Von der Königin des Pop wachgeküsst

Ihre Texte waren sexuell aufgeladen, ihr Auftreten laut und bestimmt, und ihre Klamotten standen dem in überhaupt nichts nach. Lady Bitch Ray, unter diesem Namen hat Reyhan Şahin ab Mitte der Nullerjahre den deutschsprachigen Rap umgekrempelt.

Das mit den eindeutigen Texten, dieser bestimmten Attitüde und den Klamotten könnte man so auch über Madonna sagen – die war ein paar Jahre vorher dran.

Tatsächlich gibt es Anknüpfungspunkte zwischen den beiden: Darüber schreibt Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray, inzwischen promovierte Linguistin, jetzt in einem Buch. Aber es geht trotz dieses autobiografischen Zugangs auch um deutschen Hip-Hop, Rassismus und Sexismus.

Als Schlüsselmoment beschreibt Şahin, wie sie als Elfjährige beim Einkaufen ein T-Shirt mit Madonna-Aufdruck entdeckte. "Ich war tatsächlich fasziniert von ihrer Power, sexuelle Tabus zu brechen und sich den Raum zu nehmen, den sie braucht als Frau", erinnert sie sich.

Madonna habe sie mit ihrem Style sozusagen wachgeküsst: "Ich wusste, dass sie als Sängerin sexuelle Posen darstellt und so ein anzügliches, unkonventionelles Femme-Fatale-Image hat." Da sei sie selbst noch ein "halbes Kind" gewesen.

Reyhan Şahin beschreibt als eine Parallele zwischen dem US-Popstar und sich selbst, dass sie beide aus einem streng religiösen Elternhaus kommen: Madonna entstammt einer katholischen Familie, Şahin hingegen wurde muslimisch-alevitisch geprägt.

Ist Madonna auch eine feministische Künstlerin? Reyhan Şahin meint: "Ich würde Madonna als sogenannte weiße Feministin bezeichnen. Mit ihrer Musik hat sie sich viel früher popfeministisch positioniert, muss man ihr zugutehalten, aber sie hat nie so viel darüber gesprochen."Weiße Stars wie Madonna hätten allerdings durchaus ihre problematischen Schattenseiten, "wenn wir über Rassismus sprechen oder kulturelle Aneignung".

(fka/cre)