Phil Klay: Wir erschossen auch Hunde
Stories
Aus dem Englischen von Hannes Meyer
Suhrkamp Nova, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
300 Seiten, 16,99 Euro
Der Krieg als grausames Theater des Absurden
Verrohung, Verdrängung, Sterben und Töten. Die absurde Sinnlosigkeit des Krieges erzählen die Icherzähler in den zwölf Geschichten des Bandes "Wir erschossen auch Hunde". Ihr Verfasser Phil Klay war selbst als Presseoffizier der US-Armee im Irakkrieg.
"Stories" nennt der Verlag Phil Klays eben mit dem National Book Award ausgezeichneten Erstling. Logisch: Es sind zwölf Geschichten von zwölf verschiedenen Icherzählern. Man könnte ebenso gut auf Roman plädieren – auf polyphone Langprosa, verteilt auf zwölf zumeist junge Männerstimmen. Also zwölf verschiedene Perspektiven auf ein und dasselbe Geschehen namens Krieg.
Der jeweilige Erzähler führt ein Team oder birgt Leichen, ist Feldpfarrer oder Verbindungsoffizier, aus Infanterie oder Artillerie, MG-Schütze auf einem gepanzerten Humvee, der in eine Sprengfalle gerät, oder Teil des Ladeteams einer Haubitze, deren 60-Kilo-Splitterbomben zehn Kilometer entfernt alles zerfetzen, was da eventuell war. Sie sind alle Marines. Die Elitetruppe, die laut einem Bonmot noch jeder US-Präsident irgendwann mal irgendwohin verlegt hat. Was diese zwölf Ichs über sich, über Kameraden, Vorgesetzte, Gegner, über Männer und Frauen erzählen, sind ebenfalls Splitter – mal längere, mal kürzere Ausschnitte aus dem Kriegsalltag und dem Leben dazwischen, beim Heimaturlaub, und danach. Purer Traumastoff, die ganze kranke Sinnlosigkeit aus Verrohung, Verdrängung, Sterben und Töten, aus "over-sexed" und "under-fucked", Heldenmythos und elendem Schiss.
Es entsteht ein polyphones Ganzes
Auch wie sie erzählen, ergibt ein polyphones Ganzes. Zwölf verschiedene Timbres – mal kraftmeierischer, mal grüblerischer – mit ein und demselben Grundton: Von der Roheit, die jeder Political Correctness spottet, die auf grausigste Erlebnisse noch einen Witz draufsetzt und das ganze Treiben eiskalt entblößt als Theater des Absurden. Zusammen ergeben die Splitter ihrerseits eine Bombe, und auch die zerfetzt weit entfernt so ziemlich alles, was da eventuell noch war – an Ruhe im Kopf. Es sei denn, man hat über Krieg keine Illusionen. Wofür man gar nicht selbst im Krieg gewesen sein muss. Es gibt ja Leute, die Krieg erzählen können, in Romanen oder Filmen. Seit dem Zweiten Weltkrieg allerdings vor allem in den militärbesessenen USA, wo "theatre" auch "Kriegsschauplatz" bedeutet.
Phil Klay kennt seine Leute, er dialogisiert mit ihnen. Er hatte, bevor er sich 2003 zum US Marine Corps bewarb, Literatur studiert. Er folgt Tim O'Briens Faustregel, dass man echte Kriegsgeschichten nicht an "Moral" erkennt, sondern daran, dass sie sich kompromisslos treu an Obszönität und Bösartigkeit halten. Er erzeugt wie Michael Herr ein Unter-Uns-Gefühl durch radikale Binnenperspektive – einschließlich wimmelnde, nie erklärte Militärkürzel. Er setzt auf Frederic Mannings Fazit aus den Schützengräben an der Somme, dass "Krieg von Menschen geführt wird, nicht von Bestien oder Göttern", und folglich ebenso schlicht menschliches Handeln ist, wie ein Raymond Carver oder ein Isaak Babel es verstehen.
Klay war 2007/8 selbst im Irak: als Presseoffizier, in der Provinz Al-Anbar. Hier im Wilden Westen, der Hochburg von Al-Qaida im Irak mit Falludscha und Habbaniyah, spielen die meisten seiner Geschichten. Sie sind alle umwerfend. Man braucht dafür nur gute Nerven und einen stabilen Magen.