erkrankten Yonathan und Eyad entwickelt sich bald eine Freundschaft und in seiner jüdischen Mitschülerin Naomi findet Eyad die erste große Liebe.
Ich habe tatsächlich gerade erst mit meiner Mutter über dich gesprochen. Ich habe sie gefragt, hör mal, was wäre, wenn ich irgendwann einen Araber als Freund hätte? Sie hat mich fast angeschrien. Naomile, du kannst sagen, dass du lesbisch bist, du kannst sagen, dass du drogenabhängig bist, dass du Krebs hast, du kannst mir alles sagen, aber den Tag will ich nicht erleben, an dem du mir sagst, dass du einen Araber als Freund hast.
In "Mein Herz tanzt" vermittelt der israelische Regisseur Eran Riklis humorvolle, tragische und melancholische Einblicke in den konfliktbeladenen Identitätsfindungsprozess eines jungen arabischen Staatsbürgers Israels, der permanent zwischen allen Stühlen steht.