Lachyoga im Lesesaal

Berliner Amerika-Gedenkbibliothek hat viel zu bieten

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Stadtansicht von Berlin Kreuzberg mit Amerika-Gedenkbibliothek rechts und der Heilig-Kreuz-Kirche links im Bild.
Die Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin-Kreuzberg. Hier gibt es längst viel mehr als Bücher. © dpa/ Soeren Stache
Von Ralf Hutter · 05.06.2019
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Ein sonntäglicher Presseclub, Arabisch-Kurse, Digital-Workshops: Die Amerika-Gedenkbibliothek verleiht längst nicht mehr nur Bücher. Mit zahlreichen Veranstaltungen lädt sie die Nutzer zum Gespräch ein. Und wurde so zur Bibliothek des Jahres.
Es ist Sonntag in der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin-Kreuzberg, doch das Haus wird mehrfach bespielt. Im Zeitschriftenlesesaal redet der Fachjournalist und Buchautor Peter Spork über Epigenetik. Er ist Teil der Journalismus-Genossenschaft "Riffreporter".
Jeden ersten Sonntag im Monat tritt hier ein Riffreporter-Mitglied im sogenannten "Presseclub für alle" auf, um über sein Fachgebiet zu sprechen. Heute ist das Publikum wegen des warmen Wetters klein, aber im Hintergrund, auf den anderen Sitzgelegenheiten des Lesesaals, sitzen weitere Menschen, von denen zumindest einige nebenbei zuhören.

Bibliothek zum Mitmachen

Den Tag über gibt es in mehreren Räumen ein halbes Dutzend weiterer Veranstaltungen. Die Idee ist, dass die Bibliothek vielfältig genutzt wird und dass jeder Mensch selbst etwas anbieten kann, erklärt Nadja Schütt vom Veranstaltungsteam:
"Dann wird das programmatisch von uns aufbereitet, und dann folgten in den letzten anderthalb Jahren dadurch auch Programme, die an uns herangetragen wurden, von außen."
Unlängst habe jemand einen Arabisch-Kurs angeboten, mit der Möglichkeit zum Finden von Sprachtandems. Schütt ist freischaffende Bildende Künstlerin und betreut mit einigen weiteren Kulturschaffenden die Sonntagsaktivitäten. Feste Programmpunkte sind Lachyoga und eine Lesegruppe. Für Kinder gibt es Bastelworkshops, und im Foyer steht eine Tischtennisplatte.
Schütt ist Ansprechperson und macht die Lautsprecherdurchsagen. "Es gibt Leute, die konkret zu Programmen kommen, weil man das auch im Internet lesen kann. Aber es ist auch tatsächlich so, dass durch die Ansagen die Leute angeregt sind, zu den Veranstaltungen zu kommen."

Ort des geteilten Wissens

Die Berliner Landesbibliothek wurde zum einen wegen ihrer digitalen Dienstleistungen zur Bibliothek des Jahres erklärt. Sie bietet besonders viele Online-Datenbanken mit Zeitungen, Zeitschriften, Musik und sogar Filmen zum Streamen an. Sie verleiht nicht nur digitale Bücher, sondern auch die dafür nötigen Lesegeräte, und führt Menschen bei Bedarf in die digitale Welt ein. Zudem hat sie viele historische Dokumente digitalisiert.
Besucher der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin sitzen zwischen Bücherregalen. 
Besucher der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin sitzen zwischen Bücherregalen. © dpa / picture alliance / Tim Brakemeier
Der zweite Grund für den Ehrentitel: Sie will ein Forum für die Stadtgesellschaft sein.
"Bibliothek als der Ort, wo Leute ihr Wissen miteinander teilen können", nennt es Pressesprecherin Anna Jacobi. Die Bibliothek soll nicht nur eigenes Wissen in Form von Medien zur Verfügung stellen, sondern auch ein Ort sein, wo Menschen miteinander ins Gespräch kommen, "zum Beispiel Vereine, zum Beispiel politische Gruppen, zum Beispiel Bürgerinitiativen."
Anna Jacobi hofft, dass langfristig die Hälfte der Sonntagsveranstaltungen von Freiwilligen vorgeschlagen und durchgeführt wird: "Es geht sehr viel langsamer, als wir uns das am Anfang erträumt haben, aber es funktioniert schon."
Am anderen Standort der Landesbibliothek im Stadtteil Mitte öffne an vier Tagen pro Woche eine von Freiwilligen betreute arabische Bibliothek, die vorher in einem Flüchtlingsheim stand.
Die Landesbibliothek geht aber auch nach außen. Da ihre beiden Standorte in einigen Jahren zusammengelegt werden sollen, machte sie letztes Jahr eine partizipative Aktion.
"Wir haben unsere Nutzenden, aber auch ganz viele Leute in der Stadt gefragt: Was brauchst du für eine Bibliothek, um die Welt zu verändern?"

Viele Ältere kommen, um sich weiterzubilden

Im Zeitschriftenlesesaal, am Rande der Riffreporter-Veranstaltung, sitzt eine 69-jährige Frau. Sie kommt sonntags in die Amerika-Gedenk-Bibliothek, um ausländische Zeitungen zu lesen.
"Manchmal komme ich am Freitag, da gibt’s eine Einführung in einige Digitalangebote. Zum Beispiel dass man Filme streamen kann, Dokumentarfilme auf bestimmten Seiten, über einen Zugang der Bibliothek."
Sie ziehe dieses Angebot den Mediatheken von Fernsehsendern vor, wo Filme nur relativ kurz und Serien nur zum Teil abrufbar seien. Einen eigenen Computer habe sie nicht.
Ihre Sitznachbarin lobt auch den Presseclub für alle: "Sonntags ist ganz gut. Man informiert sich, man kriegt viel mit bei dieser Veranstaltung." Sie sei oft hier, und froh über die Sonntagsöffnung. Auch die 69-Jährige findet das wichtig:
"Die anderen, die Bezirksbibliotheken, sind alle zu, schon am Samstagmittag."
Erleuchtet ist am 07.01.2013 in Berlin die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz. Diese Einrichtung gehört zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
Die Amerika-Gedenkbibliothek gehört zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin.© picture alliance / dpa / Paul Zinken
Neben dem großen Angebot auch an fremdsprachigen Medien locken hier etliche Computer mit Zugang zu allen digitalen Angeboten. So manche Leute schätzen aber auch einfach nur den kostenlosen Internetzugang, zum Beispiel eine 60-jährige ehemalige Lehrerin aus Peru. Mehrmals pro Woche komme sie her, um im Internet Nachrichten zu lesen und sich weiterzubilden, sagt sie.
"Ich aktualisiere mich: Was passiert in Deutschland, in anderen Ländern? Es ist sehr wichtig für mich."
Einen eigenen Computer habe sie nicht mehr, aus Geldmangel. Wenn etwas am Bibliothekscomputer sie überfordert, frage sie an einem Nachbartisch um Hilfe.
"Am meisten haben mir Studenten geholfen. Vielleicht brauch ich etwas Hilfe und dann frage ich. Funktioniert sehr schön."
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