Regienachwuchs am Theater

Zwischen Mut und Stagnation

06:00 Minuten
Abendaufnahme einer Halle, an der "Körber Studio" zu lesen ist. Davor stehen Menschen und unterhalten sich.
Tolle Bühne: Das Körber-Studio Junge Regie bietet dem Nachwuchs eine Plattform. © Krafft Angerer
Von Michael Laages |
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Das "Körber Studio Junge Regie" ist ein Labor für neue Theaterformen. Nach zwei Jahren findet es wieder live in Hamburg statt. Erstaunlich ist, wie wenig die jungen Talente von den Corona-Formaten übernommen haben und wie sehr sie sich unterscheiden.
Selbst, wer die fehlende Präsenz richtiger Menschen auf richtigen Bühnen generell und immer eher für einen schweren Verlust hielt, war durchaus beeindruckt von der Fantasie, die junge Künstlerinnen und Künstler, die sich dem Theater verschreiben, auch unter den Zwängen der Gesundheitsvorschriften entwickelten. Die Formate, die da im Vorjahr als Theater verstanden werden wollten und dabei dessen konventionellen Spielraum sehr gründlich entgrenzten, waren manchmal wirklich grandios. Und jetzt? Was ist davon geblieben?
Eigentlich erstaunlich wenig – als könne sich die junge Szene noch nicht so recht entscheiden, ob sie weitergehen soll auf den Pfaden der Erneuerung oder womöglich doch weitermachen soll im vertrauten Trott. Immerhin wollen ja viele, womöglich die meisten jungen Regisseurinnen und Regisseure, die professionelle Karriere an Stadt- und Staatstheatern beginnen.
Und nicht alle, ja, eher wenige von denen wünschen sich die ganz neuen Formen  – oder sind auch nur auf sie vorbereitet. Die Stichproben der vergangenen Abende dokumentieren eher, wie fundamental die Mittel und Methoden junger Talente gerade auseinanderdriften.
Tanz und Landwirtschaft
Der Freitag zum Beispiel beginnt an der neuen Studien- und Produktionsstätte der Hamburger Theaterakademie: Zwei Studierende vom immer extrem innovativen Theaterstudiengang der Uni in Gießen erkunden und durchforsten dort fast vergessenes Terrain deutscher Theatermoderne von vor 100 Jahren: „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer, uraufgeführt 1925, wird befragt, sexuelle Normen werden infrage gestellt.
Überhaupt Sexualität: Alle relevanten Diskurse der aktuellen Szene finden Echos in den Theaterentwürfen der Regietalente. Von der Berliner Ernst-Busch-Hochschule kam am Freitag sogar eine Art Ausstellung, die vielerlei Kulturen vermischt und eigentlich sehr weit wegblieb vom Theater.
„Klima/Krise/Klitoris“ nennt sich das sehr international sortierte Berliner Kollektiv; Marie Baumgarten ist eine der Ideenstifterinnen. Hier werden Tanz und landwirtschaftliche Bio-Recherche, Dokumente und performative Elemente verschiedenster Art eher unverbunden, aber sehr reflektiert zusammengeführt – in einem Raum voller Rätsel.
Schwächen im eigentlich Vertrauten
Der Kontrast danach ist scharf, denn das Team um Ruth Mensah von der Essener Folkwang-Universität setzt auf Trash und Tingeltangel. Die Abgründe in der Beach-Boy-Fabel von Jonas Eikas Bucherzählung sind bestenfalls zu ahnen. Selbst die Reflexion von Rollenklischees der Geschlechter wird eher am Rand verhandelt. Einige Beiträge dieser Ausgabe des Körber-Studios enttäuschten.

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Und erstaunlicherweise schwächeln die Talente gerade dann, wenn sie in vertrauten Theaterkonventionen verharren – etwa Jonathan Heidorn vom Thomas-Bernhard-Institut am Mozarteum in Salzburg, der immerhin ein kleines Ensemble vom Hannoverschen Schauspielhaus zur Verfügung hatte für eine sehr mürbe Theatererinnerung an den Fake-Journalisten Claas Relotius.

Das Körber Studio Junge Regie 2022 vom 1. bis 5. Juni in Hamburg.

Und Jonas Arndt hat für die Ludwigsburger Akademie Shakespeares Liebesdialoge auf Rollschuhe gesetzt und bricht einen Wer-ist-der-tollste-Liebhaber-Wettbewerb vom Zaun – Kuscheltiere hängen über den Köpfen des Rollschuhteams. Aber das lärmende Getändel, das spektakulär sein will, führt leider zu gar nichts.

Divers und diskursiv

Das Festival bleibt divers und diskursiv bis zum Schluss. Um antike Stoffe ging es schon, Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun?“ wird noch befragt und der Krieg in den Köpfen beschworen. Alles ist möglich, wenn es machbar ist; auch die Zürcher Installation einer kleinen Kneipenszene, die sich um Publikum überhaupt nicht schert.
Orientierung ist nur dort zu haben, wo Künstlerinnen und Künstler sie sich erkämpfen. Die gerade vielfach ausgezeichnete, aus Israel stammende Dramatikerin Sivan Ben Yishai hatte zur Eröffnung auch nur sehr wenig beizutragen zum Nachdenken über die Zukunft des Theaters. Sie räsonierte stattdessen darüber, dass die Theater doch einfach mal eine Weile dichtmachen könnten, bis alle aktuellen Ansprüche aller Communitys befriedigt und alle Probleme gelöst seien.
Ein wirklich fataler Vorschlag. Theater wird ja nicht nur für Communitys, Theater wird für alle erarbeitet. Die Hamburger Körber-Talente wissen das zum Glück jetzt schon besser.      

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