Lachen über Neonanzis

"Denen gehörig auf die Nerven gehen"

Teilnehmer einer Demo der "Front deutscher Äpfel"
Teilnehmer einer Demo der "Front deutscher Äpfel" © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Max Upravitelev im Gespräch mit Ute Welty |
Satire gegen braune Umtriebe: Die Neonazi-Parodie der "Front Deutscher Äpfel (FDÄ)" irritiert mit subversiven Strategien: Rechtsextreme ärgern sich darüber, nicht ernst genommen zu werden, und gute Parodien gibt es immer mehr, sagt der selbst ernannte "Propagandaminister" Max Upravitelv.
Der Mitbegründer der Satiregruppe Front Deutscher Äpfel (FDÄ), Max Upravitelev, freut sich über zunehmend gute Satire gegen rechtes Gedankengut.
"Wir gehen denen gehörig auf die Nerven, auch weil es für sie lästig ist, nicht ernst genommen zu werden", sagte Upravitelev im Deutschlandradio Kultur über Satire gegen Rechtsextremismus. Applaus von der falschen Seite sei für das Kollektiv, das seit 2004 bei Demonstrationen als Parodie auf Rechtsextremisten auftritt, noch nie gekommen.
"Initiative gegen die Überfremdung deutscher Obstbestände"
Die Aktionen der Front deutscher Äpfel (FDÄ), der „Initiative gegen die Überfremdung der deutschen Obstbestände", die das Apfel-Symbol Zeichen und Fahnen, die beim flüchtigen Hinsehen nicht sofort als Parodie zu erkennen sind, verwendet, sorge für Irritationen. Ziel der Persiflage im Kampf gegen Rechts sei es, zu zeigen, dass es sich beim Nationalsozialismus "um eine gesellschaftlich tragfähige Ideologie" gehandelt habe, so Upravitelev, der im Rahmen der heutigen Fachtagung in der Gedenkstätte KZ Osthofen mit dem Titel "Darf man über Hitler lachen? Humor und Satire als Mittel der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und aktuellem Rechtsextremismus" einen Workshop leitet.
Die Frage ist nicht >Was darf Satire?< sondern >Was soll Satire?<
Bei Demonstrationen stehe die Intervention im Vordergrund, erläuterte der selbsternannte „Propagandaminister" der Apfelfront das Spiel der Gruppe mit rechten Symbolen und rechter Bildsprache. Die Gruppe tritt schwarzgekleidet und mit roten Armbinden auf, auf denen ein schwarzer Apfel auf weißem Kreis gedruckt ist und fordert in Anspielung auf die AfD unter dem Motto „ÄfD" beispielsweise die „Wiedereinführung der Reichsapfel-Mark". Die Frage, die sich stelle, sei nicht >Was darf Satire?< , sondern>Was soll Satire?<, erklärte Upravitelev in der Debatte um die Grenzen von Satire. Nicht der Tabubruch stehe für die Apfelfront-Aktivisten im Vordergrund, sondern vielmehr die Frage der Botschaft: „Was will ist eigentlich ausdrücken?"
Keine Hitler-Witze: "Er hat genug Aufmerksamkeit bekommen"
Aus diesem Grund verzichte die Gruppe auch auf Hitler-Witze oder Parodien, da diese lediglich die Person Hitlers, anstelle der Ideologie in den Mittelpunkt rückten: "Weil wir entschieden haben, dass er genug Aufmerksamkeit bekommen hat und wir uns auch dem verwehren wollten, dass immer wieder Hitler mit seiner lustigen Frisur und Bart die ganz armen Deutschen verführt hat", erläuterte Upravitelev, der regelmäßig als Apfel-Front-Mitglied Workshops für Schulklassen zum Thema leitet. Bei der Arbeit mit Schülern werde der parodistische Auftritt erläutert, um so einen Einstieg in politische Bildung zu leisten.
Professionelle Satire nehme in Deutschland generell zu, so Upravitelev weiter. Aber auch auf nicht-professioneller Ebene gebe es "ganz viel selbstproduzierten Kram" als Reaktion auf beispielsweise die Pegida-Bewegung: "Gefühlt bei Facebook zehn Parodie-Seiten am Tag (...), darunter auch qualitativ sehr gut und sehr lustige," sagte Upravitelev, der auch Herausgeber des 2014 erschienenen Buches "Front Deutscher Äpfel – Das Buch zur Bewegung" ist.
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Das vollständige Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Von Charlie Chaplin bis hin zu Helge Schneider – Komiker, die Adolf Hitler darstellen, sorgen oft genug dafür, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt, aber darf man über Hitler und den Nationalsozialismus überhaupt Witze machen? Dieser Frage geht heute die Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz nach, und zwar in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Osthofen in der Nähe von Worms. Das ist weltbekannt geworden durch den Roman "Das siebte Kreuz", den die gebürtige Mainzerin Anna Seghers im Pariser Exil geschrieben hat. Heute in Osthofen mit dabei ist Max Upravitelev, selbsternannter Propagandaminister der Front Deutscher Äpfel. Seit 2004 macht er sich stark gegen rechts mit den Mitteln der Satire. Guten Morgen!
Max Upravitelev: Schönen guten Morgen!
Welty: Allein schon der Name Ihrer Initiative, die "Front Deutscher Äpfel", der spricht ja Bände als eben „Initiative gegen die Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst". Aber trotzdem, wie groß ist das Risiko, dass Sie Applaus bekommen von der falschen Seite?
