Lachen über den Horror
Kann man in lockerem Ton über den Holocaust schreiben? Der englische Schriftsteller Christopher New hat einen Roman über eine jüdische Familie im Nazi-Österreich verfasst. Dabei schreibt er vom ersten Satz an in einem Ton, den man zwischen Ironie und Zynismus ansiedeln kann.
Irgendwann ist in der Kunst die prekäre Frage beantwortet worden, ob man über den Holocaust lachen darf. Man darf. Nämlich dann, wenn man sich durch das Lachen vom Horror befreien will, der einen befängt bei diesem Menschheitsverbrechen.
Roberto Benigni hat mit "Das Leben ist schön" die filmische Antwort auf die Frage nach dem Lachen gegeben. In der Literatur könnte es Christopher New sein. Sein Roman "Die Kaminsky-Taktik" erzählt aus der Perspektive eines Kindes die Geschichte seiner jüdischen Mutter, seines protestantischen Vaters und seiner Geschwister. Der Ort der Handlung: Österreich. Die Zeit: Kurz nach dem "Anschluss" 1938. Das Gefühl des Kindes: Bedrängung. Zunehmende Bedrängung - und sein unbändiger Wunsch, eine ganz normale Kindheit zu leben.
Doch was dem Jungen bleibt, ist die immer weiter fortschreitende Isolation der Familie, vor allem der Mutter, die aufgrund der Tatsache, dass ihr Mann protestantischer Pfarrer ist und die Behörden dadurch nachgiebiger sind, lange körperlich unversehrt die Judenverfolgungen übersteht. Doch kurz vor Kriegsende will die Gestapo sie abholen. Sie muss versuchen, zu entkommen. Doch nicht ohne die Familie.
Christopher New schreibt vom ersten Satz an in einem Ton, den man zwischen Ironie und Zynismus ansiedeln kann. Sein Roman beginnt wie eine ganz normale Familiengeschichte mit den üblichen Konflikten, doch dann – fast wie nebenbei – beginnt der englische Schriftsteller, den Horror sich einnisten zu lassen. Auf den ersten Seiten erscheint die Judenverfolgung fast wie ein Problem, das man aus der Welt schaffen könnte. So wird sie in ihrer Irrationalität, Dummheit und Brutalität offensichtlich. Es erscheint wie ein Irrsinn, wie eine kranke Idee, die nicht nur Millionen von Menschen zerstört, sondern auch diese kleine Familie in der österreichischen Provinz. Man schluckt, wenn man Sätze liest wie: "Eigentlich wäre das eine Sache für Eichmann, aber der ist gerade damit beschäftigt, Wien von den Juden zu befreien". Oder wenn der Erzähler davon berichtet, dass in Auschwitz "an einer Einrichtung getüftelt wird, die im Sommer 1940 ihre Tore öffnen wird".
Christopher New, vor allem bekannt geworden mit seinem Roman "Shanghai", legt hier ein Buch vor, das, wäre es von einem deutschen Autor geschrieben, sicher heftige Diskussionen auslösen würde. Mit lockerem Ton über den Holocaust schreiben? Vielleicht wird es gerade deutsche Leser geben, denen der Roman zu naiv ist.
Er erzählt – stringent und in klassischer Erzählhaltung – die Bedrohung einer Familie und den Versuch, dagegen anzukommen. Dabei wählt er eine kluge Konstruktion: die Familie ist nicht nur eine Familie der Opfer. Der Vater ist Nichtjude und heimlicher Anhänger der Nazis und dies als Christ und Pfarrer. Er schämt sich für seine Familie, aber ist offenbar zu feige, sie zu verraten. Der Riss geht durch alle Schichten und Gruppen. Durch Europa, durch das Land, durch die Nachbarschaft, und – das Schlimmste – er geht durch die Familie.
Christopher New: Die Kaminsky-Taktik
Übersetzt von Monika Schmalz
Atrium-Verlag, Hamburg
22,90 Eur
Roberto Benigni hat mit "Das Leben ist schön" die filmische Antwort auf die Frage nach dem Lachen gegeben. In der Literatur könnte es Christopher New sein. Sein Roman "Die Kaminsky-Taktik" erzählt aus der Perspektive eines Kindes die Geschichte seiner jüdischen Mutter, seines protestantischen Vaters und seiner Geschwister. Der Ort der Handlung: Österreich. Die Zeit: Kurz nach dem "Anschluss" 1938. Das Gefühl des Kindes: Bedrängung. Zunehmende Bedrängung - und sein unbändiger Wunsch, eine ganz normale Kindheit zu leben.
Doch was dem Jungen bleibt, ist die immer weiter fortschreitende Isolation der Familie, vor allem der Mutter, die aufgrund der Tatsache, dass ihr Mann protestantischer Pfarrer ist und die Behörden dadurch nachgiebiger sind, lange körperlich unversehrt die Judenverfolgungen übersteht. Doch kurz vor Kriegsende will die Gestapo sie abholen. Sie muss versuchen, zu entkommen. Doch nicht ohne die Familie.
Christopher New schreibt vom ersten Satz an in einem Ton, den man zwischen Ironie und Zynismus ansiedeln kann. Sein Roman beginnt wie eine ganz normale Familiengeschichte mit den üblichen Konflikten, doch dann – fast wie nebenbei – beginnt der englische Schriftsteller, den Horror sich einnisten zu lassen. Auf den ersten Seiten erscheint die Judenverfolgung fast wie ein Problem, das man aus der Welt schaffen könnte. So wird sie in ihrer Irrationalität, Dummheit und Brutalität offensichtlich. Es erscheint wie ein Irrsinn, wie eine kranke Idee, die nicht nur Millionen von Menschen zerstört, sondern auch diese kleine Familie in der österreichischen Provinz. Man schluckt, wenn man Sätze liest wie: "Eigentlich wäre das eine Sache für Eichmann, aber der ist gerade damit beschäftigt, Wien von den Juden zu befreien". Oder wenn der Erzähler davon berichtet, dass in Auschwitz "an einer Einrichtung getüftelt wird, die im Sommer 1940 ihre Tore öffnen wird".
Christopher New, vor allem bekannt geworden mit seinem Roman "Shanghai", legt hier ein Buch vor, das, wäre es von einem deutschen Autor geschrieben, sicher heftige Diskussionen auslösen würde. Mit lockerem Ton über den Holocaust schreiben? Vielleicht wird es gerade deutsche Leser geben, denen der Roman zu naiv ist.
Er erzählt – stringent und in klassischer Erzählhaltung – die Bedrohung einer Familie und den Versuch, dagegen anzukommen. Dabei wählt er eine kluge Konstruktion: die Familie ist nicht nur eine Familie der Opfer. Der Vater ist Nichtjude und heimlicher Anhänger der Nazis und dies als Christ und Pfarrer. Er schämt sich für seine Familie, aber ist offenbar zu feige, sie zu verraten. Der Riss geht durch alle Schichten und Gruppen. Durch Europa, durch das Land, durch die Nachbarschaft, und – das Schlimmste – er geht durch die Familie.
Christopher New: Die Kaminsky-Taktik
Übersetzt von Monika Schmalz
Atrium-Verlag, Hamburg
22,90 Eur