"La Pivellina"

26.05.2010
Ein älteres Paar, das mit einem Zirkus herumzieht, stößt am Rande von Rom auf ein kleines Mädchen, das zurückgelassen wurde. Sie übernehmen die Elternrolle und fürchten mit wachsender Panik, das Bündel Glück wieder hergeben zu müssen.
Italien, Österreich 2009, Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel, Hauptdarsteller: Patrizia Gerardi, Walter Saabel, Asia Crippa, Tairo Caroli, 105 Minuten, ohne Altersangabe

Mit ihren feuerroten Haaren fällt Patricia alias Patti, eine Frau um die 60, immer auf. Sie und ihre Freunde arbeiten im Zirkus und wohnen im Winter in einer Wagenburg am Rande Roms. Als sie eines Tages ihren Hund sucht, findet Patti ein allein gelassenes Mädchen auf einer Schaukel.

Ohne zu zögern nimmt sie das Kind mit in ihren Wohnwagen, behandelt es wie ein Familienmitglied. Es stellt sich die Frage, ob die Mutter, die einen Brief ohne Namen hinterlassen hat, oder die Polizei das Kind zuerst abholen werden. Patti riskiert, als Entführerin verhaftet zu werden, weil sie und die anderen Zirkusleute das zweijährige Mädchen schützend bei sich aufgenommen haben.

Die Kleine, der Grünschnabel, auf Italienisch: "La Pivellina", ist ein kleiner großer Film. Groß, weil er von Großem erzählt: Selbstverständlicher Menschlichkeit, Herzlichkeit, Zuneigung. Klein, weil er mit kleinem Budget gedreht wurde. Mehrere Monate lebten die Filmemacher mit der Gruppe von Schaustellern, die zu den Helden ihres Spielfilms wurden.

Als Zuschauer lernt man eine Gemeinschaft kennen, die ihr Zusammenleben selbst organisieren, immer neu improvisieren muss. Doch auch wenn dieser Film an Originalschauplätzen und mit den dort lebenden Menschen gedreht wurde, bekommt man es nicht mit einer abgefilmten Wirklichkeit zu tun. Stets bleibt die Position der Kamera leicht überhöht.

Hier geht es nicht um die Behauptung, mitten im Leben anderer zu sein. Man bleibt Zuschauer einer Vorstellung, erlebt durchdachte Fiktion, Form und Choreographie. So entstehen präzise Bilder über die Präzision und das Handwerk des Schaustellens. Der Rhythmus einer Lebensform mit all ihrer Mühsal. Das Einstudieren der Nummern, das Aufbauen der Zelten, das Warten auf Zuschauer.

Ganz beiläufig entwirft "La Pivellina" eine schöne Utopie. Worte wie Solidarität, Verantwortung, Umverteilung, Großzügigkeit müssen hier nicht beschworen werden, sie gehören ganz einfach zum Alltag. Ein Kind ist da, und man will, dass es ihm gut geht – eine Situation, die in "La Pivellina" von allen Figuren ganz selbstverständlich gelebt wird.
"La Pivellina" ist ein Film über Kindheit oder über das, was Kindheit sein kann. Über einen Augenblick der Unbeschwertheit und Geborgenheit. Dieser Film geht, einfach gesagt, ans Herz.


Filmhomepage "La Pivellina"