Wir gehen denen gehörig auf die Nerven
Upravitelev: Das ist eigentlich noch nie passiert. Es ist eher die ganz gut gelungene Verwirrung. Sie können nicht so richtig etwas mit uns anfangen bisher und finden es einerseits irgendwie zu harmlos, weil wir natürlich auch noch Spaß über sie machen und andererseits gehen wir denen gehörig auf die Nerven, weil es dann doch irgendwie sehr lästig ist für sie, nicht ernst genommen zu werden.
Welty: Bei Ihnen wird zum Beispiel aus der AfD die ÄfD, Äpfel für Deutschland, die die Wiedereinführung der Reichsapfelmark fordern – wird das überall direkt verstanden?
Upravitelev: Das wurde dann tatsächlich ein bisschen komplexer, also da wollten wir letzten Endes auch mal herausarbeiten, warum diese Leute auch sehr nationalistisch argumentieren, warum sie immer noch innerhalb von National-Konstrukten denken. Das ist übrigens auch intern immer eine spannende Debatte, inwiefern die Witze eigentlich noch ankommen.
Welty: Wer entscheidet das dann?
Upravitelev: Wir arbeiten als Kollektiv ganz klassisch, und genau, das wird dann intern besprochen, und raus kommt dann, was wir lustig finden.
Welty: Das ist mal eine gute Maßgabe. Inwieweit macht das einen Unterschied, ob Sie einen Workshop in einer Schule geben oder eben zum Beispiel im Rahmen einer Pegida-Demonstration unterwegs sind?
Aktionskunst nutzt parodistisch rechte Symbole, Bildsprache und Typologie
Upravitelev: Das sind verschiedene Bühnen. Wenn wir zum Beispiel bei Pegida oder Legida unterwegs sind, dann geht es eher darum, vor Ort zu intervenieren. Also das ist dann eher ein Bereich von Aktionskunst innerhalb von Intervention und so weiter, wenn wir aber Workshops halten oder auch jetzt während dieses Interviews, da wollen wir eigentlich nie als Satiriker wahrgenommen werden, sondern machen eher den Meta-Kommentar dazu. Das heißt also, in der Schule erklären wir das zum Beispiel auch mehr und erklären mehr, wo das alles herkommt und so weiter und nutzen das dann auch als Einstieg für politische Bildung.
Welty: Und bei Pegida steht dann eher die Aktion an sich im Vordergrund.
Upravitelev: Genau, ja.
Welty: Sie spielen ja sehr intensiv mit rechten Symbolen, rechter Bildsprache, rechter Typografie, wo ziehen Sie die Grenze, was Sie benutzen und was nicht?
Die Frage, die sich stellt ist nicht >Was darf, sondern was sollte Satire?<
Upravitelev: Mit der Frage wird sich auch die Tagung beschäftigen, und dazu ganz kurz: Die Frage, was Satire darf, stellt sich eigentlich nicht für die Leute, die Satire produzieren. Die Frage, die sich stellt, was sollte Satire, also nicht was darf Satire, sondern was soll Satire. Das heißt jetzt nicht etwa danach, dass man sich denkt, okay, da gibt es ein Tabu, das werde ich jetzt unbedingt brechen, sondern die Frage ist immer, was will ich eigentlich ausdrücken. Und bei uns ist zum Beispiel eine klare Antwort, dass wir keine Hitler-Witze machen, was nicht etwa daran liegt, dass wir Hitler nicht, irgendwie komisches Potenzial aus einer Verarbeitung von der Figur Hitler ziehen würden, sondern weil wir für uns entschieden haben, dass er sowieso genug Aufmerksamkeit bekommen hat und wir uns auch dem verwehren wollen, dass immer wieder Hitler mit seiner lustigen Frisur, mit seinem komischen Bart die ganzen armen Deutschen verführt hat, sondern darauf hinweisen wollen, dass das eben eine gesellschaftlich tragbare Ideologie offenbar war.
Welty: Wenn wir über Grenzen und Gratwanderung sprechen, stellen Sie fest, dass sich diese Grenzen auch mit der Zeit verschieben, dass heute zum Beispiel ein jüdischer Komiker Witze über jüdisches Leben machen kann, was vor 30 Jahren undenkbar gewesen wäre?
Auch ganz viel auch selbst produzierter Kram, der auch ganz großartig ist
Upravitelev: Ich weiß nicht, wie undenkbar das gewesen wäre. Ich glaube, es kommt dann auch noch mal darauf an, wo. Also in den USA war es, soweit ich informiert bin, war das auf jeden Fall auch schon genug gegeben, und was Deutschland angeht, ich glaube, man kann schon durchaus von einer Zunahme von Satire reden, und zwar aus vielen Bereichen. Einerseits gibt es professionellere Satiremacher und -macherinnen und eben Menschen wir Martin Sonneborn oder Jan Wellermann, die eben mit ihren Aktionen, mit ihren filmischen Beiträgen einfach sehr viel erreichen. Und auf der anderen Seite gibt es gerade ganz viel auch selbst produzierten Kram, der auch ganz großartig ist. Und das hat zum Beispiel jetzt auch Pegida gezeigt, es war zwischendurch - es standen bei Facebook gefühlt zehn Parodieseiten am Tag, von denen auch etliche einfach auch wirklich qualitativ sehr gut waren und auch sehr lustig waren, und da hat man auch schon gesehen, dass das immer mehr zu einem gängigen Mittel wird, also sich über den politischen Gegner einfach gnadenlos lustig zu machen.
Welty: Was darf Satire und was nicht? Dieser Frage geht heute eine Tagung der Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz nach, und zwar in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Osthofen. Darüber habe ich mit Max Upravitelev gesprochen von der Front deutscher Äpfel. Ich danke für dieses Gespräch, das wir aufgezeichnet haben, und ich wünsche eine intensive Veranstaltung.
Upravitelev: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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