Kuscheltiere nicht zum Kuscheln

Von Walter Kittel |
Mit raumgreifenden Installationen und Videoprojektionen, mit Zeichnungsserien, Skulpturen oder Plattencover hat sich Mike Kelley in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Künstler der USA entwickelt. Eine der größten Privatsammlungen Kelleys hat Ingvild Goetz zusammengetragen. Mehr als 40 Werke daraus sind nun in einer umfassenden Einzelausstellung in München zu sehen.
Im Obergeschoss der Sammlung Goetz hängen die ruhigeren, aber deshalb nicht weniger tiefschürfenden Arbeiten von Mike Kelley. Der Blick fällt zunächst auf große Knäuel miteinander vernähter Kuscheltiere, die von Zeit zu Zeit mit künstlichen Aromen automatisch beduftet werden. Die Kindheit, Jugend und Adoleszenz ist bei Mike Kelley alles andere als "Rein", das wird schnell klar. Er schaut in ihre, verbotenen, verdrängten, muffigen Ecken. Wenn es so etwas wie einen roten Faden in dieser manchmal ebenso irritierenden wie inspirierenden Ausstellung gibt, dann ist es der: alles kommt irgendwann ans Tageslicht: verdrängen lässt sich nichts oder nur wenig.

Kuratiert wurde die Ausstellung von Mike Kelley selbst in Zusammenarbeit mit der engagierten Sammlerin Ingvild Goetz.

"Vor ungefähr so 16 Jahren habe ich angefangen, mich für diese Arbeiten zu interessieren. Und auch gleich angefangen sie zu sammeln. Die fand ich so schwierig und ich fand sie eigentlich auch eigentlich ganz scheußlich, muss ich ehrlich sagen. Als ich diese erste Ausstellung mit diesen Stofftieren, die miteinander plauderten, habe ich gedacht: so ein Blödsinn, das ist also so ein Quatsch und ich habe mich eigentlich richtig drüber geärgert. Aber das ließ mich nicht los auch in meinem Ärger nicht und in diesem: was soll das eigentlich. Und das hat fast ein Dreiviertel Jahr gedauert, bis ich gedacht hab: ne... und hab mir alles Material besorgt, was ich von ihm bekommen konnte. Und dann habe ich gedacht: Nein, das ist einfach hochinteressant und, ja, er stellt einen einfach vor schwierige Aufgaben."

In manche Räume will man eigentlich gar nicht rein: denn sie sind im wahrsten Sinne "unheimlich". Dieses Unheimliche, das eigentlich immer bei Mike Kelley mitschwingt und im freudschen Sinne mit Verdrängung zu tun hat, mit Sexualität ebenso wie mit Gewalt und Ekstase, wird gut inszeniert in der Ausstellung. Da gibt es etwa den Blick in einen langen, dunklen Gang, an dessen Ende ein Drahtzaun steht, mit einem grünen Gebüsch dahinter. Wer näher tritt erkennt dann auch ein Tuch und eine braune Perücke. Und wer den Raum betritt, befindet sich in einem großen, multimedialen Kabinett seltsamster Fantasien.

"Es wirkt unheimlich, ja. Es wirkt unheimlich auf den ersten Moment und wenn man drin ist, dann hat man das Gefühl, man ist in einer völlig verrückten Welt. Weil das natürlich sich dreht und es flackert. Ich glaube, dass dieser Raum höchstwahrscheinlich der meistfrequentierte sein wird, weil der einem den Mund offen stehen lässt."

Stühle bewegen sich wie von Geisterhand automatisch. Auf Leinwände projizierte Videos zeigen traurige Monster, die durch einsame Gegenden stolpern. Und aus den Jahrbüchern amerikanischer High-School-Absolventen werden Fotos gezeigt und nachinszeniert von einer als Vampire verkleideten, jugendlichen Gesellschaft: das ist zwar nur Spiel, doch von Mike Kelley zugleich subtil verknüpft mit Themen wie: Sexualität, Tod und Verbrechen.

Aufgebaut ist die Ausstellung in weiten teilen chronologisch. Gezeigt werden Arbeiten von den späten 70er Jahren bis in die Gegenwart. Zum großen Teil handelt es sich um Installationen.

"Wie in diesem Raum, der ein Kinderzimmer ist. Der in einer Frauenzeitschrift, die vorgeschlagen hatte, wie Eltern ihr Kinderzimmer einrichten sollten. Hat er ganz genau nach dieser Beschreibung, hat er nachgebaut. Diesen Raum nannte er aber "Lovenest" und das bezieht sich gleichzeitig wieder so auf die 60er Jahre, die 60er Jahre der freien Liebe. Deshalb dieses große Bett mit den Kuschelkissen. Und gezeigt wird ein Filmzusammenschnitt aus den 60er Jahren, dieser Hippiezeit. Und es geht da auch sehr stark um Homosexualität, Transvestie und Androgynität..."

Die Ausstellung bietet einen faszinierenden Einblick ins Mike Kelleys Werk. Er wird hier souverän als Magier und Verdreher amerikanischer Mythen vorgestellt. "Superman" rettet bei Mike Kelley keine großen Städte. Und die nachgestellten Kinderzimmer sind kein Idyll.

Kuscheltiere sind hier nicht zum Kuscheln da, sondern zeigen die andere Seite: das Verdrängte als eine sich aufbauschende Füllung, die erst noch von der äußeren Hülle befreit werden muss.

Info

Sammlung Goetz
Oberföhringer Str. 103
81925 München
Tel. 089 95 93 96 90
info@sammlung-goetz.de

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